Montag, 13. September 2021

Das isch's Wunder: Pflanzenkohle

Kohle macht die Kuh erträglicher für das Klima. Nicht irgendeine Kohle, sondern Pflanzenkohle. Florian Gut produziert solche Pflanzenkohle aus Holz. Dafür hat er in eine Holzvergasungsanlage investiert. In einem komplexen Prozess entstehen neben der Kohle auch Wärme zur Beheizung mehrerer Gebäude sowie Warmluft zur Trocknung von Brennholz. Herzstück der Anlage ist ein Gasmotor, der in zwanzig Betriebsstunden soviel Strom produziert, wie ein vierköpfiger Schweizer Haushalt in einem ganzen Jahr verbraucht. 
 
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Ein markanter Holzbau steht im Weiler Desibach bei Buch am Irchel. Es riecht angenehm nach frischem Holz. «Wir haben den Bau mit Holz aus dem eigenen Wald konstruiert», erzählt ein sichtlich stolzer Bauherr. Florian Gut ist Landwirt, Winzer, Unternehmer, Waldbesitzer, Anlagenbetreiber, Pflanzenkohlevermarkter und vieles mehr. «Zehn Jahre hat die Projektentwicklung gedauert, bis wir im August 2021 die Anlage in den ordentlichen Betrieb nehmen konnten. Wir sind sehr zufrieden.» 

Wald hat in der Familie Gut Tradition. Seit Generationen bewirtschaftet die Familie etwa 33 Hektaren eigenen Wald. Man ist auf die Herstellung von Stückholz spezialisiert. «Pro Jahr stellen wir etwa 500 Ster Scheiter her, die wir zurzeit sehr gut verkaufen können», erklärt Florian Gut. Die neue Anlage produziert Warmluft zur Trocknung noch grösserer Mengen. Die Nachfrage nach Stückholz ist gross, der Geschäftszweig soll in nächster Zeit ausgebaut werden. Damit bestätigt Florian Gut einen schweizweiten Trend: Die Nutzung von Stückholz in kleineren Anlagen im Wohnbereich wird «wiederentdeckt». Die Menschen verbringen mehr Zeit zuhause und geniessen die gesunde Strahlungswärme des Holzfeuers.

Die Warmluft trocknet aber nicht nur grosse Mengen an Scheitern und Spälten, sondern auch die Hackschnitzel für den Holzvergaser. Im Schnitzelsilo lagern grosse Mengen waldfrischer Schnitzel, die sukzessive durch den Warmlufttrockner gefördert werden und anschliessend in ein Zwischenlager gelangen. Von dort aus laufen sie durch eine raffinierte Mischanlage und werden in der optimalen Zusammensetzung (Stückigkeit, Feuchte) dem Vergaser zugeführt. Erstaunlich und auffällig ist die grosse Variabilität des Rohstoffes. «Wir können eigentlich alle bei uns anfallenden Sortimente in den Vergaser führen, das heisst auch Rinde und Feinanteile aus der Stückholzproduktion. Der Vergaser ist diesbezüglich sehr tolerant.», präzisiert Gut.

So entstehen aus Holz Kohle, Strom und Wärme: Der vorgetrocknete Brennstoff – ausschliesslich naturbelassenes Energieholz aus der Region – gelangt in den Pyrolyse-Reaktor. Bei etwa 500 Grad Hitze wird das Holz entgast und die erste Stufe der Kohle entsteht. Das Gas und die Kohle gelangen anschliessend in einen Schwebereaktor, wo weitere Verbrennungsluft zugeführt und der Entgasungsprozess bei einer Temperatur von etwa 850 Grad zu Ende geführt wird. Die mittlerweile recht feine Kohle «schwebt» im Gasstrom zum Filter, der sie vom Gas trennt und unter Zugabe von Wasser kühlt und in Big Bags ablagert. Das Holzgas gelangt weiter durch einen Kühler, der seine Temperatur auf etwa 100 Grad absenkt. Anschliessend strömt es durch einen mit Wasser betriebenen Wäscher und von dort mit noch etwa 20 Grad Temperatur in den Gasmotor. Dieser dröhnt in einer schalldichten Kabine und hat eine elektrische Leistung von 240 kW. Seit August läuft der Motor und hat im ersten Betriebsmonat gleichviel Strom hergestellt, wie etwa dreissig vierköpfige Schweizer Haushalte während eines ganzen Jahres verbrauchen. Für die Stromproduktion erhält Florian Gut eine kostendeckende Einspeisevergütung (KEV). Er kann dank dieser Förderung die Anlage wirtschaftlich betrieben werden. Die bei allen Schritten des Prozesses anfallende Wärme wird mittels Wärmetauscher zurückgewonnen und genutzt. Dadurch erreicht der Holzvergaser einen sehr hohen Gesamtwirkungsgrad von mehr als 90 Prozent.

