Samstag, 21. November 2009

Sonne ist Energiezukunft

Die Sonne ist eine praktisch unbegrenzt zur Verfügung stehende Energiequelle und deshalb die Stromquelle der Zukunft.

Davon ist auf jeden Fall Professor Eicke Weber überzeugt. Der international renommierte Physiker und Materialforscher leitet das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg, Europas größtes Solarforschungsinstitut. Im ausschnittweise wieder gegebenen Interview mit «onside», dem Medium der norddeutschen Innovationsstiftung Schleswig-Holstein, lobt er das deutsche Einspeisegesetz, erläutert unterschiedliche Ansätze in der Photovoltaik und erklärt, was ein Landkreis in Bayern dem Rest von Deutschland voraus hat.

«onside»: Was hindert uns daran, die Sonne stärker als bisher für die Gewinnung von Strom zu nutzen?

Eicke Weber: Das Hauptproblem sind Kosten. Die Kosten von Solarstrom sind im Moment noch höher als die Kosten von fossil erzeugtem Strom oder von Kernenergie. Aber die Photovoltaik ist im Prinzip eine Halbleitertechnologie, und diese folgt seit 40 Jahren einem vom Intel-Gründer Gordon Moore 1965 vorgeschlagenem Gesetz, wonach sich alle zwei Jahre die Performance eines integrierten Schaltkreises verdoppelt. Im Photovoltaik-Bereich beobachten wir eine 20-prozentige Kostensenkung bei Verdoppelung der global installierten Leistung. Je stärker wir also die Photovoltaiktechnologie entwickeln, umso preiswerter wird der Solarstrom. Wenn wir Solarenergie zu geringeren Preisen herstellen können als fossile Energie oder Kernenergie, wird es kein Halten mehr geben.

Wann wird es soweit sein?

Die erste Preisparität, die Parität der Kosten des Solarstroms mit dem von Haushaltsstrom in Deutschland, wird schon bald erreicht sein, 2013 oder 2014. Die Versorger argumentieren allerdings, im Haushaltsstrompreis steckten die Profite, Steuern und weitere Faktoren mit drin. Was zähle, sei der Gestehungspreis. Auf Dauer wird photovoltaisch erzeugter Strom auch günstiger als die Gestehungskosten des konventionellen Stroms produziert werden. Es wird nur länger dauern.

Welchen Anteil am Solarboom hat das Erneuerbare Energien Gesetz EEG?

Ich habe lange in Kalifornien gelebt. Dort hat man schon seit vielen Jahren versucht, Solarenergie zu fördern. Ohne großen Erfolg. Die Gesamtmenge Photovoltaik, die in den USA jährlich installiert wird, ist kaum mehr als ein Zehntel der in Deutschland installierten Menge. Das liegt daran, dass man es in den USA mit direkten Subventionen versucht hat. Damit erreicht man lediglich jene Menschen, die etwa aus ökologischen Gründen ohnehin über eine Solaranlage nachgedacht haben. In Deutschland ist man einen anderen Weg gegangen. Wenn hier jemand Solarstrom herstellt, dann verlangen wir von den Versorgern, dass sie diesen Solarstrom zu einem Preis kaufen, der eine lohnende Investition garantiert. So kann derjenige, der Geld in eine Solaranlage investiert, mit einer festen Rendite pro Jahr kalkulieren. Dieses Konzept richtet sich also an alle, die rechnen können. Es ist viel durchschlagkräftiger, weil man an die persönlichen Interessen der Investoren appelliert und nicht nur an den guten Willen.

Die deutschen Hersteller werden dafür kritisiert, dass sie die Preise künstlich hoch halten, da sich selbst die Installation teurer Solaranlagen aufgrund der Einspeisevergütung lohnt. Wird das EEG vom Segen zum Fluch?

Ich bin dafür, dass die Solarenergie so schnell wie möglich so preiswert wie möglich wird. Das Interessante am EEG ist gerade, dass es den Wettbewerb unter den Herstellern fördert. Durch den Kauf des preisgünstigsten Moduls hat man den besten Profit. Aber nur, solange es nicht nach fünf Jahren schlapp macht.

Ändert die schnellere Reduzierung der Einspeisevergütung etwas an dem Anreiz?

Die Tatsache, dass wir im Frühjahr 2009 die Novellierung des EEGs hatten und die Degressionsrate von fünf Prozent auf acht Prozent und im nächsten Jahr neun Prozent steigt, ist unproblematisch. Wir hatten aufgrund der Wirtschaftskrise einen großen Preisverfall bei Solarmodulen, die in diesem Jahr etwa um 30 Prozent billiger wurden. Würde man aber die Degression auf 20 oder 30 Prozent setzen, würden nur noch Billigstmodule aus fragwürdigen fernöstlichen Quellen gekauft.

Was spricht denn für die eine oder die andere Technologie?

Die Kosten der Dünnschichtphotovoltaik-Module sollen bald weniger als ein Euro pro Watt sein, während die Kosten der Silizium-Photovoltaik irgendwo bei 1,5 Euro pro Watt für die Zelle und entsprechend mehr für das Modul liegen. Man muss bei der Silizium-Photovoltaik mehr pro Watt bezahlen, kann aber aus einem Modul 180 bis 220 Watt Leistung herausholen, während man aus einem Dünnschicht-Modul nur zwischen 80 Watt und 120 Watt Leistung bekommt. Insofern ist das eine Segmentierung des Marktes.

