Auf Acker- und Grasland oder in Obstplantagen: Photovoltaikanlagen sind neuerdings im Landwirtschaftsgebiet erlaubt. Doch die Auflagen sind streng. Freistehende PV-Installationen gibt es in der Schweiz fast nur zu Forschungszwecken.
Verfasst von Paul Knüsel
Oliven, Feigen oder Kiwis: Die Landwirtschaft kultiviert neue Erzeugnisse. Während der Anbau klassischer Produkte wie Weizen, Mais, Kartoffeln oder Obst sinkt – die Erträge gingen in den letzten 20 Jahren um über 20 % zurück – wird auf dem Kulturland fast Vergessenes und Ungewohntes angepflanzt. Leinpflanzen werden für die Speiseölproduktion wiederentdeckt. Immer mehr Flächen werden für Beeren reserviert. Aber auch Heilkräuter und exotische Früchte sollen den Schweizer Bauern zusätzliche Einkünfte generieren.
Ein hohes Ertragspotenzial liegt im Kulturland jedoch brach: Auf inländischen Landwirtschaftsflächen liesse sich sehr viel Energie aus der Sonne gewinnen, sagt Mareike Jäger, Leiterin der Forschungsgruppe «Regenerative Landwirtschaftssysteme» an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). «Der theoretische Stromgewinn wäre fünf Mal grösser als der Inlandkonsum.»
Das Agri-PV-Potenzial ist riesig – theoretisch
Eine Studie von Jäger beschreibt die Details, inwiefern Nahrungsmittel und Strom kombiniert erzeugt werden können: Über offenen Ackerflächen liessen sich jährlich 225 TWh Solarstrom mit der Agri-Photovoltaik (Agri-PV) produzieren; auf Grasland wären 85 TWh sowie in Obst- und Beerenplantagen 13 TWh Energie zu gewinnen.
Mit 1 % der Ackerfläche würden 10 % des Inlandbedarfs an Strom gedeckt.
Zum Vergleich: Das grösste Wasserkraftwerk der Schweiz, das Pumpspeicherwerk Linth-Limmern, liefert etwa 2 TWh Strom pro Jahr. Zwar ist das in der Praxis nutzbare Agri-PV-Potenzial viel geringer als die theoretische Abschätzung. Doch nur schon «mit 1 % der Ackerfläche würden immer noch 10 % des Inlandbedarfs an Strom gedeckt», weist die ZHAW-Forschungsgruppe nach.
Erste Forschungs- und Pilotanlagen
Der aktuell grösste Agri-PV-Standort der Schweiz befindet sich im Luzerner Seetal. In Sichtweite des Hallwilersees werden seit zwei Jahren Himbeeren geerntet, die unter halbtransparenten Solarmodulen reifen. Die Testanlage ist fast eine Hektare gross und gehört einem privaten Biolandwirtschaftsbetrieb. Gemeinsam mit Forschungsinstituten und der Solarindustrie werden unterschiedliche PV-Systeme im Alltag erprobt. Bis nach der Ernte 2026 sollen folgende Fragen beantwortet werden können:
- Reifen die Früchte unter der PV-Anlage besser als ohne?
- Welche Anordnung der Solarmodule ist optimal dafür?
Über eine Testanlage verfügt auch die Zürcher Fachhochschule seit Oktober 2025. Das PV-System steht auf dem Campus in Wädenswil über einer Ackerfläche, die bislang nur für Forschung zum Kartoffelanbau genutzt wurde. Zwar dürfte der prognostizierte Jahresertrag ausreichen, um 45 Haushalte mit Strom zu versorgen. Doch primär dient die kleine Agri-PV-Anlage auch hier der Erkundung:
- Wie ergänzen sich Nahrungsmittelproduktion und erneuerbare Energieerzeugung am besten?
- Wie beeinflusst die partielle Beschattung durch Solarmodule das Mikroklima und das Wachstum der Kulturen?
Gemäss Mareike Jäger werden auch die Auswirkungen auf die Biodiversität untersucht.
Spezielle und flexible PV-Systeme
Ein Agri-PV-Standort mit kommerziellem Betrieb befindet sich dagegen im St. Galler Rheintal. Hierbei handelt es sich um Gewächshäuser mit einem halbtransparenten PV-Dach. Das Bundesamt für Energie (BFE) zeichnete die Projektträgerschaft und das realisierte Vorhaben mit dem Watt d’Or 2025 in der Kategorie «Erneuerbare Energien» aus. Die weitere Besonderheit ist: Die Solarmodule sind eine Neuentwicklung aus dem ETH-Labor und derart in die Glasdächer integriert, dass Zierpflanzen und Früchte darunter weiterhin gedeihen. Die Anlage gehört dem Elektrizitätswerk Buchs; der durchschnittliche Jahresertrag liegt bei rund 750’000 kWh.
Was bisherige Agri-PV-Pilotanlagen auszeichnet: Die Installationen sind robust und bauen auf bewährte Solartechnik. Aber häufig sind die PV-Module beweglich, um dem Lauf der Sonne zu folgen oder die Beschattung des Bodens nach Bedarf zu steuern. Vertikal ausgerichtete Module sind dagegen meist fix installiert und deshalb auf beiden Seiten – bifazial – mit Solarzellen versehen.
Ein weiteres Merkmal ist die Anordnung: Die Stützen von freistehenden Agri-PV-Anlagen stehen weit auseinander und die Träger sind hoch genug, so dass die Fläche weiterhin maschinell bearbeitet werden kann. Fundamente werden bodenschonend und einfach rückbaubar ausgeführt.
Wie gut ist Photovoltaik mit Agrarproduktion vereinbar?
Die ZHAW-Potenzialstudie führt Grünland zwar als zweitwichtigste Standortkategorie auf. Doch PV-Anlagen über Natur- oder Kunstwiesen gibt es in der Schweiz nicht. Im Gegensatz zu den Nachbarländern stösst die Idee hierzulande auf Ablehnung. In Stellungnahmen auf politische Vorstösse und in Vollzugsleitfäden haben sich die Behörden aus Zürich, Thurgau und Baselland dazu bereits geäussert. Konsens herrscht, dass vor allem Dauerkulturen für die zusätzliche Solarstromproduktion als geeignet betrachtet werden. Auch der Schweizer Bauernverband beurteilt nur Agri-PV-Anlagen innerhalb von Sonderkulturen als vereinbar mit der landwirtschaftlichen Produktion.