Dienstag, 19. November 2024

Energierevolution Now!

Einleitend wird in diesem nunmehr rund zwei Jahre alten Buch
von Volker und Cornelia Quaschning festgehalten: Die Frage für Viele scheint zu sein, sind wir überhaupt noch zu retten? Klar sind wir das, denn sonst hätten die Autor*innen das Buch ja nicht geschrieben! Die Lektüre lohnt auf jeden Fall heute noch - denn der Titel ist Programm: «Energie Revolution Jetzt!» Es beginnt mit einer verblüffend einfachen Definition dessen, was wir als Klima zu verstehen haben - nämlich den Durchschnitt des Wetters - und das Interesse ist gerade jetzt anlässlich der Klimakonferenz COP29 geweckt.

Es folgt eine längere Erörterung der Klima-Frage, die man getrost überspringen kann, wenn man um deren Relevanz bereits weiss. Vor allem kommt natürlich zur Sprache, inwieweit sich Deutschland auf einem annehmbaren Pfad hin zum 1.5° Ziel befindet. Das ist gemäss den Autor*innen nicht oder kaum der Fall, zumal ein Erreichen der Klimaziele im Jahre 2045 seitens dieses grossen Industrielandes für ungenügend erachtet wird. Abgehandelt werden unter anderem die Klimakonferenzen Rio 92, Montreal 97, Kopenhagen 2009, Paris 2015 und die letzten Veranstaltungen in Abu Dhabi und nun 2024 im aserbeidschanischen Baku. Zwei Jahre rund nach Niederschrift des Buches, stecken wir ja unterdessen mitten in einer veritablen Energierevolution, die als eine, aber eben nur eine Voraussetzung für die Lösung der Klimafrage gilt. 
 
Der Solar-Zubau im Welt-Massstab, etwas weniger auch der Zubau von Windkraft, ist ja in unglaubliche Dimensionen hinein gewachsen, so dass nunmehr wirklich an verschiedensten Orten von der Solar-Revolution die Rede ist, so etwa in jüngster Zeit in Artikeln der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Frankfurter Rundschau und von Die Zeit. Die schiere Grösse des PV-Zubaues ermöglicht unterdessen, pro Jahr so viel Strom zusätzlich im Weltmassstab herzustellen wie aus Atomkraftwerken insgesamt stammt - lächerlich, dass da eine Atom-Renaissance herbei geschrieben wird an verschiedenen Stellen. 
 
Bei aller Euphorie sind zwei Aspekte wichtig und nicht zu vergessen - auf sie ist unterdessen das Augenmerk zu richten, allda sind: einerseits die ungenügende Speichermöglichkeit, um Stromlücken irgendwelcher Art auch mit Solarstrom zu überbrücken und andererseits das Problem, den Solarstrom dorthin zu transportieren, wo er gerade gebraucht wird. Denn das ist trotz aller Dezentralisierung der solaren Stromproduktion eben auch nötig, ein immenser Leitungsbau. 
 
Doch zurück zum Buch. Wir sind unterdessen rund auf Seite 92: Ab da wird das Potenzial von Wind- und Sonnenenergie erläutert. Alleine reicht in Deutschland keine von beiden Quellen für «100 % erneuerbar» - aber in der Kombination bewirken Sie Wunderbares. Auch in Deutschland wird wie in der Schweiz seit nunmehr Jahrzehnten (früher mit der fehlenden Atomkraft, heute mit den erneuerbaren) wegen eines Blackouts gegen letztere gewettert. Aber ist dieser Black-out jemals eingetreten? Nein die Autor*innen versteifen sich sogar auf die Aussage, dass die Versorgungssicherheit dank der dezentralen Energieerzeugung ständig wächst und nicht wegen der Erneuerbaren abnimmt. Das stimmt im übrigen auch, wenn man die Versorgungssicherheit der letzten Jahre statistisch anschaut. Gilt sowohl für Deutschland wie für die Schweiz. Und auch das gegenwärtige Energiesystem ist ja gegen Black-outs nicht gefeit, denn der Ausfall eines Grosskraftwerk wie etwa eines AKW, könnte die Stromversorgung gefährden.

