Obwohl die UNO ihr Milleniumsziel für einen
verbesserten Zugang Trinkwasser erreicht hat, existiert vielerorts auf
der Welt Handlungsbedarf – insbesondere was die Qualität betrifft. Hier
setzt eine junge Westschweizer Firma an: Sie will den Menschen in
Entwicklungsländern mit einer dezentralen Aufbereitungsanlage sauberes
Trinkwasser zu günstigen Preisen zugänglich machen und gleichzeitig
Arbeitsplätze vor Ort schaffen. Das ganze funktioniert energiesparsam und mit Solarstrom - und bietet Investitionsmöglichkeiten.
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© Swiss Fresh Water |Ein Wasserkiosk
in der Stadt Fatick im Siné Saloum Delta. |
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Entweder Salz- und fluorhaltiges Wasser aus Brackwasserbohrungen trinken
oder sauberes Wasser aus dem Beutel kaufen – ausserhalb der Regenzeit
hat die Bevölkerung im Sine Saloum Delta in Senegal keine andere Wahl.
Wer sich das teure Beutelwasser – es kostet 20 bis 50 Euro-Cent pro
Liter – nicht leisten kann, hat mit schweren Gesundheitsproblemen wie
Hypertonie und Fluorose zu kämpfen. Seit Kurzem haben rund 150‘000
Menschen eine Alternative: Sie können in lokalen Wasserkiosks für 1.5
Euro-Cent pro Liter sauberes Trinkwasser kaufen. Möglich machen dies 70
dezentrale Trinkwasseraufbereitungsanlagen der Schweizer Firma Swiss
Fresh Water.
Begonnen hat die Erfolgsgeschichte vor über zehn
Jahren, als Renaud de Watteville, Gründer von Swiss Fresh Water (SFW),
auf Madagaskar beobachtete, wie die Menschen salzhaltiges, verschmutztes
Wasser tranken. Von da an setzte sich in seinem Kopf eine Überzeugung
fest: „Es muss doch eine Möglichkeit geben, Wasser einfach und
kostengünstig zu entsalzen und von Keimen zu befreien.“ Nachdem der
Manager von weltweiten Grossevents kurze Zeit später einen Erfinder mit
einer ähnlichen Idee traf, setzte er seine Vision in die Tat um. Der
Nicht-Ingenieur, der immer eine Affinität zu Technik hatte, begann zu
recherchieren. „Die meisten Ideen scheiterten am Unterhalt der Geräte“,
nennt de Watteville eine wichtige Erkenntnis. Er setzte sich deshalb zum
Ziel, ein robustes, kostengünstiges Gerät zu entwickeln, das dezentral
überwacht und vor Ort einfach gewartet werden kann. In seiner Garage
experimentierte er mit bestehenden Technologien und baute erste
Prototypen, unterstützt von einem Freund und Designer. 2008 zog er sich
aus seiner Event-Agentur zurück und setzte alles auf eine Karte. Seither
hat er die Idee zusammen mit seinem inzwischen 6-köpfigen Team zum
marktreifen Produkt entwickelt.
Die ursprüngliche Idee, Meerwasser zu entsalzen, hat
de Watteville in der Zwischenzeit fallen gelassen. „Wo Siedlungen und
Dörfer sind, sind immer andere Wasserquellen vorhanden“, sagt er.
Deshalb fokussiert er heute auf die Aufbereitung von Brackwasser und
Wasser aus Bohrungen, Teichen oder Oberflächengewässern. Die kompakte
Anlage, die nur 136 x 48 x 48 cm misst und 90 kg schwer ist, verfügt
über zwei Reinigungsstufen: Mit Ultrafiltration werden Schmutz und Keime
entfernt, mit der anschliessenden Umkehrosmose werden Salz, Arsen,
Fluor oder Metalle abgetrennt. Die Maschine produziert bis zu 170 Liter
Trinkwasser pro Stunde und benötigt dafür 0,3 bis 0,5 kWh Energie die
aus Photovoltaikmodulen stammt oder vom lokalen Netz bezogen wird.
Für den Unterhalt in Senegal sorgt ein lokales
Unterhaltszentrum (SENOP SA), das heute sechs Personen beschäftigt. Die
Anlagen werden mit einem Fernwartungssystem via Internet überwacht. So
können die Techniker vor Ort schnell einschreiten und Swiss Fresh Water
kann sie wenn nötig von der Schweiz aus unterstützen. „In diesen Ländern
ist zwar nicht überall sauberes Trinkwasser vorhanden, aber
Handy-Empfang gibt es praktisch in jedem Winkel“, so de Watteville. Gut
gewartet, erreicht die Maschine eine Lebensdauer von 10 bis 20 Jahren.
Im Sine-Saloum-Delta in Senegal installierte SFW von
2012 bis 2013 die ersten zwölf Maschinen im Rahmen eines Pilotprojekts,
das von REPIC unterstützt wurde. Die interdepartementale Plattform des
Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), der Direktion für Entwicklung
und Zusammenarbeit (DEZA) sowie des Bundesamts für Energie (BFE) fördert
erneuerbare Energien und Energieeffizienz in der internationalen
Zusammenarbeit. Im Rahmen des Pilotprojekts sollte nicht nur die
technische Machbarkeit, sondern insbesondere das Geschäftsmodell
überprüft und weiterentwickelt werden.
