Freitag, 27. Oktober 2017

Versorgung sicher gestellt

Die Schweiz werde bis 2035 ausreichend Strom zur Verfügung haben – sofern die Integration in den europäischen Strommarkt gelingt, die Energieeffizienz gesteigert wird und der Anteil an erneuerbaren Energien wächst. So lautet das Fazit einer Studie, welche Bundespräsidentin Doris Leuthard und Benoît Revaz, der Direktor des Bundesamts für Energie, am diesjährigen Infrastrukturtag des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) vorgestellt haben. 

Ausgangspunkt der Tagung unter dem Titel „Strommarktdesign – die Herausforderungen“ war die Frage nach der langfristigen Sicherstellung der Stromversorgung mit den Voraussetzungen des heutigen Marktumfeldes. Die Stromversorgung der Schweiz müsse sicher sowie wirtschaftlich und umweltverträglich sein, sagte Bundespräsidentin Leuthard. Dabei sei der gegenwärtig tiefe CO2-Anteil am Schweizer Energiemix zu wahren, was einen Ausbau der erneuerbaren Energiequellen erfordere. Gestärkt werde die Versorgungssicherheit durch eine gute Vernetzung mit den Nachbarländern: „Es ist in unserem Interesse, beim Stromhandel grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten. 

Wird die Zusammenarbeit innerhalb der EU institutionalisiert, könnte die Schweiz den Anschluss verlieren“, warnte die UVEK-Vorsteherin. Der Strommarkt der Zukunft muss überdies neue dezentrale Produktionen integrieren, Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, neue Akteure, Tarife und Zahlungssysteme möglich machen und der Innovation genug Raum verschaffen. Dafür brauche es etwa einen funktionierenden europäischen Emissionsmarkt, einen Abbau von Markthemmnissen, Speicherlösungen und einen Ausbau des Übertragungsnetzes, führte die Bundespräsidentin aus.

EU interessiert an Abschluss des Stromabkommens: Die europäische Perspektive brachte Oliver Koch ein, der stellvertretende Referatsleiter im Generaldirektorat Energie der EU-Kommission. Die Reformen und Umbrüche auf dem EU-Strommarkt – insbesondere die Umstellung auf erneuerbare Energien – seien im nationalen Alleingang kaum in bezahlbarer Weise zu bewältigen. Die enge Zusammenarbeit im europäischen Netzverbund könne sicherstellen, dass Strom jederzeit überall verfügbar sei – auch wenn im eigenen Land einmal nicht die Sonne scheine und kein Wind wehe, führte Koch aus. Mit der Umstellung auf erneuerbare Energien würden auch die Vorteile einer engeren Kooperation zwischen der EU und der Schweiz im Strombereich immer deutlicher. So können Stromimporte aus der EU dazu beitragen, die Umstellung auf erneuerbare Energien ohne Versorgungsengpässe zu bewältigen. Die EU profitiere ihrerseits von dem gut ausgebauten Schweizer Stromnetz und den zahlreichen Wasserkraftwerken, die bei ausbleibendem Wind oder Sonnenschein als Puffer dienen können. Erschwert werde die gemeinsame Nutzung des Verbundnetzes allerdings durch das Fehlen eines Stromabkommens. Da die Vorteile eines Abkommens aber Jahr für Jahr greifbarer würden, zeigte sich Koch zuversichtlich, dass es gelingen könne, ein solches Abkommen „zeitnah“ abzuschliessen.  

Für Benoît Revaz, den Direktor des Bundesamts für Energie, ist die heute publizierte Studie zur „System Adequacy“ eine wichtige Grundlage zur Beurteilung der Stromversorgungssicherheit. Die Studie zeige anhand mehrerer Entwicklungsszenarien, dass die Versorgungssicherheit bis 2035 gewährleistet ist. Dies gelte auch für den Fall, dass in der Schweiz und den umliegenden Ländern eine rasche Transformation in Richtung erneuerbare Energien erfolge. Die Schweiz habe auf absehbare Zeit kein Leistungsproblem, so dass ein Kapazitätsmechanismus weder sinnvoll noch notwendig sei. Die langfristige Versorgungssicherheit könne marktorientiert und im Verbund mit unseren Nachbarstaaten sichergestellt werden. Gemäss Revaz müsse das Ziel des neuen Marktdesigns die Stärkung des Marktes und die Integration in die umliegenden Märkte sein. Zur Stärkung der Marktsignale und der Effizienz sei die volle Marköffnung ein wichtiges Element. Um die Energieverfügbarkeit auch in extremen Situationen zu gewährleisten, sei zudem eine strategische Reserve als zusätzliches Sicherheitselement zu einem starken „Energy Only“-Markt zu prüfen.

Energieeffizienz auch in Zukunft zentral: Martin Patel, Professor für Energieeffizienz an der Universität Genf, referierte über die bereits in mehreren Ländern eingeführten Energieeffizienzverpflichtungen (EEO, „Energy Efficiency Obligations“). Es kann als ein System beschrieben werden, das eine Steuer mit Subventionen kombiniert: Die Energieversorger sind berechtigt, den Energiepreis ihrer Kunden um einen Aufschlag zu erhöhen, mit dem sie Energieeffizienzmassnahmen durchführen. Eine mit EEO operierende Energiepolitik könnte auch für die Schweiz von Interesse sein, sagte Patel – werde damit doch die stabile Finanzierung der Energieeffizienz in einem freien Markt abgesichert. EEO könnten sich eignen als eines der Instrumente, die den schrittweisen Übergang von einem Subventions- zu einem Anreizsystem ermöglichen.
Auf dem Podium diskutierten Yves Zumwald, CEO von Swissgrid, Thomas Sieber, Verwaltungsratspräsident der Axpo Holding AG, Regierungsrat Mario Cavigelli (GR), Präsident der Konferenz der kantonalen Energiedirektoren, Michael Wider, Präsident des Verbandes schweizerischer Elektrizitätsunternehmen sowie Renato Tami, Geschäftsführer der Eidgenössischen Elektrizitätskommission.

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