Grosse Knacknuss der Energiewende ist ohne Zweifel das Speichern, zumal für Deutschland. Hier rechnen die Autor*innen mit einem zusätzlichen Speicherbedarf gegenüber den vorhandenen Pumpspeichern von rund dem 1000fachen. Sie sehen aber alternative Möglichkeiten, etwa durch Nutzung der Raumtemperatur in Gebäuden, die bei Stromüberschuss leicht überheizt werden können, wobei bei Stromlücken dann Energie abgezogen wird. Wie das allerdings funktionieren soll im grossen Stil, scheint mir doch ein bisschen visionär oder unwahrscheinlich. Aber es gibt ja natürlich - und darauf wird auch Wert gelegt - viele weitere Speichermöglichkeiten - in deren Mix liegt zweifellos ein grosses Potenzial, etwa auch beim bidirektionalen Laden von E-Autos (und nie vergessen: die Schweiz hat dank der Wasserkraft wie etwa Norwegen bereits ausserordentliche Speichmöglichkeiten).

Die Abhandlung über den Stand der Atom-Wirtschaft bringt sodann nichts Neues, ist seit dem Verfassen des Buches sogar überholt, weil unterdessen ja zum Beispiel in Deutschland alle AKW wirklich ausser Betrieb sind und weil auch die modernen vielversprechenden Technologien weiterhin nirgends halten, was sie versprechen. Es ist also nicht damit zu rechnen, dass die Atom-Technologie das Klimaproblem in grossem Stil lösen könnte. Auch wenn ein Bill Gates immer noch daran zu glauben scheint. Volker Quaschning kommt ins Psychologiesieren, wenn er versucht zu erklären, warum Gates etwa oder auch der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn immer noch an die Atom-Technologie glauben - und verneinen, dass mit Erneuerbaren ein Energiesystem zu 100 % bestritten werden kann. Das ist demgegenüber nur schon angesichts der Grössenordnungen eben mit der Atomwirtschaft nicht möglich.

Nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind Ausführungen zum Wasserstoff. Zumindest wird im Buch behauptet, dieser komme in der Natur überhaupt nicht vor, was unterdessen widerlegt zu sein scheint. Und viele Länder beginnen mit der Realisierung eines diesbezüglichen Netzes.

Ein Zwischenfazit zur Hälfte des Buchs ist angebracht. Zur Lösung der Klimakrise braucht es eine Energierevolution, das ist der erste Punkt. Und als zweites gilt festzuhalten, die nötigen Technologien um diese Energie-Revolution durchzuführen, sind praktisch alle schon vorhanden. Selbst im Speicherbereich ist schon einiges da, wenn man den kurzen und mittelfristigen Speicher-Prozess betrachtet. Der schwierigste Punkt ist die Langzeitspeicherung von Energie, bei der unterschiedliche Länder unterschiedliche Voraussetzungen haben. Wie erwähnt hat die Schweiz eben gute Voraussetzungen mit ihren bereits gebauten grossen Wasser-Speichern.

Ab Seite 137 erfährt grüner Wasserstoff die nötige Aufmerksamkeit. Bezüglich verschiedener Anwendungen lassen sich dabei klare Aussagen treffen: Wasserstoff, selbst grüner, ist weniger geeignet für den Verkehrssektor und das Heizen, hingegen mehr für industrielle Prozesse und das Speichern von Solar- und Wind-Energie (plus Luft- und Schifffahrt). Als einschneidende Beschränkung kommt hinzu, dass wir gar nicht über genügend erneuerbare Energien verfügen, um diesen eben grünen akzeptablen Wasserstoff in nötigen Mengen herzustellen.