Für Vertrieb und Abrechnung ist die von SFW
gegründete Stiftung „Access to Water“ verantwortlich. Sie stellt
Gemeinden oder Privaten, die einen Wasserkiosk aufbauen wollen, die
Maschinen gegen eine Nutzungsgebühr zur Verfügung. Damit bleibt die
Anlage im Besitz der Stiftung und kann dem Betreiber entzogen werden,
sollte er zum Beispiel zu hohe Preise verlangen oder seiner hygienischen
Verantwortung nicht nachkommen. Die Betreiber sorgen für den täglichen
Unterhalt der Maschinen und verkaufen das Trinkwasser zu einem festen
Preis an die Bevölkerung. Dieser wurde in Senegal zusammen mit den
regionalen und lokalen Behörden festgelegt und beträgt 1.5 Euro-Cent pro
Liter – also rund 20-mal weniger als Trinkwasser aus dem Beutel.
Die Nutzungsgebühr für die Maschinen beträgt 0.7
Euro-Cent pro Liter Wasser. Darin enthalten sind nicht die Amortisation
der Anlage und der Unterhalt, sondern auch ein Solidaritätsbeitrag für
den Unterhalt der Maschinen in kleineren Dörfern sowie ein
Risikobeitrag, damit das Trinkwasser zum Beispiel im Fall einer Epidemie
kostenlos an die Bevölkerung abgegeben werden kann.
0.8 Euro-Cent pro Liter bleiben als Marge für
die Kioskbetreiber, um Löhne und Aufwendungen zu bezahlen. Über 200
Personen haben in den Wasserkiosks eine Arbeit gefunden und können ihren
Lebensunterhalt bestreiten. „Einer unserer ersten Kioskbetreiber hat
inzwischen drei Maschinen aufgestellt“, freut sich Renaud de Watteville
über die Eigendynamik des Projekts. Zudem entwickelten sich die
Wasserkiosks zu richtigen Dorfzentren. „In einem Dorf sind um den Kiosk
mehrere andere Geschäfte entstanden.“
In grösseren Dörfern, die mehr als 1500 Liter
Wasser täglich benötigen, kann die Trinkwasseraufbereitung rentabel
betrieben werden und die Maschine lässt sich innerhalb von ca. vier
Jahren amortisieren. Nach dieser Zeit fallen nur noch die
Unterhaltskosten an und die Stiftung Access to Water investiert die
Gewinne wieder in die Finanzierung neuer Maschinen. Nur in kleineren
Dörfern muss die Anschaffung der Anlagen subventioniert werden, der
Unterhalt hingegen wird über den Solidaritätsbeitrag bestritten.
Swiss Fresh Water kann die
Wasseraufbereitungsanlagen, die von Behindertenwerkstatt in Fribourg
zusammengebaut werden, bereits kostendeckend produzieren. „Ab einer
jährlich verkauften Stückzahl von 140 Geräten ist der Break-even
erreicht“, rechnet de Watteville. „Wir haben Anfragen aus der ganzen
Welt“, sagt er stolz. 30 weitere Anlagen gehen demnächst in Senegal in
Betrieb und ein Pilotprojekt in Kolumbien wurde kürzlich gestartet. Hier
sollen die Anlagen Quecksilber aus dem Wasser filtern, das beim
Goldschürfen in die Gewässer gelangt und die Trinkwasserressourcen
beeinträchtigt.
Gleichzeitig entwickelt das Unternehmen das
Gerät laufend weiter, insbesondere um die Kosten zu senken. „Wir suchen
eine Lösung, damit wir Verschleissteile bei den Pumpen nicht ersetzen,
sondern vor Ort reparieren können“, so de Watteville. Zudem arbeitet
seit September eine Eawag-Doktorandin daran, wie die Wasserqualität aus
den Maschinen kontinuierlich überwacht werden könnte. Weitere
Entwicklungsschritte sind in Planung. Aber dazu will Renaud de
Watteville noch nichts verraten.
Informationen
Geldanlage mit Wirkung
Die
Wasseraufbereitungsanlagen von Swiss Fresh Water sind ab einem
täglichen Trinkwasserverkauf von 1500 Litern innerhalb von rund vier
Jahren amortisiert. Während dieser Zeit müssen sie vorfinanziert werden.
Dazu wurde die Swiss Water Impact SA gegründet. Sie bietet Investoren
die Möglichkeit, Geld anzulegen und dabei „Gutes“ zu bewirken. Der
Geldgeber leiht der Swiss Water Impact SA mindestens 30‘000 Franken, die
mit 6 Prozent verzinst und über vier Jahre zurückbezahlt werden. Damit
können zwei Anlagen inklusive Photovoltaikmodulen vorfinanziert und
mindestens 4000 Personen mit sauberem Trinkwasser versorgt werden.
Quelle Irene Bättig, im Autrag von Repic 2016 |
Erstveröffentlichung GetArticle 2016
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