Montag, 4. Dezember 2017

Konsum ist der Flaschenhals

Von der Beseitigung der Armut bis hin zur Gleichstellung der Geschlechter, widerstandsfähigeren Städten oder Maßnahmen zum Klimaschutz – positive Wechselwirkungen zwischen den meisten Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, kurz SDGs) können Fortschritte befördern.


Doch es gibt auch Zielkonflikte, die ein Hindernis für die erfolgreiche Umsetzung der Ziele für  mehr Nachhaltigkeit im Jahr 2030 sein können. Das ist das Ergebnis einer neuen, umfassenden Analyse eines Teams von Wissenschaftlern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Ein Flaschenhals ist der verantwortungsbewusste Konsum, wie Daten der letzten Jahrzehnte zeigen. „Die Ziele zur nachhaltigen Entwicklung zielen auf die Bewältigung komplexer, multidimensionaler Herausforderungen für die Menschheit und bestimmen die internationale Agenda bis 2030. Bislang ist jedoch nur wenig bekannt über Wechselwirkungen, Korrelationen und mögliche Konflikte zwischen den SDGs“, erklärt der Leitautor Prajal Pradhan. „Wir haben versucht, die komplizierten Zusammenhänge in einzelne Paare zu zerlegen, um herauszufinden wie sich die verschiedenen SDGs gegenseitig beeinflussen. Es stellt sich heraus, dass bei den meisten SDGs und Ländern die Synergien überwiegen. Ein Ziel steht jedoch in Konflikt mit einer ganzen Reihe anderer Ziele – nämlich verantwortungsbewusster Konsum und Produktion.“ Verbesserungen des menschlichen Wohlbefindens, des wirtschaftlichen Wohlstands und der Lebensstile gehen derzeit noch weitgehend mit einem Anstieg des Konsums einher – und damit wachsenden ökologischen und materiellen Fußabdrücken. Um die Entwicklungsagenda von 2030 erfolgreich umzusetzen, müssen solche Zielkonflikte entsprechend erkannt, angegangen und gelöst werden.

Die 2015 beschlossenen Ziele zur nachhaltigen Entwicklung umfassen 17 Ziele und 169 Zielvorgaben. Die Ziele der Vereinten Nationen für die Welt 2030 sind der Rahmen, an dem die Mitgliedstaaten ihre Politik für Entwicklung und Nachhaltigkeit ausrichten wollen. Deshalb ist es so zentral, Synergien und Konflikte durch Interaktionen zwischen den Zielen zu identifizieren, um entsprechende Strategien entwickeln zu können. Bisher wurden die SDGs meist nur qualitativ analysiert, jeweils für nur wenige Ziele oder einzelne Regionen der Welt.

Lehren aus der Vergangenheit ziehen: Die Daten zeigen mehr Synergien als Konflikte  - „Unsere Studie liefert die erste vollständige Quantifizierung von Synergien und Konflikten, wie sie in Daten der letzten Jahrzehnte bis hin zur Gegenwart innerhalb und zwischen den SDGs sowohl auf Länderebene als auch auf globaler Ebene nachgewiesen werden können“, sagt Ko-Autor Jürgen Kropp, stellvertretender Vorsitzender des PIK-Forschungsbereichs Klimawirkung & Vulnerabilität. Durch den statistischen Ansatz auf der Basis von Daten der UN-Statistikabteilung zu 122 Indikatoren für mehr als 200 Länder zwischen 1983 und 2016 „war es uns möglich, die Lehren der Vergangenheit aus den Daten herauszuarbeiten. Dies ist ein einfacher, aber immens nützlicher Ansatz, denn auch wenn die SDGs noch neu sind, die Herausforderungen sind es sicher nicht“.

Die Ergebnisse zeigen nicht nur mögliche Konflikte zwischen den SDGs auf, sondern verdeutlichen auch das enorme Synergiepotenzial im Kampf gegen Armut, Hunger und für Gesundheit und Wohlbefinden. Die Beseitigung der Armut und die Verbesserung der öffentlichen Gesundheit haben auch einen positiven Einfluss auf die meisten anderen SDGs. So leben etwa rund drei Milliarden Menschen weltweit in Ländern, in denen die Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens mit der Bereitstellung von sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen einhergeht. Herauszufinden, welche Länder bereits von solchen Synergien profitieren, könnte helfen, von guter Praxis zu lernen. Ein weiteres Beispiel: Länder, die bereits mit nachhaltigen Städten in Zusammenhang gebracht werden können, scheinen auch beim Klimaschutz gut zu punkten – was ebenfalls auf ein starkes Synergiepotenzial hinweist. Die Ergebnisse der Studie können die Basis bilden, um detailliertere Konzepte zu entwickeln mit Blick auf robuste Aussagen zum Erfolg der SDGs in der Zukunft.  

„Die SDGs stehen für eine ganzheitliche und multidimensionale Entwicklungsperspektive“, sagt Ko-Autor Wolfgang Lucht, Leiter des PIK-Forschungsbereichs Erdsystemanalyse. „Der hier vorgestellte empirische Rahmen zur Abschätzung von SDG-Wechselwirkungen leistet einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen politischen Umsetzung der Agenda zur nachhaltigen Entwicklung. Das Erreichen der SDGs ist von zentraler Bedeutung für die notwendige große Transformation, mit der jene nicht nachhaltigen Verhältnisse überwunden werden können, die sich in den Daten der Vergangenheit widerspiegeln. Um dies zu erreichen, müssen die SDGs als ein System von miteinander in Wechselwirkung stehenden Komponenten betrachtet werden, welche zusammen der Welt eine sichere und gerechte Entwicklungsplattform anbieten“, so Lucht. „Unsere Studie zeigt, dass die UN-Ziele zur Nachhaltigen Entwicklung weit mehr sind als nur eine Ansammlung von Zielen, sondern ein System wechselseitiger Verstärkung. Während kein einzelnes dieser Ziele die Macht hat, die Welt allein zu verändern, können dies die SDGs als Ganzes erreichen.“

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