Donnerstag, 22. April 2021

Tschernobyl forderte in der Schweiz viele Opfer

 «Tschernobyl» hat das Vertrauen in die Atomtechnologie weltweit erschüttert: Die nördliche Hemisphäre wurde durch den AKW-Unfall mit der Energie von über 200 Hiroshima-Atombomben massiv verstrahlt. Hauptbetroffene waren – und sind immer noch – die Einwohnerinnen und Einwohner der Ukraine, Weissrusslands und weiterer Staaten der ehemaligen UdSSR. Aber auch die von Tschernobyl weit entfernte Schweiz ist vom radioaktiven Fallout betroffen: Krebstote, Krankheiten und erhöhte Säuglingssterblichkeit sind die Folgen. PSR/IPPNW und die Schweizerische Energie-Stiftung SES fordern, dass die Schweizer Behörden die langfristigen Folgen der ionisierenden Strahlung anerkennen und in der Strahlenschutzgesetzgebung verankern müssen.

Wer sind die Strahlenopfer? Gemäss Bundesamt für Gesundheit BAG liegt die Gesamtdosis der von der Schweizer Bevölkerung infolge des Unfalls von Tschernobyl vor allem mit der Nahrung aufgenommenen ionisierenden Strahlung bei rund 3500 Sievert (ca. 0.5 Millisievert pro Person). Manche ernsthafte Auswirkungen auf die Gesundheit treten erst nach vielen Jahren auf. Im Gegensatz zu anderen Unfällen sind die Strahlenopfer nicht individuell bekannt – ihre Zahl lässt sich jedoch mit sorgfältigen epidemiologischen Studien abschätzen. So zeigen unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen der letzten zwei Jahrzehnte, dass auch in der Schweiz von mehreren Tausend Strahlenopfern ausgegangen werden muss. Dies wird jedoch von den auch für unser Land massgebenden internationalen Strahlenschutzbehörden noch nicht adäquat berücksichtigt.

Strahlenbedingte schwere Krankheiten in der Schweiz: Bereits 2005 hat das BAG bekanntgegeben, der GAU von Tschernobyl würde in der Schweiz zu Hunderten Krebserkrankungen führen. Aufgrund der heutigen Kenntnisse muss dabei von mindestens 400 Krebstoten sowie zusätzlich von ebenso vielen Toten durch Herzinfarkte und Hirnschläge als längerfristigen Strahlenfolgen ausgegangen werden. Die Häufung weiterer strahlenbedingter schwerer Krankheiten wurden erstmals in ihrer Tragweite bei den stark strahlenexponierten 800’000 Aufräumarbeitern der AKW-Ruine erkannt.

Früh- und Säuglingssterblichkeit erhöht: Neuere Studien zeigen aber auch, dass als Folge von Tschernobyl zusätzlich Störungen der Fortpflanzung nachgewiesen werden können, was jedoch noch kaum bekannt ist. Für die Schweiz lässt sich wie auch im übrigen Europa eine Zunahme der Frühsterblichkeit nachweisen. Es findet sich ferner eine statistisch signifikante Zunahme der in ihrem ersten Lebensjahr verstorbenen Kinder: Die Säuglingssterblichkeit hat in der Schweiz ab 1987 um über 10% zugenommen. Nur schon in den ersten sieben Jahren – d.h. den Jahren mit der höchsten Strahlenbelastung nach dem AKW-Unfall in Tschernobyl – entspricht dies zusätzlich über 400 vor ihrem ersten Geburtstag verstorbenen Kindern. Weitere Untersuchungen weisen nach, dass seit 1986 über 3200 Schwangerschaften fehlen – am ehesten als Folge von Frühaborten.

Diese Resultate sind Ausdruck der genetischen Risiken sogenannt niedriger Strahlendosen – definiert als eine Dosis von weniger als 100 Millisievert pro Person. Diese Beobachtungen bestätigen, dass es keine unbedenkliche Strahlendosis gibt, sei sie noch so klein. PSR/IPPNW und die SES fordern das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK dazu auf, diese neueren Forschungsresultate in die Strahlenschutzgesetzgebung einfliessen zu lassen.


» Download Ergänzende Hintergrundberichte (.pdf):

  1. Mehr Totgeburten und erhöhte Säuglingssterblichkeit: Genetische Schäden durch ioni-sierende Strahlung nach Tschernobyl werden auch in der Schweiz offensichtlich
  2. Strahlungsbedingte Schäden im Erbgut nach den AKW-Unfällen in Tschernobyl 1986 und Fukushima 2011
  3. Voraussetzungen und Ergebnisse des Krisenmanagements von Tschernobyl - Bericht zum 35. Jahrestag des Tschernobyl-Unfalles
  4. Tschernobyl: 35 Jahre später - Erinnerungen für die Zukunft
  5. Eine handgestrickte nukleare Katastrophe – sie ist auch in der Schweiz möglich

Quellen  Schweizerische Energie-Stiftung SES

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