Eine der grossen Fragen der schweizerischen Energie-Politik lautet: Welche Rolle soll Wasserstoff (H2) künftig spielen? Und ja, es gibt sie bereits schon, konkrete H2-Projekte hierzulande. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit vermittelte eine Tagung der Ostschweizer Fachschule (OST) in Rapperswil einen Überblick zu aktuellen Projekten. Ein Exklusivbericht des Blogs Solarmedia, der sich künftig vermehrt mit Fragen der Rolle des Wasserstoffs beschäftigen wird.
Es dauerte nicht lange, da war die Tagung nicht mehr bei den einzelnen Projekten, sondern die Teilnehmer*innen interessierte vor allem die Kosten- und Preisfrage einerseits, die Folgen der derzeitigen Verwerfungen auf den Energiemärkten und die Herkunft und Beschaffenheit der Ausgangs- (Primär-) Energie andrerseits. Denn entgegen weiterhin vorhandenen Einschätzungen ist Wasserstoff ja eben nicht eine quasi in der Natur vorhandene Energieform, die einfach so zu gewinnen ist. Vielmehr ist erst mit der Zuführung von Strom in einem Elektrolyse-Vorgang aus Wasser einerseits H2 zu gewinnen, andererseits – und das ist besonders reizvoll am Prozess – verbleiben Reststoffe, die der Umwelt keinerlei Schaden zufügen, insbesondere kein klimaschädliches CO2. Allerdings liegt die Krux in der zugeführten Energie, deren Verfasstheit in einem Farbenschema zum Ausdruck kommt. Grünes H2 ist dabei jener Wasserstoff, der nur mit erneuerbaren Energien gewonnen wird, also auch in der Vorstufe CO2-frei bleibt.
Es ist hier nicht der Ort und Platz, die Grundlagen der Wasserstoff-Wirtschaft zu erörtern, wenn das die Tagung in Rapperswil von vergangenem Donnerstag auch ausführlich tat. Vielmehr sei auf die einschlägigen Quellen im Internet verwiesen. Projekte aber zur H2-Erzeugung in der Schweiz sind teils bereits realisiert, befinden sich in grösserer Zahl erst in der Entwicklung auf verschiedenen Stufen und sind weit gehend unbekannt. Stellvertretend erwähnt sei die Produktion von grünem Wasserstoff, die in St.Gallen im Herbst bereits den Betrieb aufnehmen soll. Reto Zuglian, Produktionsleiter der St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke, erläuterte an der Tagung, warum das Werk Kubel eben garantiert grün produzieren werde: Die zugeführte Energie stammt aus dem eigenen Wasserkraftwerk – nur Restwassermengen (also jene, die nicht für die Produktion von Haushalt- und Gewerbestrom Verwendung finden) gehen in die H2-Herstellung. Wirtschaftlichkeit ergibt sich laut Kubel ab rund 5000 Volllaststunden jährlich.
Ähnlich funktionieren übrigens bereits schweizweit Einrichtungen – sowie etwa jene, die im Elektrizitätswerk Höfe angedacht ist. Das EW ist nach eigenen Angaben das grösste Querverbundunternehmen in der Region unterer und oberer Zürichsee. Es stellt Versorgungssicherheit in den Gemeinden Feusisberg, Freienbach und Wollerau her. Die Höfe AG hat einen grossen Startvorteil, in dem sich der Standort unweit von zwei bestehenden Autobahn-Tankstellen befindet, letztere also nur einer kurzen Pipeline-Zuleitung bedürfen. Wie CEO Arne Kähler betonte, muss man sich bei solchen Leitungen nicht die Durchmesser der üblichen Öl- und Gas-Pipelines vorstellen – sondern lediglich eine Grössenordung von einer Fünfliber-Münze. Auch hier wird die Energie aus Restwassermengen bezogen werden. Immer vorausgesetzt, der Verwaltungsrat stimmt dem Projekt demnächst zu. Gleich soll etwa in der Westschweiz das Kraftwerk Schiffenen (Kanton Freiburg) um eine Wasserstofferzeugung ergänzt werden.
Zurück zu den Preisen: Angaben wurden auch an der Tagung kaum gemacht, denn sie hängen von zu vielen Variablen (volatiler Energiemarkt) ab. Abgesehen davon, dass man sich offenbar derzeit von der Konkurrenz nicht in die Karten blicken lassen will. Die Rede war in der Mehrzahl von Kilogrammpreisen im zweistelligen Bereich (der Preis für ein Kilogramm Wasserstoff beträgt gemäss Google-Recherche an allen öffentlichen H2 MOBILITY H2-Tankstellen in Deutschland aktuell 9,50€ (brutto). Auf 100 km verbraucht ein Brennstoffzellenfahrzeug ca. ein Kilogramm Wasserstoff, erzeugt also Kraftstoffkosten von 9,50€). Das beschneidet die Konkurrenzfähigkeit von Wasserstoff gegenüber anderen Energieträgern weiterhin oder ist bestenfalls auf deren Höhe. Aber deren Preise kennen aktuell ja bekanntlich nur die Richtung nach oben.
Kurzfristig fällt ins Gewicht, dass in der Schweiz demnächst den gängigen Energieformen mehr Wasserstoff (bis zu zehn statt zwei Prozent bisher) beigemischt werden darf. Und zu den hauptsächlichen Abnehmern: Am ehesten die Industrie für Prozesswärme, überall wo hohe Temperaturen erforderlich sind. Aus Gründen der Effizienz fast sicher nicht der private Personenverkehr (PW) – und hierzulande zumindest umstritten der Lastwagenschwerverkehr. In diesem Bereich rollt zwar bereits das grösste hiesige H2-Projekt überhaupt. Mehr als ein Dutzend Lastwagen des südkoreanischen Herstellers Hyundai verkehren bereits auf CH-Strassen und tanken an dem rund halben Dutzend Tankstellen. Aber die Distanzen sind in der Schweiz derart beschränkt, dass sich hierzulande bei den LKW vielleicht doch eher die reine E-Mobilität, also ein Betrieb mit Batteriestrom durchsetzen wird. Und ganz allgemein ist nicht zu zweifeln an der Aussage des Vertreters des Paul Scherrer Instituts (Serge Biollaz PSI), der ähnlich wie in anderen Energiebereichen (Beispiel Versorgungssicherheit) eine tragfähige Lösung für die Wasserstoffzukunft nur in internationalem Zusammenhang sieht, nationale Alleingänge ausgeschlossen.
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