Kohle, Kuh und Klima: Nun zur Kohle. Warum der ganze Aufwand zur Herstellung von Pflanzenkohle? Hier öffnet sich ein sehr breites, neues Feld. Denn Pflanzenkohle ist ein aussergewöhnlich wertvoller Stoff. Sie kann einen grossen Beitrag zur Verbesserung des Humusgehalts und der Wasserspeicherung der Böden leisten. Zudem gilt sie als Kohlenstoffsenke, weil sie sehr lange – durchaus mehrere Jahrhunderte – im Boden verbleibt. Der Landwirtschaftsbetrieb von Florian Gut beteiligt sich an einer mehrjährigen Studie der Landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Agroscope im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft. Sie bestätigt die positiven Auswirkungen von Pflanzenkohle auf den Humusgehalt (Fruchtbarkeit), den Nährstoffkreislauf (Stickstoff) die Wasserspeicherfähigkeit und Klimaverträglichkeit intensiv genutzter Landwirtschaftsböden. Pflanzenkohle wirkt wie ein Schwamm für Nährstoffe und ist Lebensraum für Mikroorganismen. Gemäss Agroscope verfügt die «Wunderwaffe Pflanzenkohle» noch über eine weitere positive Eigenschaft: «Durch die Ausbringung von Pflanzenkohle lassen sich die Lachgasemissionen (N2O) aus landwirtschaftlich genutzten Böden verringern, was auf eine veränderte Aktivität der Mikroorganismen im Boden hindeutet. Für die Treibhausgasbilanz von landwirtschaftlich genutzten Böden, ist die Reduktion der N2O-Emissionen von grosser Bedeutung, da Lachgas ein 300-fach höheres Erwärmungspotential als CO2 hat.»

Florian Gut erklärt, wie die Pflanzenkohle schliesslich in den Boden kommt. Daraus werden weitere Vorteile ersichtlich: «Pflanzenkohle als Beigabe im Futter der Kühe wirkt sich positiv auf die Verdauung und das Wohlbefinden der Tiere aus. Es stinkt weniger im Stall, da die Ammoniakausscheidungen verringert werden.» Auch das ist positiv für die Umwelt, da Ammoniak sensible Ökosysteme wie Moore und Wälder verändert. Mit der ammoniakärmeren Gülle gelangt die Pflanzenkohle schliesslich aufs Feld und entfaltet ihre positiven Wirkungen in den Böden während sehr langer Zeit. Für Florian Gut geht die Rechnung auf, da Pflanzenkohle ein begehrter und entsprechend hochpreisiger Rohstoff ist. Die Anlage in Desibach (siehe Bild oben) ist ein hervorragendes Beispiel für Ressourceneffizienz. Sie sollte viele Nachahmer finden. Besonders geeignete Standorte befinden sich überall dort, wo es möglichst ganzjährig einen hohen Wärmeleistungsbedarf von mindestens ein paar hundert Kilowatt gibt. Beispielsweise bei grossen Wärmenetzen sowie insbesondere bei industriellen Prozessen, die viel Wärme brauchen.

Quelle: Holzenergie Schweiz

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