Wie die Schweiz schlägt sich Deutschland auch mit der Frage herum, inwieweit Importe die Lücken füllen können. Dazu ein bemerkenswertes Zitat auf Seite 146: «Am Ende ist es doch nur gerecht, den Strom dort zu erzeugen, wo er auch gebraucht wird. Wer den Bau von Windkraftanlagen ablehnt, erwartet selbstredend, dass diese woanders gebaut werden und ausserdem viele andere Menschen vom Leitungsbau betroffen werden.» Und weiter ist zu bedenken, dass der Aufwand für Stromkabel immens ist, auf jeden Fall viel grösser als für den Bau von Windrädern vor Ort. Eine Stromtrasse kommt einer in die Erde verlegten Strasse gleich, die elf Meter breit ist - das wurde zum Beispiel für den Stromtransport von Nord- nach Süddeutschland nötig, da der Widerstand gegen Strommasten viel zu gross war. Das Fazit lasse ich gleich nochmals Volker zitieren (S.148): «Stromimporte von grossen Photovoltaik-Anlagen in Nordafrika und Überleitung nach Deutschland sind nicht billiger als die Solarstromerzeugung in Deutschland.» Schliesslich braucht zum Beispiel Marokko seinen Strom zuerst einmal selber, denn es hat sich die eigene Dekarbonisierung auch auf die Fahne geschrieben (und ist dabei auch schon beachtlich weit fortgeschritten). Ähnlich ist auch zu argumentieren, wenn der Import von grünem Wasserstoff ins Auge gefasst wird. Erschwerend gehen dabei rund 70 % der transportierten Energie verloren und der teure Wasserstoff bringt die Gefahr mit sich, dass die Industrie ab wandert, nämlich dorthin wo die billige Energie unmittelbar verfügbar ist. Das ist eine prophetische Vorhersage, die unterdessen im Jahre 2024 Jahr einzutreten scheint, etwa mit der massenweisen Schliessung von Produktionsstätten für Autos in Deutschland.
Auf Wiedergabe der Abhandlung zu den E-Autos, sei hier verzichtet. Denn Quaschnings sagen selber: «Weniger Autos braucht das Land!»

Interessant und neuer ist die folgende Abhandlung zum Flugverkehr (ab S.181). Zuallererst eine zentrale Einsicht: die Verbrennung von Kerosin am Boden verursacht eine wesentlich geringere Treibhausgaswirkung als in hohen Höhen - deshalb wohl auch die unterschiedlichen Statistiken. Fluggesellschaften nutzen zum Beleg natürlich entstehende s CO2 am Boden und kommen so auf die zwei oder drei Prozent am gesamten Aufkommen, während Flugkritiker die effektiven Schadstoffwirkungen auf das 3-5 fache beziffern. Ein schöner Salat. Gemäss Volker sind nur elf Prozebt der Weltbevölkerung für Flug-Klima-Schäden verantwortlich, also heisst das ja auch, dass jährlich so viele Leute in der Welt fliegen und eben nicht nur die behaupten zwei bis vier  (Berechnung Solarmedia). Weitgehend klimaneutral fliegen wäre nach heutigen Berechnungen mindestens doppelt so teuer mit Bio Kerosin als mit fossilen Bio Kraftstoff.

Das Buch rechnet ab Seite 200 mit haltlosen Vorurteilen ab. So etwa mit der Angabe, die Produktion eines Moduls verbrauche mehr Strom als es je erzeugen kann. Das ist auch darum totaler Unsinn, weil sonst bei den Unmengen heutzutage hergestellter Module der Stromverbrauch sehr viel stärker in die Höhe hätte schnellen müssen. Die behaupteten Brandgefahren sind insofern Unsinn, als sie die gleichen sind wie bei allen anderen elektrischen Anlagen und vermutlich grösser als bei Gas- und Ölheizungen. Auf die neuerdings häufig geäusserte Kritik bezüglich Flächen- und Rohstoffverbrauch durch eine grosse Zahl von Solarmodulen gehen die Quaschnings nicht ein. Wobei sich diese Kritikpunkte ja einfach entkräften lassen (so etwa verbraucht zivilisiertes Leben in vielen anderen Bereichen noch wesentlich mehr Material, also etwa die Auto-Wirtschaft, wenn bald mal jeder ein Auto besitzt, oder auch die Ausstattung mit elektronischen Hilfsmitteln, die ja nicht enden will).

Der letzte Viertel des Buches widmet sich vielen Verhältnissen in Deutschland, deren Wiedergabe sich hier erübrigt, auch wenn viele der erwähnten Aspekte in der Schweiz ähnlich sind oder zumindest interessant als Gedanken-Anstoss (etwa zum Wohnen, wo die Schweiz weiter zu sein scheint bezüglich CO2–Abgabe - oder dann etwa zur tiefen Tiefengeothermie, wo Deutschland weiter ist - erst recht im Bereich der Windenergie, die unterdessen ja die wichtigste Stromquelle in Deutschland überhaupt darstellt).

Bleibt noch das letzte Kapitel, das sich unter dem Schlagwort Furzerei der Kühe zusammenfassen lässt. Die Quaschnings sind überzeugte Veganer… kein Wunder, kommen Sie zum Schluss, wir haben es selber in der Hand, die Klimakrise noch aufzuhalten.

Copyright: Solarmedia Guntram Rehsche

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