Welche weiteren Entwicklungen gibt es?

Neben Dünnschicht und Silizium gibt es ein weiteres Segment, das sind die hocheffizienten Solarzellen. Bei uns am ISE konnten wir im Januar einen Weltrekord aufstellen, wir haben eine Solarzelle mit einer 41,1prozentigen Effizienz entwickelt. Hocheffiziente Solarzellen werden in so genannten Konzentratorsystemen in Ländern mit viel direktem Sonnenlicht eingesetzt, also weniger in Deutschland.

Welche Effizienzsprünge sind bei Solarzellen noch zu erwarten?

Entscheidend ist, die Kosten pro Kilowattstunde zu reduzieren, bei gleichzeitig guter Effizienz. Eine spannende Entwicklung ist das so genannte schmutzige Silizium. Von dem höchstreinen Material der Halbleiterindustrie kommen wir damit zu Siliziummaterial, das um den Faktor 1000 höhere Verunreinigungskonzentrationen haben darf. Das kann potenziell die Kosten von Solarzellen bedeutend senken. Natürlich gibt es sowohl in der Silizium- als auch in der Hocheffizienztechnologie das Ziel, höhere Effizienzen bei konstanten oder sogar sinkenden Kosten zu erreichen. Daran forschen wir am ISE.

Wie viel kann man mit schmutzigem Silizium sparen?

In der Natur, im Sand oder Quarz, liegt Silizium nicht rein vor, sondern als Siliziumdioxyd. Ausgangsmaterial für die Gewinnung von höchstreinem Silizium ist das so genannte metallurgische Silizium. Davon werden weltweit jährlich etwa eineinhalb Millionen Tonnen hergestellt. Für die Bedürfnisse der Halbleiterindustrie wird das metallurgische Silizium sehr aufwändig in eine Gasform übersetzt und in großen raffinerieartigen Türmen zu ultrareinem Silizium aufbereitet. Weltweit gewinnt man davon im Jahr etwa 60.000 bis 70.000 Tonnen. Die eine Hälfte wird in der Halbleiterindustrie verwendet, die andere Hälfte in der Solarindustrie. Für Solarzellen ist die höchstreine Qualität aber nicht zwingend notwendig. Es reicht, nur die Verunreinigungen zu entfernen, die man sich absolut nicht leisten kann. Das sind die Elemente Bohr und Phosphor, denn diese beeinflussen die elektrischen Eigenschaften. Alles andere kann man in bedeutend höheren Konzentrationen zulassen. Schmutziges Silizium nennt man auch UMG, upgraded metallurgical silicon. Die Herstellung dieses Materials kostet nur etwa ein Drittel soviel wie das Halbleitersilizium. Und die Investitionskosten für eine Fertigungsanlage sind auch fast um den Faktor zehn geringer. Wenn wir wesentliche Teile der Weltenergieerzeugung aus Photovoltaik beschaffen wollen, ist das ein ganz wichtiger Unterschied.

Das Wüstenstromprojekt Desertec hat die Vision geweckt, dass Sonnenstrom von überall auf der Welt dorthin transportiert werden kann, wo er gebraucht wird. Ist eine solche Vision umsetzbar?

Das Entscheidende bei Desertec ist die Möglichkeit, Strom in großen Mengen über weite Distanzen zu übertragen. Eine normale Hochspannungsleitung verliert auf tausend Kilometer etwa 30 Prozent der Leistung. Das liegt daran, dass der Strom 50 mal in der Sekunde umgepolt wird. Das kostet natürlich Energie, daher der Verlust. Mit der so genannten Hochspannungsgleichstromübertragung reduziert man den Verlust um einen Faktor zehn, indem man den Strom in einer Richtung fließen lässt. Eine solche Leitung verliert nur drei Prozent der Energie auf tausend Kilometer und 30 Prozent auf zehntausend Kilometer. Die Sonne scheint immer an irgendeiner Stelle der Erde, und wenn es uns als Perspektive Richtung 2100 gelingt, ein weltumspannendes Stromnetz zu haben, dann hätten wir eine sichere Energieversorgung zu jeder Tageszeit.

Wie sieht unser Energiemix in 15 Jahren aus?

Schauen Sie auf den Landkreis Fürstenfeldbruck! Weltweit erzeugen wir weniger als 0,1 Prozent des Stroms mit Photovoltaik. In Deutschland liegt der Prozentsatz bei etwa 0,7 bis 0,8 Prozent, in Bayern haben wir schon über zwei Prozent. Und im Kreis Fürstenfeldbruck werden heute bereits zehn Prozent des Stroms mit Photovoltaik erzeugt. Daran sieht man, dass es funktioniert, dass wir die mit Photovoltaik erzeugte Strommenge noch ganz leicht verzehnfachen können. Wenn wir weiter denken, dann sehen ja sogar die Szenarien der Bundesregierung vor, dass Solarenergie in 30 bis 40 Jahren 40 Prozent und mehr der Gesamtenergieproduktion deckt.

Ausführliches Interview beim Innovationsportal Schleswig-Holstein innovativ «onside»

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