Montag, 28. November 2016

Nach Stromtagung war am Sonntag die Welt wieder in Ordnung

Ende vergangener Woche fand in Zürich der Kongress Stromtagung Schweiz statt, veranstaltet von der HSG St.Gallen. Die Ausführungen zum Stand der Branche liessen schon befürchten, was sich nach dem Abstimmungswochenende zur Atom-Ausstiegsinitiative (AAI) zur unumstösslichen Tatsache mauserte - es bewegt sich wenig im Schweizer Elektrizitätswesen.

Franco Gola vom deutschen Energieversorger E.ON
präsentierte die Grundlagen des erfolgreichen Einstiegs
ins Solargeschäft, u.a. mit einer Überwachungs-App.
Das ist mitnichten die Feststellung des Beobachters (oder vielleicht auch), sondern vielmehr eines der Referenten, des deutschen Eon-Vertreters Franco Gola. Dieser trat allerdings erst zum Schluss der Veranstaltung an, als die Zuhörer (-innen waren kaum vorhanden), mit ihrer Aufmerksamkeit wohl längst im Wochenende weilten. Aber es hatte es in sich, was der Mann aus Baden-Württemberg sagte. Eigentlich könne er nicht viele Unterschiede ausmachen zwischen deutschen und schweizerischen Verhältnissen - ausser dass hierzulande wohl alles noch einige Jahre brauche. Dortzulande, in deutschen Landen jedenfalls, herrscht Chaos in der Stromwirtschaft, «der Markt wurde über den Haufen geworfen». Wenn auch erste zaghafte Ausbrüche aus diesem zu verzeichnen seien. So gibt es bei E.on, einem der vier Grossen Deutschlands, das zarte Pflänzchen einer Solarabteilung. Diese hat Gola aufgebaut - und er realisiert unterdessen monatlich Dutzende von - man glaubt es kaum - Solaranlagen.

Deutschland hat es diesbezüglich besser, also auch die Solarbranche, weil bereits ein Förderprogramm für Speichersysteme aufgegleist ist. Und damit kann Eon ein wirklich innovatives Produkt anbieten, eine umfassende Solaranlage quasi von der Wiege bis zur Bahre. Und das hat offenbar Erfolg, obwohl es sich wirtschaftlich vielleicht noch gar nicht so rechne. Aber für Eon rechnet es sich wohl - zumindest hat das Unternehmen, das ähnlich wie die anderen Grossen in den vergangenen Jahren riesige Verluste und Abschreiber verzeichnete, jetzt wieder eine Perspektive.

Die hingegen haben die Schweizer EVU's (Elektrizitäts-Versorgungs-Unternehmen) weniger. Zumindest wenn man den Aussagen der Tagungsreferenten glauben schenken mochte - mit Ausnahmen natürlich. Sie sind alten Geschäftsmodellen verhaftet, was deutlich wurde an den Ausführungen des (nach eigenem Bekunden branchenfremden) neuen Verwaltungsratspräsidenten der Axpo, Thomas Sieber. Als Lösung der Branchenprobleme kam er wiederholt auf die Forderung zu sprechen, dass endlich die Wasserzinsen anzupassen seien. Ein Vorschlag, den mangels anderer auch weitere Tagungsreferenten dankbar aufnahmen. Dass allerdings Axpo-intern ein Gerangel eingesetzt hat über die künftige Strategie (wie aus wohlunterrichteter Quelle zu vernehmen), sagte Sieber nicht.

Und auch sonst nicht viel mehr als - man verzeihe - tote Hose. Mit der gewichtigen Ausnahme des Basler Chefs der Industriellen Werke (IWB), David Thiel (auf dem Bild im Halbdunkel während Power-Point-Präsentation). Ein Schelm wer Böses denkt, wenn man deren Wirken mit der Abstimmung vom Wochenende vergleicht - waren doch die beiden Basel die einzigen deutschschweizer Kantone, die dem Atomausstieg zustimmten. In Basel haben sie nämlich das neue Energiesystem zum Teil bereits, welches Thiel auf fünf «Gamechangern» gründen sieht.  Diese sind die 3D Dezentralisierung, Digitalisierung und Dekarbonisierung sowie Komplexität und Regulierung. Kai Hufendiek, Professor an der Stuttgarter Technik-Universität machte aufmerksam auf die Parallelität des Verkehrssektors mit der Strombranche. Auch im Verkehr habe es den Wechsel von der öffentlichen Massenversorgung (Eisenbahn) zur Individualversorgung (PW) gegeben - und jetzt schlage das Pendel zurück, ohne dass deswegen das Standbein Individualverkehr völlig wegbrechen müsse. Aber anpassen müsse es sich schon, die deutsche Automobilindustrie tut sich mit dem Übergang zum E-Auto ja schwer genug.

Zum Generaltenor der Veranstaltung passte, dass der Vertreter des Bundes, BfE-Chefökonom Matthias Gysler, eine in seinen Worten visionslose Analyse des Gesamtsystems lieferte. Zudem drohte er den Solaranlagenbetreibern, dass sie bei Eigenverbrauch des erzeugten Stroms nicht um eine Netzabgabe herumkommen werden. Was möglicherweise im Sinne der EVU ist, aber den Tod vieler Projekte bedeuten könnte. Lichtblick von seiner Seite, aber auch unverhohlener Hieb auf die Branche: Am meisten Innovation sieht Gysler bei den Stadtwerken und nicht etwa bei den Grossen (siehe Basel).

Und vielleicht auch Ironie der Geschichte, dass am gleichen Tag vonseiten des einzigen noch namhaften Schweizer Solarunternehmens, von Meyer Burger, Kunde kam vom abrupten Führungswechsel angesichts drängender Finanzierungsprobleme. Die vielleicht auch daher rühren, dass ein Unternehmen wie MB in der Schweiz nie so richtig Fuss fassen konnte - denn wer wollte seitens der EVU schon eine Solaranlage? 

So könnte sich denn dereinst der Sieg im Abstimmungskampf um die Atomausstiegs-Initiative als Pyrrhussieg erweisen.  Die Stromversorger haben es offenbar einfach noch nicht geschnallt, was in der Branche abgeht und dass sie vielleicht schon mit mehr als einem Bein am Abgrund stehen. Gegenbeweis gern gesehen! Oder wie formulierte es doch der deutsche Gastredner so schön: «Man muss mitgehen mit der Zeit, sonst muss man gehen mit der Zeit

©  Text und Bild Guntram Rehsche - Solarmedia

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1 Kommentar:

  1. Der Blog bringt wirklich sehr viel, danke für den Aufwand, das alles zu publizieren!
    Liebe Grüße.

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