Mittwoch, 6. Juli 2022

Atom und Gas - grüne Energie - Ernst jetzt?

Man könnte ja gelassen bleiben angesichts der heutigen Entscheidung der EU, den fossil-nuklearen Atomträgern Gas und Atom ein grünes Mäntelchen umzuhängen. Denn nach wie vor gilt, die Atomtechnologie ist zu teuer, zu gefährlich, kommt zu spät und aufs ganze gesehen (Gesamtenergieanteil weltweit nur zwei bis drei Prozent) auch zu unbedeutend, als dass man nun den grossen Ausbau erwarten müsste. Aber es gilt eben auch: In unsicheren Zeiten wie diesen sind wir nicht gefeit vor gigantischen Fehlentscheiden. Zum EU-Beschluss die folgenden Anmerkungen.

Die Schweizerische Energie Stiftung SES hat in einer Medienmitteilung bereits Stellung bezogen. Darin heisst es unter anderem: Die aktuelle Energiekrise in Europa hat zwei wesentliche Ursachen: Ausbleibende Gaslieferungen aus Russland und ungeplante AKW-Ausfälle in Frankreich. Das EU-Parlament hat heute trotzdem entschieden, genau diese beiden Stromerzeugungstechnologien auf die Liste nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten zu setzen – gegen die Empfehlung seiner parlamentarischen Komitees für Wirtschaft und Umwelt und in Widerspruch zu Expert:innen-Gutachten. 

Die energiepolitischen Folgen dieser Entscheidung sind noch nicht abzusehen. Sicher ist, dass die gegenwärtige Krise der Atomstrom- und Gasversorgung nicht mit weiteren Investitionen in die brennstoffgetriebene Energieversorgung überwunden werden kann. Fabian Lüscher, Leiter des Fachbereichs Atomenergie bei der SES stellt fest: «Atomkraftwerke und Gaskraftwerke stellen die grössten Klumpenrisiken der europäischen Stromversorgung dar.» Es gilt sowohl für die EU als auch die Schweiz, Abhängigkeiten rasch zu reduzieren. Zentral ist dabei der Ausbau der dezentralen, intelligenten und erneuerbaren Stromproduktion. Gas- und Atomstrom sind die Ursache und nicht die Lösung der Energiekrise. Dieser Krise kann mit gezielten Massnahmen im Bereich erneuerbarer Energien begegnet werden. Eine Entwertung der europäischen Nachhaltigkeitstaxonomie durch die Inklusion von Gas- und Atomkraftwerken ist hingegen kontraproduktiv. 

Weiterhin gilt auch, was der deutsche Arm von Greenpeace schon zu Jahresbeginn schrieb

  1. Im Kampf gegen die Klimakrise spielen Atomkraftwerke keine Rolle
    Keine Energie ist gefährlicher und teurer als Atomenergie. Ihr Beitrag zur weltweiten Energiegewinnung ist mit zwei bis drei Prozent äußerst gering und könnte kurzfristig bis 2035 auch nicht mehr relevant erhöht werden. Selbst in Ländern wie den USA und Frankreich, die stark auf Atomenergie setzen, ist Atomenergie ein Auslaufmodell: Die Anlagen überschreiten ihre geplante Laufzeit, und es gibt kaum Neubauten.

  2. Atomkraft ist alles andere als eine zuverlässige Energiequelle
    Schon vor Jahren abgeschaltete Kraftwerke wie Brunsbüttel und Krümmel waren über lange Zeit nicht am Netz, weil es Brände oder andere Pannen gab. Frankreich musste in der Vergangenheit Energie aus Deutschland beziehen, weil viele seiner Atomkraftwerke keinen Strom lieferten, auch ganz aktuell kämpft das Nachbarland mit etlichen Ausfällen. Die vermeintlichen Stromlücken bei Erneuerbaren Energien sind dagegen ein Mythos: Man darf bei der regenerativen Energie nicht in einzelnen Kraftwerken denken. Es geht vielmehr um ein dezentrales, gut ausgebautes Netz mit präzisen Windprognosen und bestmöglichen Berechnungen über den Energieertrag. Um das zu schaffen, muss allerdings die Energiewende vorangetrieben werden; sie ist alternativlos, damit wir die deutschen und europäischen Klimaziele erreichen: Jeder Euro, der jetzt in Atomkraft fließt, fehlt.

  3. Neue Technologien machen Atomkraft weder sauberer noch sicherer
    Kleinere Atomreaktoren, sogenannte “small module reactors” (SMR) werden manchmal als Fortschritt in der Atomtechnologie verkauft, da sie angeblich geringere Risiken bergen. Will man jedoch die gleiche Menge Energie erzeugen, summieren sich – durch die wesentliche größere Anzahl von Kraftwerken – auch die Gefahren. Bei einer Kernspaltung entsteht unabhängig vom Reaktorkonzept Strahlung und radioaktiver Abfall, das lässt sich auch mit kleineren Reaktoren nicht wegdiskutieren. Also ist auch diese Form der Energieerzeugung zu gefährlich; wirtschaftlich ist es weit günstiger auf Erneuerbare zu setzen.


  4. Die Frage nach sicheren Endlagern ist nicht gelöst
    Auch nach siebzig Jahren zivil genutzter Atomkraft weiß niemand, was mit dem strahlenden Müll letztlich passieren soll. Brennstäbe, die mehr als eine Million Jahre für Menschen und Tiere gesundheitsgefährdend bleiben, müssten hunderte von Metern unter der Erde lagern, aber bislang gibt es kein einziges fertiges Endlager weltweit!

  5. Das Risiko ist zu groß
    Man mag es angesichts der Zerstörung kaum glauben, aber Tschernobyl und Fukushima waren keineswegs die schlimmsten Atomkatastrophen, die denkbar sind. Trotzdem sind dabei Gebiete über Generationen unbewohnbar geworden. Zudem wird die Gefahr eines gezielten terroristischen Angriffs auf Atomanlagen unterschätzt. Gerade die überalterten europäischen AKW entsprechen vielerorts nicht mehr höchsten Sicherheitsstandards.

     

    Zusammenstellung: © Solarmedia Guntram Rehsche

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