Donnerstag, 14. Mai 2009

Vermeintliche Gefahren

«Es gibt keine Energie zum Nulltarif», sagt Horst-Michael Prasser, ETH-Professor für Kernenergiesysteme. Jeder Schritt von der Gewinnung des Urans über den Betrieb eines Kernkraftwerkes bis zur Endlagerung berge gewisse Risiken. Aber auch erneuerbare Energien seien mit schädlichen Umwelteinflüssen verbunden – nur werde das von den Gegnern der Kernenergie kaum je erwähnt. So sei etwa die Gewinnung von Kupfer für Windgeneratoren und Solarzellen ebenfalls mit Bergbau verbunden. «Vergleicht man die Gesundheits- und Umweltbelastung der verschiedenen Energieproduktionsarten, schneidet die Kernenergie sehr gut ab.» Nur die wenigsten wüssten, dass bei der Herstellung von Solarzellen giftiger Sondermüll entstehe, der bereits heute unter Tag entsorgt werden müsse. Soweit der neue AKW-Apostel der ETH in einem vor Wochenfrist erschienenen Artikel der Berner Tageszeitung «Bund» (9.5.09).

Das ist ein Vorgeschmack der Diskussion, die um den Neubau von AKW’s in den nächsten Jahren zu erwarten ist. Solche Aussichten sollen nicht daran hindern, die Risiken der Photovoltaik ernsthaft zu hinterfragen. Geschehen in der internationalen Ausgabe der gedruckten Fachzeitschrift Photon zur Auseinandersetzung um die Giftigkeit von Dünnfilmzellen. Zu deren Herstellung verwenden etwa die Weltmarktführer First Solar und Q-Cells eine dem Cadmium verwandte Substanz.

Der Befund über die Giftigkeit des sogenannten Cadmium Tellurid ist nach heutigem Stand der Wissenschaft demnach nicht eindeutig. Immerhin herrscht weit gehende Einigkeit, dass die betreffende Substanz weniger giftig ist also das herkömmliche Schwermetall Cadmium. Es gelangt in Solarzellen zum Einsatz, um deren Effizienz zu erhöhen, offenbar sieben Gramm je Modul. Oder anders umschrieben: Pro m² ist nur ungefähr der Cadmium-Gehalt einer kleinen Batterie enthalten. Das Cadmium ist darüber hinaus im den Werkstoff unlöslich eingebunden, so dass keine Gefahr für den Anwender besteht.Innerhalb desselben ist es zwischen Glas eingeschweisst und droht nur in wenigen Fällen zu entweichen. Selbst ein Feuer auf einer deutschen Hühnerfarm liess den Giftstoff nicht aus den Zellen entweichen. Glasbruch scheint extrem unwahrscheinlich und einer unsachgemässen Entsorgung wirkt das ausgeklügelte Recycling-System von First Solar entgegen. In Deutschland erhielt das US-Unternehmen übrigens erst eine Baubewilligung, nachdem es eben diese Wiederaufbereitungsanlage in Betrieb nahm – die Firma kennt im Übrigen nach eigenen Angaben den Standort sämtlicher aufgestellter First-Solar-Zellen.

Doch nicht nur die Atomlobby, etwa in Gestalt des ETH-Professors Prasser, stellt die PV-Produzenten an den Pranger. Auch aus der eigenen Branche hat sich Widerspruch gemeldet. So etwa der Chef von Solarworld, Frank Asbeck, seines Zeichens auch Vorsitzender der Vereinigung deutscher Solarindustrieller. Er machte den Bauernhofbrand erst öffentlich und wies auf die Gefahren der Dünnfilmzellen hin (nicht alle verwenden übrigens das umstrittene Cadmium Tellurid). Sein Vorpreschen ist gemäss der Fachzeitschrift Photon schwierig zu bewerten. Es könne sehr wohl aus Sorge um die Glaubwürdigkeit der Branche geschehen sein, möglicherweise handle es sich aber um einen Tritt ans Bein eines missliebigen Konkurrenten. Denn noch sind die kristallinen Solarzellen, die etwa Solarworld herstellt, die absoluten Marktrenner. Aber die – weniger leistungsfähigen, dafür viel billigeren – Dünnschichtigen holen auf. Sie haben ihren Marktanteil unterdessen auf bis zu 20 Prozent des Weltvolumens erhöht.

