Donnerstag, 29. Dezember 2011

Das war 2011 solar

Der Bau von Photovoltaik-Anlagen hat im abgelaufenen Jahr in gleich in dreierlei Hinsicht neue Dimensionen erreicht. Jetzt kommen nämlich die richtig grossen Anlagen, die je für sich zehntausende von Haushalten mit Strom versorgen. Und sie tun dies zu Preisen, die bald absolut konkurrenzfähig zu herkömmlichen Energien sind – dank einer gigantisch gewachsenen Branche.

Das Solarjahr endet mit einem Pauckenschlag: Erstmals sind 100 Megawatt Leistung in einem einzigen Photovoltaik-(PV)-Werk erreicht. Von der Fachpresse offenbar noch kaum bemerkt und kommentiert, da direkt an Weihnachten vollendet, erreicht das von Activ Solar fertig gestellte Werk in Perovo (Krim, Ukraine – siehe Bild) eine Leistung von 100 Megawatt – die weltweit erste Anlage, die diese Hürde überspringt. Und das in einem Land, das bislang von wegen Erneuerbaren Energien überhaupt nicht für Schlagzeilen gesorgt hatte. Was wiederum das Potential zeigt, welches die Erneuerbaren auch in neuen Märkten haben – und wie schnell sich dieses entfalten kann.

Ja, die neuen Märkte haben es wahrlich in sich. Gemeint sind dabei zuerst einmal jene in Italien und den USA – ersteres hat Deutschland 2011 von den ersten Rang abgelaufen, was den Zubau an neuen Photovoltaik-Anlagen betrifft (siehe Solarmedia vom 15. Dezember 2011). Noch sind die Zahlen fürs abgelaufene Jahr nicht bekannt – doch gemäss den Schätzungen Italien dürfte mit annähernd sieben Gigawatt Zubau erstens quasi ein AKW errichtet haben (so viel solare Leistung bracht es ungefähr, um gleich viel Strom zu erzeugen wie ein grosses Atomkraftwerk). Zweitens dürfte damit einer der europäischen Sonnenstaaten das so viel nördlicher gelegene Deutschland überholen (rund fünf Gigawatt Zubau) – was angesichts der Einstrahlungsvoraussetzungen nichts weiter als rechtens erscheint. Da wartet man darauf (leider wohl noch lange), bis das einstig führende Spanien oder etwa auch Griechenland als grosse Solarmärkte nachziehen.

Es sind dafür China und Indien, die sich anschicken vorauszueilen. Das Reich der Mitte schaffte 2011 den Sprung in die Gruppe der Gigawatt-Zubauer – zu der neu auch die USA und Japan gehören. Unterdessen stammen je nach Statistik sechs bis acht der grössten Modulproduzenten weltweit aus China – und weil so viele etablierte Märkte angesichts der Finanzkrise die Solarförderung zurückfahren (besonders deutlich in Frankreich, Deutschland und Grossbritannien – zuvor schon in Spanien), hat sich China auf die Förderung des Binnenmarkts verlegt, um den eigenen Produzenten auch genügend Absatzpotential für die gewaltig gewachsenen Produktionskapazitäten zu eröffnen. PV-Anlagen in der Grösse von 20 Megawatt Leistung (teils auch miteinander verbunden) schiessen derzeit angesichts einer landesweit eingeführten Einspeisevergütung wie Pilze aus dem Boden.

Da kann Indien lediglich von hohen Zuwachsraten auf sehr bescheidenem Niveau berichten. Hat allerdings Pläne in sein Energieprogramm aufgenommen, die ähnliches gigantisches Wachstum wie beim konkurrierenden Nachbarn für die kommenden zehn Jahre vermuten lassen. Zumal in Indien der so genannte Off-Grid-Anlagenbau grosse Fortschritte macht (kleine netzunabhängige solare Heimsysteme).

Das alles noch konkreter in Zahlen: "Das Jahr der Wahrheit" für die Solarindustrie, so nennt die Fachzeitschrift pv magazine 2012 in einem Ausblick. Auch wenn 2011 23,8 Gigawatt neue Photovoltaikanlagen installiert wurden, rund 34 Prozent mehr als 2010, reicht dies bei weitem nicht aus, um die gigantischen Überkapazitäten der Hersteller auslasten zu können. Rund 50 Gigawatt Fertigungskapazitäten sind inzwischen aufgebaut, davon 80 Prozent in China. Die Marktanalysten von IMS sehen den europäischen Markt im nächsten Jahr nur um sechs Prozent wachsen, weltweit dagegen ein Wachstum von 43 Prozent voraus. Die Solarzellenproduktion soll 2012 nach einem Report des Energieinstituts der Europäischen Kommission sogar auf 80 Gigawatt anwachsen, was zu einem weiteren Preisverfall der Module führen würde (siehe auch klimaretterinfo.org).

Auch die USA gehören zu den aufstrebenden Solarnationen.
Endlich, möchte man meinen, sind dort sowohl die technologischen Voraussetzungen (Halbleiterindustrie und jahrzehntelange Solarforschung wie – nutzung) besonders günstig. Äusseres Zeichen der neuen Zeit in Nordamerika: Warren Buffett’s gleich zwei Solarinvestitionen ganz grossen Stils (siehe Solarmedia vom 7. Dezember 2011) sowie ein weiterer prominenter Neueinsteiger - denn auch Google hat sich PV zugewandt. Abgewandt haben sich derweil die im Energiegeschäft weiterhin dominierenden Ölkonzerne, die sich als Alternative lieber dem kurzfristig so boomenden Massengeschäft der Gasförderung zuwenden. Mit der Ausnahme allerdings, dass «Total» quasi total eingestiegen ist (Übernahme von Sunpower und damit einer der Branchengrössen – vor allem technologisch gesehen), die Verweigerung also nicht total ist.


Und was heisst dies alles für die StromkonsumentInnen, nicht zuletzt hierzulande? Die Preise für die produzierte Kilowattstunde Solarstrom sind im freien Fall. Je nach Voraussetzungen allerdings weiterhin sehr unterschiedlich. So oder so haben sie sich im vergangenen Jahrzehnt ungefähr gedrittelt – und der Weg zur absoluten Konkurrenzfähigkeit ist nicht mehr weit – doch dazu dann in den nächsten Tagen auf Solarmedia ein Ausblick aufs neue Jahr. Und ach so – vielleicht der langfristig entscheidende Schritt 2011 war, trotz des bereits beschworenen verpufften Fukushima-Effekts – der Ausstieg aus der Atomenergie. Er wird trotz Gegenwehr der Dinosaurier angesichts neuer wirtschaftlicher Gegebenheit ein definitiver sein, ganz sicher!

© Solarmedia

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