Donnerstag, 28. März 2019

Highlights PV-Tagung

Zwei Tage geballte Informationen, die vor allem eines klar machten: Die Schweiz hat keine Stromlücke und sie braucht schon gar keine AKW - die Schweiz hat vielmehr genug Sonne, um Solarenergie zur zweiten Säule der Energieversorgung neben der bewährten Wasserkraft zu machen. Das allerdings braucht einen gegenüber jetzt verfünffachten Ausbau der Photovoltaik - wie auch das Wachküssen der Wärmekraft der Sonne.

Prof. Dr. Christophe Ballif
Directeur PV Lab EPFL et
PV Center CSEM, Neuchâtel
Es waren Dutzende von Referenten und ganz wenige Referentinnen, die an den nationalen Photovoltaik-Tagen in Bern von Dienstag und Mittwoch die Meilensteine auf dem Weg zu einer solaren Schweiz aufzeichneten - hier eine Auswahl, beginnend mit dem Abschlussredner, dem hochdekorierten Becquerel-Preisträger Christophe Ballif (siehe auch Solarmedia vom 25. Mai 2016), der am CSEM in Neuenburg Solarforschung auf Weltniveau betreibt. Er zeigte auf, dass eine radikale Solarstrategie - am Vortrag von Swissolar-Präsident und SP-Nationalrat Roger Nordmann skizziert - von den Kosten her gesehen, weit günstiger als alles andere zu haben ist. Der Zubau von 45 Gigawatt Solarleistung würde 22 Milliarden Franken erfordern, verteilt über die kommenden Jahrzehnte. Die Kostenersparnis rührt dabei vor allem von den vermiedenen Importausgaben für fossile Energien und gilt im volkswirtschaftlichen Sinne.

Prof. Dr. Michael Sterner,
Energiespeicher/Energie
systeme
Ostbayerische Technische
Hochschule Regensburg
Marko Topic, Vorsitzender European Technology & Innovation Plattform PV und Uni-Dozent aus Slowenien stimmte mit Ballif überein: Das Solarzeitalter habe eben erst begonnen. Und es geht unter anderem deshalb schwunghaft weiter, weil sich auch ergänzende Techniken etablieren, so etwa die Speicherung von Energie aus Sonne- und Windkraftanlagen in Gasform. Michael Sterner leitet eine Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher und hat die Power-to-Gas-Technologie enwickelt und konkrete Anlagen gebaut. Gibt es davon in Deutschland bereits über 50, sind es in der Schweiz erst ganz wenige (siehe Solarmedia 28. Januar 2019). Aber solche Anlagen stehen an der Schwelle der Kommerzialisierung - und gelten als vielversprechendste Speichermöglichkeit erneuerbaren Stroms auch für den Winter. 


Ein Technologiesprung ist, wie die PV-Tagung zeigte, auch im Handel und der Vermarktung von Strom zu erwarten. Dabei kommen die 3D-Systemveränderungen zum Tragen: Dekarbonisierung (als Abkehr von fossilen Energieträgern), Dezentralisierung (der Erzeugung von Energie) und Digitalisierung. Letztere bezieht ihren Schub unter anderem von der Blockchain-Technologie, der Robert Bühler das Potenzial zuspricht, gleich den ganzen Energiehandel zu übernehmen, also ähnlich wie im Finanzsektor die bisherigen Drehscheiben (die Banken) auszuschalten. Bühler half das Startup-Unternehmen Agile Wind Power aufzubauen und ist heute CEO der Peer-Energy AG, welche nichts weniger als den weltweiten Energiemarkt zu revolutionieren gedenkt.

Fast schon naturgemäss ist da Michael Frank, Direktor des
VSE-Direktor Michael Frank
Verbands  Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE)
zurückhaltender. Er plädierte - im Gegensatz zu nicht wenigen Tagungsteilnehmern - für eine vollständige Marktöffnung, die gerade auch den Erneuerbaren zugute kommen soll und parallel dazu für genügend Investitionsanreize für die Erstellung neuer Anlagen. Immerhin bemerkenswert, wie der VSE unterdessen die Energiestrategie mitträgt und damit den Erneuerbaren Energien eine bedeutsame Rolle in der künftigen Versorgung zuspricht. Von wegen Versorgungssicherheit: Vertreter des Bundes machten erneut klar, dass eine Strommangellage oder Blackouts (von gewissen Kreisen wieder heftigst beschworen) weit und breit nicht in Sicht seien. 


Designerin Maria Mazzo
Die Energiestrategie bezieht sich längst nicht nur auf die Stromversorgung! Nullenergiegebäude sollten vielmehr Pflicht sein, so Stefano de Angelis und Maria Mazzo (Bild rechts) von jenem Architektenteam, das im Tessin  entsprechend bemerkenswerte Gebäude errichtet hat. Solche Gebäude verfügen in der Regel nicht nur über Photovoltaik- oder Solarwärme-Anlagen auf den Dächern und eine ausgeklügelte Haustechnik - vielmehr erfolgt die Energiegewinnung auch über die Fassaden, was völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Built-In-Photo-Voltaik (BIPV) ist denn auch Technologie, die CH-Produzenten selbst im Bereich der Modulfertigung wieder auf die Sprünge helfen soll. 

Christoph Neuhaus: seit '18
Bau-, Verkehrs-
und Energiedirektor BE
Wenn am Anfang dieses Berichts der 17. Nationalen PV-Tagung der Schlussreferent erwähnt wurde, so sei es am Ende nun umgekehrt. Einleitend hatte der Berner SVP-Regierungsrat Christoph Neuhaus die Ablehnung des Berner Energiegesetzes ausdrücklich bedauert und daran erinnert, dass es in der SVP bezüglich Energie- und Klimafragen auch andere Stimmen gibt. «Jeder in Erneuerbare investierte Franken ist ein gut investierter Franken in die Zukunft», so Neuhaus - allerdings mochten insbesondere Berner Tagungsteilnehmer ihrem Regierungsrat diese Aussage nicht  ganz abnehmen, hatte er doch die Vorlage nicht mit der gleichen Vehemenz im Abstimmungskampf unterstützt.

Mehr Informationen:
> Die Photovoltaiktagung auf Twitter

© Text: GuntramRehsche / Solarmedia

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