Fazit der Fachzeitschrift, dem man sich wohl anschliessen kann: Die Sache bedarf der weiteren Beachtung. Dünnfilmproduzenten wären am besten bedient, sie verzichteten auf die giftige Substanz (was technisch offenbar möglich ist). Die Herkunft der Kritik muss auch weiterhin auf die Interessenslage hin untersucht werden. Und die Vertreter der Atomlobby sind vehement in die Schranken zu weisen, ist doch ihr Hinweis auf die Giftigkeit der Erneuerbaren Energien ein Paradebeispiel von Verhältnisblödsinn und billiger Ablenkung. Bis jetzt sind eventuell ein paar Hühner mit Cadmium aus Solarzellen vergiftet worden. Die Opferzahlen der Atomtechnologie aufzuzählen, erübrigt sich.

1 Kommentar:

  1. Es geht nicht allein um die Giftigkeit der Solarzellen, sondern um einen Vergleich der aus den Stoffströmen der einzelnen Energieumwandlungsverfahren resultierenden Umweltbelastungen. Die Lebenszyklusanalyse, gekoppelt mit einer Analyse der Umweltbelastungenund den daraus folgenden gesundheitlichen Konsequenzen attestiert hier der Photovoltaik eine um etwa den Faktor 4 höhere kollektive Lebenszeiteinbusse, als der Kernenergie. Ein Faktor ist hierbei zum Beispiel der spezifische Kupferbedarf, der bei der Photovoltaik um den Faktor 50 höher ist, als bei der Kernenergie. Deshalb ist es ein Fehler, wenn man Kernenergie mit Photovoltaik (ähnliches gilt für Windenergie und andere Renewables) ersetzt.

    Toxische Substanzen wiederum können aus verschiedenen Schritten der verfahrenstechnischen Prozesse stammen. Gerechter Weise muss man hier auch an die Abfallströme aus der Chemieindustrie denken, die die Solarzellenfabrikation mit Rohstoffen versorgt.

    Weiterhin ist es unumstritten, dass die Photovoltaik in der Umwelbeeinflussung viel günstigere Werte aufweist, als alle fossilen Energieträger. Man muss deshalb die Fossilen zurückdrängen, wozu alle Möglichkeiten, die eine gute Ökobilanz aufweisen, gemeinsam genutzt werden müssen. Keine der verfügbaren Technologien schafft das im Alleingang.

    Wogegen ich mich wende, ist der einseitige Blick gegen die Kernenergie, der von Kernenergiegegnern zur Rechtfertigung ihrer Position benutzt wird. Deshalb die Formulierung, es gebe keine Energie zum Nulltarif, auch nicht aus den erneuerbaren Quellen.

    Die billigen Anwürfe, es würde sich bei meinen Äusserungen um ein "Paradebeispiel von Verhältnisblödsinn und billiger Ablenkung" handeln, das von einem "Vertreter der Atomlobby" stammt, der "vehement in die Schranken zu weisen" sei, finde ich skandalös. Wenn Sie einräumen, schon heute bei den geringen Prozentzahlen, die die Solarzellen zur Deckung des Energiebedarfs beitragen, "vielleicht ein paar Hühner ... vergiftet zu haben", dann kommt Spannung auf, was passiert, wenn Sie mit Photovoltaik den Output heutiger Kernkraftwerke erreichen würden. Ich denke, mit den Hühnern sind Sie ein wenig übers Ziel hinausgeschossen - ich hoffe das ernsthaft für die Sparte der Solarenergie.

    Horst-Michael Prasser

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