NZZ vom 14.1.22 Vergrössern mit Klick |
Was haben sie in den letzten Wochen und Monaten nicht wieder die Vorteile der atomaren Stromversorgung auch für die Schweiz beschworen. Allen voran die relativ neue Jugendorganisation Energie Club Schweiz, die sich einerseits als politisch verstanden wissen will, andererseits aber einen unabhängigen Expertenrat für sich reklamiert, der aus allesamt atomnahen Kreisen stammt, wie diese Aufstellung gemäss eigener Website zeigt:
- Dipl. Ing. ETHZ, MBA Hans Achermann, ehem. Direktor Elektrizitäts-Gesellschaft Laufenburg (EGL) und ehem. Geschäftsleiter Kernkraftwerk Leibstadt.
- Dr. phil. nat. Irene Aegerter, Physikerin, ehem. Vize-Direktorin Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE), ehem. Mitglied KSA, Präsidentin Fachausschuss Strahlenschutz und Entsorgung.
- Prof. em. Dr. phil. Heinz Gutscher, Sozialpsychologe, ehem. Präsident Akademien Schweiz, ehem. Präsident ProClim und ehem. Mitglied Eidg. Energieforschungskommission CORE.
- Dr. rer. pol. Eduard Kiener, dipl. Masching. ETH, ehem. Direktor Bundesamt für Energie (BFE).
- Lic. jur. Beat Moser, ehem. Geschäftsführer Swisselectric, ehem. Präsident Forum Mobil.
- Lic. rer. pol. Urs Näf, ehemals zuständig für Bereich Energie und Umwelt bei economiesuisse, ehem. Head of Government Affairs General Electric Switzerland, Fachbereichsleiter Industrie der Wirtschaftlichen Landesversorgung (Miliz)
- Dr. Sc. nat. Bruno Pellaud, Physiker, ehem. stv. Generaldirektor Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO), ehem. Präsident Nuklearforum.
- Lic. rer. pol. Markus Saurer, Industrieökonom und Publizist, Gründungs- und Vorstandsmitglied CCN, ehem. Vizedirektor im Sekretariat der Wettbewerbskommission.
- Prof. em. ZHDK Martin Schlumpf, Autor für Energie- und Klimapolitik CCN, Daten-Kolumnist beim Nebelspalter.
- Dr. Sc. nat, ETHZ, Hans-Jörg Schötzau, Physiker, ehem. Leiter Netze, Axpo, ehem. Vize-Präsident Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom).
Der Energie Club hiesse also besser Atom Club - oder noch besser atomare Senioren-Vereinigung, denn all die ehemaligen Funktionen beziehen sich fast ausschliesslich auf atomare Lobbytätigkeit - und mitnichten Unabhängigkeit. Es kommt aber noch beser: Präsidentin ist mit Vanessa Meury eine umtriebige SVP-Jungpolitikerin aus dem Kanton Solothurn, die gerne und heftig austeilt (und einen sehr jungen Vorstand repräsentiert). Unlängst also teilte Meury (wie früher auch schon) sowohl gegen den Autor dieser Zeilen wie auch die SRG-Medien aus - die sich erlaubten, einen Experten ohne einschlägigen Universitätsabschluss (Mycle Schneider) zusammen mit einem der Atomorganisation Nuklearia nahen zur Zukunft der nach wie vor umstrittensten Energieform zu befragen (siehe > hier). Dazu muss man wissen, dass dieser Nuklearia-Mann (Lucas Aebi war zuvor bei economiesuisse und dem Verband Schweizerischer Kantonalbanken tätig. Er hat in Zürich Recht und in London Politikwissenschaften studiert) ebenso wie Meury (ihres Zeichens Immobilienverwalterin im zarten Alter von Mitte 20) auch über keinen einschlägigen Abschluss verfügen.
Sei's drum. Was also Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit bei der Atomwirtschaft heisst, zeigen die jüngsten Vorkommnisse rund um das neueste Schweizer Atomkraftwerk (AKW) Leibstadt, das mit der Inbetriebnahme im Jahre 1984 allerdings auch schon in die Jahre gekommen ist. Leibstadt nun stand 2021 während eines halben Jahres still, konnte also die als sicher geglaubten zehn Prozent des Landes-Stromverbrauchs während dieser Zeit nicht abdecken. Zur Erinnerung: den Erneuerbaren Energien wird jeweils ihre Wetterfühligkeit vorgeworfen - also dass sie gelegentlich während Tagen ausfallen resp. keine Strom produzieren (Windflauten, Nebel und natürlich die in der Nacht fehlende Lichtquelle).
Also ist es um die Versorgungssicherheit der Atomkraft doch nicht zum besten bestellt. Zumal gilt: WENN eine (dann sehr gewichtige) Quelle ausfällt (was immer wieder vorkommt - im Jahr zuvor war es in ähnlichen Ausmass das Uralt-Kernkraftwerk Beznau), DANN gleich richtig. Will heissen, mit riesig viel fehlendem Strom. Die unerfreuliche Situation hat bedeutsame Folgen für die Wirtschaftlichkeit: Eine gute halbe Milliarde Franken müssen nämlich die Eigner (vor allem das grösste Elektrizitäts-Unternehmen der Schweiz, die Axpo - was deren Unlust an neuen AKW erklären mag) von Leibstadt nun aufbringen, um den Ausfall des letzten Jahres auszugleichen. Wie die Neue Zürcher Zeitung in ihrer Ausgabe vom 14.Januar schreibt, rühren die Verluste einerseits aus den nötigen Wartungs- und Reparaturschäden. Andrerseits und in grösserem Ausmass von 200 bis 300 Millionen Franken aus der Tatsache, dass Leibstadt den fehlenden nicht selbst produzierten Strom auf dem Spotmarkt zu weit höheren Preisen einkaufen musste, als sie ihn gemäss ihren langfristig abgeschlossenen Lieferverträgen weiterverkaufen konnte.
Fazit des Falles Leibstadt und zu erinnern für die sicher nicht abreissenden Auseinandersetzungen um die Frage, ob die Schweiz nun doch wieder neue AKW bauen solle: Solche kämen für die Abfederung des Klimawandels nicht nur zu spät, sie sind nicht nur gefährlich, wie das Atomanlagen halt sind (bezüglich Terroranschlägen und Endlagerung). Sie sind auch bezüglich Versorgung länst nicht so sicher, wie ihre Apologeten das gern glauben machen - und wirtschaftlich sind sie schon gar nicht. Denn neben Flops wie jetzt in Leibstadt treten ja die ins unermessliche gestiegenen Kosten für die Erstellung, wie sämtliche (wenige) Bauprojekte in Europa (Finnland, Frankreich, England) belegen.
Vielen Dank für die Reklame.
AntwortenLöschenNun Herr Saurer, wer den Schaden hat,muss für den Spot nicht sorgen...
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