Die 14. Nationale Photovoltaik-Tagung stand zu Beginn dieser
Woche im Banne eines sich rasant entwickelnden Marktes. Allerdings: Produktion
und Verbrauch von Solarstrom stehen in der Schweiz derzeit wieder einmal im
Gegenwind – die Energiestrategie 2050, die die Photovoltaik als Pfeiler der
hiesigen Energiepolitik etablieren soll, ist noch nicht in trockenen Tüchern.
Und nicht zuletzt die etablierten Stromunternehmen zeigen sich aus Sicht des
Fachverbandes Swissolar häufig als Bremser des Ausbaus der Solarenergie.
Weiterhin belegen schweizweit rund 35'700 Gesuche für die
Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) das ungebrochene Interesse,
Photovoltaik-(PV)-Anlagen aller Grössen zu errichten. Kleinere Anlagen mit
einer Leistung unter zehn respektive 30 Kilowatt profitieren unterdessen von
der schneller verfügbaren einmaligen Bezuschussung. So konnten im Jahr 2015
wieder annähernd gleich viele Kapazitäten für die Solarstromerzeugung wie im
Vorjahr zugebaut werden (280 bis 300 Megawatt Leistung). Es wäre viel
mehr möglich – und es wäre auch mindestens das Doppelte an jährlichen Zubau
nötig, um gegen Ende des kommenden Jahrzehnts einen Grossteil des dannzumal
gemäss Energiestrategie wegfallenden Atomstroms durch solaren zu ersetzen.
Unterdessen macht nicht nur der ungenügende Zubau der
Solarbranche Kopfzerbrechen. Wie die nationale Tagung in Bern aufzeigte, sind
es vielfältige administrative Hindernisse und willkürliche Einschränkungen
einzelner Elektrizitätsversorger, die das Wachstum behindern. Zuvorderst steht
die Sorge um den angemessenen Rücklieferpreis, auf dessen sinkende Tendenz eine
neue Studie aufmerksam macht. Hinzu kommt die eklatante Spanne, in der sich der
Rücklieferpreis bewegt – je nach Versorger zwischen vier und 20 Rappen je
Kilowattstunde Strom. Stossend, dass manche der Preisdrücker den Strom dann mit einer massiven Marge von bis zu 100 Prozent weiter
verkaufen.
Vergällt wird den Erzeugern von Solarstrom ihr Geschäft
zudem durch die Aussicht, dass sie neu für die Netzkosten zur Kasse gebeten werden
sollen. Alt-Nationalrat Rudolf Rechsteiner aus Basel warnte an der PV-Tagung
davor, eine entsprechende Gesetzesänderung könnte der Solarbranche endgültig den
Garaus machen. Von Entsolidarisierung könne keine Rede sein, wenn die
Solarproduzenten – deren zusätzliche Herstellung erneuerbarer Energie ja
politisch erwünscht sei – von dieser Abgabe befreit bleiben. Zumal die
Beanspruchung des Netzes durch den Solarstrom bei den aktuellen
Produktionszahlen als vernachlässigbar erscheint. Gegenteiliger Ansicht sind
die im VSE zusammengeschlossenen Elektrizitätswerke, die die Gesetzesänderung
angestossen haben und nur so glauben, die Finanzierbarkeit des Stromnetzes
sicherstellen zu können.
Während für die Schweiz der erwünschte Solarausbau auf rund einen Viertel der
gesamten Stromproduktion derzeit also auf wackeligen Füssen steht – und
finanziell stark von der Erhöhung des Strompreiszuschlags von 1,5 auf 2,3
Rappen je Kilowattstunde abhängt – geht es in einer weltweiten Perspektive
munter voran. Der Präsident von Photovoltaic Austria, dem Pendant von
Swissolar, sprach an der Tagung gar von einer kopernikanischen Energiewende,
die so ziemlich alles auf den Kopf stellt, was bislang in der Energiewelt
Gültigkeit hatte. Und wenn bislang von
einem Kampf der Erneuerbaren als David gegen Goliath die Rede war, stelle sich
unterdessen die Frage, wer denn hier David und wer Goliath sei.
Auch Swissolar-Präsident und SP-Nationalrat Roger Nordmann
hielt fest, die Energiewende sei unumkehrbar angestossen. Er erinnerte an deren
Hintergrund, der in den kommenden Wochen mit traurigen Jubiläen
fürAufmerksamkeit sorgen wird. Denn es stehen der fünfte Jahrestag des
japanischen AKW-Desasters in Fukushima und der 30. der grössten aller
Atomkatastrophen in Tschernobyl an. Um die hiesige Energiewende nicht zu
gefährden, brachte der Lausanner einen Rückzug der Atomausstiegs-Initiative ins
Spiel – zumal sich die Atomenergie allein schon aus ökonomischen Überlegungen
von selbst erledige.
