Sonntag, 3. Februar 2019

Ohne Alternative: Es braucht Ausbau der EE

Der Bundesrat hat mit der Revision des Stromversorgungsgesetzes nur die halbe Arbeit gemacht. Die Dachorganisation der Schweizer Wirtschaft, AEE SUISSE, begrüsst zwar die verschiedenen Liberalisierungsschritte. Es mangelt gemäss folgender Medienmitteilung der Vorlage aber an einem verbindlichen Ausbaupfad für erneuerbare Energien (EE). Die Energiestrategie 2050 ist demnach als übergeordnetes und verbindliches Regelwerk für die Gestaltung des Stromversorgungsgesetzes und damit des neuen Strommarktdesigns zwingend zu berücksichtigen.
Im 2017 hat die Schweiz mit der Energiestrategie 2050 und der Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens zwei zentrale und die Schweizer Energie und Klimapolitik prägende Entscheide gefällt. Jede nachgelagerte Legiferierung im Energie- und Klimabereich hat sich konsequent und kompromisslos an diesen beiden Grundsatzentscheiden zu orientieren. Die Ziele sind klar: ein starker Ausbau der erneuerbaren inländischen Energien, eine Steigerung der Energieeffizienz sowie eine massive Reduktion der Treibhausgase. Damit diese Ziele erreicht werden können, muss auf das 1. Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050, deren erste Elemente 2022 auslaufen werden, ein weiteres Paket folgen. Ohne zusätzliche Investitionsanreize ist die Energiestrategie nicht zu realisieren. Die AEE SUISSE hat dazu im Rahmen ihres integralen Marktmodells  ausführlich Stellung genommen.
Ausbau der inländischen Stromproduktion fördert die Versorgungssicherheit: Die Revision des StromVG muss auf diese Herausforderung der Transformation des Energiesystems eine Antwort geben und deshalb auch Instrumente ausweisen, die Investitionsanreize in inländische, erneuerbare Stromproduktion garantieren. Diese lassen sich unterschiedlich ausgestalten: als Einspeiseprämie mit Direktvermarktung, welche die Differenz zwischen dem Marktpreis und den Gestehungskosten ausgleicht, als investitionsbezogene Einmalvergütung oder im Rahmen von Ausschreibungen (Auktionen). Gianni Operto, Präsident AEE SUISSE: «Der Markt ist bereit für die Umsetzung der Energiestrategie 2050. Er braucht aber klare Signale und ein dazu passendes Strommarktgesetz. Noch haben wir hier grossen Optimierungs- und Handlungsbedarf.»
Positives mit viel Luft nach oben: Die AEE SUISSE ist im Grundsatz mit der Einführung eines wettbewerblichen Strommarktes einverstanden, der aber zwingend an einen verbindlichen Ausbaupfad für erneuerbare Energien gekoppelt sein muss. Auch wird das Festhalten am Prinzip der Grundversorgung mit einem Mindestanteil an erneuerbaren Energien begrüsst. Der Anteil muss aber, soll er tatsächlich im Sinne der Energiestrategie Wirkung entfalten, auf 100% erhöht werden. Die AEE SUISSE traut grundsätzlich den Marktteilnehmern zu, dass sie selber für Reserven besorgt sind gemäss ihren eingegangenen Lieferverpflichtungen. Die aktuelle Gesetzgebung liefert eine genügend verbindliche Grundlage für Interventionen der Akteure Elcom und Swissgrid. Die AEE SUISSE versteht aber den Ruf nach Schaffung einer Speicherreserve zur zusätzlichen Absicherung der Schweizer Versorgungssicherheit im Energy-Only-Markt bei unvorhersehbaren ausserordentlichen Ereignissen (wie extremen und andauernden Wetterlagen). Diese aktive Reserve soll technologieneutral ausgestaltet sein und lediglich als Ergänzung zum Energy-Only-Markt im Sinne einer Versicherung zum Einsatz kommen. Das vorgeschlagene Netznutzungsentgelt erachtet die AEE SUISSE als ungenügend und nicht den Realitäten einer zunehmend dezentralen Energieversorgung entsprechend, wie sie mit der Energiestrategie 2050 angestrebt wird. Und schliesslich fordert die AEE SUISSE einen Paradigmenwechsel beim Messwesen, der es erlaubt, mit dezentralen (privaten) Messinfrastrukturen erhobene Daten – wie sie insbesondere durch Smart-Home-Anwendungen generiert werden - für Markt- und Abrechnungszwecke einzusetzen. Damit wird die Installation eines Verteilnetzbetreiberzählers in diesen Fällen obsolet und eine Ablösung von den zentralen Strukturen hin zu dezentralen Strukturen und einer kundenzentrischen Sichtweise befördert. Mit dieser vorgeschlagenen Liberalisierung der Messdaten wird die Zuständigkeit für die Messung der Netzbetreiber um die Möglichkeit ergänzt, dass die Verteilnetzbetreiber die Daten von intelligenten Messsystemen von Privaten beziehen.

Auch der Wirtschaftsverband der Cleantech-Unternehmen hat sich zum Strommarktgesetz geäussert und hält unter anderem fest: Swisscleantech begrüsst zwar die vom Bundesrat vorgeschlagene Liberalisierung des Strommarkts. Doch der Vernehmlassungsentwurf zur Revision des Stromversorgungsgesetzes ist ungenügend. Es fehlen Anreize für den dringend nötigen Ausbau der inländischen erneuerbaren Stromproduktion.

Die geplante vollständige Öffnung des Schweizer Strommarkts bietet den Versorgungsunternehmen die Chance für neue, innovative Dienstleistungen. Zudem ist die Marktöffnung eine Bedingung, um mit der EU das für die Schweiz wichtige Stromabkommen abzuschliessen. Dem vorliegenden Entwurf des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) kommt aber nur die Bedeutung einer Zwischenrevision zu. Es fehlen zentrale Reformschritte, um die aktuellen Herausforderungen der Energieversorgung zu adressieren.
 
«Obwohl die bestehenden Förderinstrumente für den Ausbau erneuerbarer Energien bald auslaufen, enthält der vorliegende Entwurf keine neuen Anreize. Damit droht die Gefahr, dass die Schweiz die Ausbauziele der Energiestrategie 2050 verfehlt. Was es jetzt braucht, sind grundlegend neue Anreize, um Investitionen in inländische, erneuerbare Stromproduktion sicherzustellen. Die Preissignale des Markts werden nicht ausreichen», sagt Christian Zeyer, Geschäftsführer von swisscleantech. 

Netztarife, damit das Stromnetz optimal genutzt wird: Ungenügend ist auch der Vorschlag des Bundesrats, den Leistungsanteil der Netztarife auf 50% zu erhöhen. Ein effizienter Strommarkt braucht Netznutzungstarife, welche die Kostenwahrheit abbilden. Dabei soll sich die Entschädigung der Netzkosten nach der effektiv verwendet Infrastruktur sowie deren Knappheit richten. So wird das Netz optimal genutzt und die Kosten für den Netzausbau können minimiert werden.
 
«Solange die Netznutzungstarife keine Kostenwahrheit garantieren, ist davon abzusehen, den Leistungstarif zu erhöhen. Diese Änderung bringt das Geschäftsmodell von PV-Anlagen, das auf Eigenverbrauch basiert, in Gefahr. Eine Absenkung des Arbeitstarifs verschlechtert die Rentabilität von PV-Anlagen, was sich negativ auf den weiteren Ausbau auswirkt», so Zeyer.


Quelle: erwähnte Verbände

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