Die Schweizer
Politik diskutiert den verlängerten AKW-Betrieb, weil nach dem Aus des
EU-Rahmenabkommens die Fragezeichen bei der Stromversorgung akuter
werden. Dabei wird die Sicherheit vergessen. Selbst das neuste Schweizer
AKW in Leibstadt offenbart in der Periodischen Sicherheitsüberprüfung
PSÜ von 2016 diverse Defizite, die weder die Betreiberin Axpo noch die
Atomaufsicht ENSI beheben wollen. Dies ergibt die Analyse des
Reaktorsicherheitsexperten Prof. Dr. Manfred Mertins von der TH
Brandenburg im Auftrag der Schweizerischen Energie-Stiftung SES. Mertins
Fazit: Das Sicherheitsniveau der Anlage wird dem Stand von Wissenschaft
und Technik nicht gerecht. Für einen sicheren längerfristigen Betrieb
müsste weit mehr unternommen werden, als das Kernenergiegesetz und das
ENSI verlangen - so die Medienmitteilung der SES.
AKW ganz nahe der deutschen Grenze |
Aufsicht muss höhere Ansprüche haben: Das ENSI unternimmt zu wenig, um die bestehenden AKW so nah wie möglich an das Sicherheitsniveau neuer Reaktoren heranzuführen. Schweizer AKW müssen zwar alle zehn Jahre eine Periodische Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) vornehmen und nach 40 Betriebsjahren ein sogenanntes Langzeitbetriebskonzept einreichen. Dabei müssen sich AKW in der Schweiz aber nicht am höchstmöglichen Sicherheitsniveau messen, sondern am sogenannten «Stand der Nachrüsttechnik». Selbst das ENSI kann nicht abschliessend definieren, was das konkret bedeutet.
Zahlreiche Mängel im AKW Leibstadt: Die neue Studie zum AKW Leibstadt weist Abweichungen zum Stand von Wissenschaft und Technik aus. Zu den wichtigsten gehören:
- Verschiedene Sicherheitssysteme erfüllen heutige Anforderungen hinsichtlich Redundanz und Diversität (z.B. RDB-Füllstandsmessung) nicht.
- Das gestaffelte Sicherheitskonzept kann im AKW Leibstadt nicht konsequent sichergestellt werden, wie dies der Stand von Wissenschaft und Technik verlangt.
- Das AKW Leibstadt ist nicht vollständig gegen den Absturz eines heute üblichen Flugzeugtyps geschützt.
- Das AKW Leibstadt bezieht Kernschmelzszenarien nicht in die Sicherheitsbewertung ein.
Die Schweiz kennt heute kein Konzept für verlängerte Betriebszeiten von AKW, das diese Defizite beheben soll. Das Parlament hat es 2016 im Rahmen der Energiestrategie 2050 verpasst, den längerfristigen Betrieb an griffige sicherheitstechnische Auflagen zu knüpfen. Die SES fordert die Politik dazu auf, die Gefahren des verlängerten AKW Betriebs ernst zu nehmen und entsprechende Grundlagen im Kernenergiegesetz zu schaffen. «Einige Politiker:innen wünschen sich AKW-Betriebslaufzeiten von 60 Jahren – dabei ist das Schweizer Regelwerk noch nicht einmal für einen Betrieb über 40 Jahre hinaus gerüstet. Heute gültige Sicherheitsstandards werden von Schweizer AKW gleich reihenweise gebrochen!», stellt Fabian Lüscher, Leiter Fachbereich Atomenergie bei der SES fest.
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