Seit den Fanalen der Energienutzung in Japan und der
Sowjetunion hat sich vieles getan in Bezug auf die Erneuerbaren. Aber es ist
noch viel mehr möglich. Christian Breyer, Dozent an der finnischen Lappeenranta
Universität, modelliert ein weltumspannendes Energieversorgungssystem, das
vollständig auf Erneuerbare abstellt. Sein erstaunliches Fazit – ein solches
ist zu vertretbaren Kosten zu realisieren.
Die Kosten sind auch für Volkswirtschaftprofessor Beat
Hotz-Hart Dreh- und Angelpunkt der Beurteilung auch der Erneuerbaren im
allgemeinen und der Photovoltaik im besonderen. Vor den rund 550
Kongress-TeilnehmerInnen widersprach er jenen VWL-Professoren, die Kosten von
weit über 100 Milliarden Franken für die Energiewende veranschlagen. Diese
vergessen, dass auch ein Weiter-wie-bisher in der Energiepolitik nicht zum
Nulltarif zu haben ist. In einer volkswirtschaftlichen Beurteilung der
Energiewende hätten nur die Differenzkosten zu diesem Weiter-wie-bisher
Bedeutung. Diese betragen gemäss Hotz-Hart rund 40 Milliarden Franken, verteilt
über 25 Jahre. Fazit: Die Energiewende kostet etwa gleich viel
das Neat-Eisenbahnprojekt – und sei praktisch ohne Wachstumseinbusse zu
stemmen.
Dass das wiederum nicht rein professorale Theorie ist,
belegten die vielen Praxisbeispiele, die an den Solartagen trotz winterlichem
Wetter in der Bundeshauptstadt allen Sorgen zum Trotz auch für zuversichtliche
Stimmung sorgten. So beanspruchen viele Solarprojekte gar keine staatliche
Förderung. Die Genossenschaft Migros-Aare etwa hat eine ganze Anzahl von
Anlagen für den Eigenverbrauch erstellt und investiert so insgesamt rund 20
Millionen Franken – ohne jegliche staatliche Unterstützung. Grosse
Mietwohnungs-Siedlungen im baslerischen Frenkendorf oder im nördlichen Zürich
versorgen die Bewohner direkt mit Solarstrom. Und sie können gemäss den
Projektvertretern auf gute Partnerschaft mit den jeweiligen Elektrizitätswerken
aufbauen.
Ein Blick auf die schweizerische Solarforschung und -entwicklung
rundete den zweitägigen Anlass ab. Was sich im Vorjahr angekündigt hatte, scheint
für die gebäude-integrierte Photovoltaik auf gutem Weg. Unterdessen sind viele
Produkte für die fassadenintegrierte (Built-In) Photovoltaik verfügbar, auch in
zahlreichen farblichen Abstufungen. Anwendung haben sie noch immer erst in
einzelnen Fällen gefunden – nächstes grösseres Projekt ist der neue
Verwaltungsbau des Bauzulieferers Sika in Zürich-West. Das Start-up-Unternehmen
Flisom will mit seinen im Druck-Roll-Verfahren hergestellten PV-Elementen 2017
in Produktion gehen. Und die Forschung ist an verschiedenen Instituten wie der
Empa in Dübendorf und dem Csem in Neuenburg daran, mit wegweisenden Projekten ihren
international bedeutsamen Ruf abzusichern.
Als Fazit der diesjährigen nationalen Photovoltaiktagung
kann denn gelten: Passiert die Energiestrategie des Bundes weit gehend
unbeschadet National- und Ständerat und verfolgen die Kantone die Empfehlungen
zur Umsetzung im kantonalen Bau- und Energierecht (die so genannten MuKEn)
konsequent, könnte die Photovoltaik schon fast zum Selbstläufer werden.
Der Blog Solarmedia widmet sich der Solarenergie und der neuen solaren Weltwirtschaft ... gehört zu «Media for Sustainability» des Ökonomen und Journalisten Guntram Rehsche (siehe auch http://guntram-rehsche.blogspot.ch) ... Beiträge zeitlich geordnet, Stichwort- / Labelsuche in linker Spalte ...
Seiten
- Startseite
- Archiv ENERGIE
- Archiv NACHHALTIGKEIT
- Archiv FINANZANLAGE und VORSORGE
- Links SOLAR-/ Energie
- Links NACHHALTIGKEIT
- FACTS & FIGURES
- Buch Recycling Schweiz
- Top-SOLARFOTOS
- PV in der SCHWEIZ
- GROSSANLAGEN WELT
- Spezielle PV-Anlagen
- Atomkraft NEIN DANKE! (SOLAR JA BITTE!)
- World Solar OUTLOOK
- Gemeinwohlökonomie
- N-TIPPS
- QUIZ, Bücher & WITZ
- VIDEO
- ÜBER
- Buch SONNENWENDE
- Bitte....
- Statistiken und Skandale
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen