Montag, 14. September 2009

Gerangel um die Spitze

Die deutsche Photovoltaikforschung macht der US-amerikanischen die weltweite Führungsrolle streitig. US-Präsident Obama hat die Forschungsbudgets massiv aufgestockt.

Auf den Wirkungsgradrekord bei den Mehrfachzellen ist man am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) immer noch stolz: "Wir konnten ein starkes wissenschaftliches Ausrufungszeichen setzen", sagt Frank Dimroth, Leiter der Arbeitsgruppe III-V-Epitaxie und Solarzellen am ISE. Sein Team erreichte im Januar 2009 mit den hocheffizienten Lichtsammlern 41,1 Prozent Effizienz, und übertrumpfte damit das National Renewable Energy Laboratory (NREL) der USA - den bisherigen Rekordhalter - um 0,3 Prozentpunkte.

Mehrfachzellen wird enormes Potenzial zugesprochen: Zwar ist ihre Herstellung schwierig und teuer, da mehrere seltene Halbleiter zum Einsatz kommen. Dafür erzeugen sie doppelt so viel Strom wie gängige Siliziumzellen. Bislang galt die Technik als absolute US-Domäne: Seit den siebziger Jahren forscht das NREL an den "Multi Junctions", um Raumstationen und Satelliten mit Sonnenenergie zu versorgen. 1980 bot das Department of Energy (DOE), das US-Energieministerium, mit 400 Millionen Dollar das höchste Solar-Forschungsbudget in der Geschichte der Vereinigten Staaten auf, und etablierte das Land so an der Spitze der weltweiten Solarwissenschaft.

Auch er ein Deutscher, allerdings in der Schweiz forschend: Michael Grätzel, Professor für Materialwissenschaften an der Eidgenössischen Technischen Hochschule EPFL in Lausanne, erhält für die Erfindung seiner Solarzelle den Balzan-Preis (siehe Solarmedia vom 7. September).

Jetzt laufen deutschen Forscher ihren US-Kollegen den Rang ab, drängen auch in anderen Photovoltaik-Bereichen wie der Dünnschicht oder den organischen Solarzellen auf die Führungsrolle. Bei den marktbeherrschenden Siliziumzellen liegen sie sogar längst an der Spitze: "In den USA herrscht die weit verbreitete Meinung, dass die gegenwärtigen Techniken noch nicht geeignet sind, kostengünstig Solarstrom zu erzeugen. Deshalb kommt vor allem die angewandte Siliziumforschung viel zu kurz", erklärt Tonio Buonassisi, Leiter des Photovoltaik-Laboratoriums am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge.

Deutsche Forscher sind beim Silizium dagegen besonders kreativ: Diverse kristalline Konzepte stehen kurz vor der kommerziellen Umsetzung: Die Firma Stiebel-Eltron etwa will eine vom Institut für Solarenergieforschung in Hameln (ISFH) entwickelte sogenannte Rückkontaktzelle herstellen, die dank einer völlig verschattungsfreien Front bis zu 23 Prozent des Lichts in Strom umwandeln kann. Q-Cells testet in seinem Forschungszentrum in enger Zusammenarbeit mit ISE und ISFH Fertigungsverfahren für ähnliche Zellentypen.

Dass Innovationen in Deutschland trotz der Krise sprudeln, hat einen entscheidenden Grund: "Das schnelle Wachstum von Photovoltaik-Markt und -Industrie hat die Solarforschung beflügelt", erklärt ISE-Leiter Eicke Weber. So erhalten deutsche Institute inzwischen einen Großteil ihrer Aufträge von den expandierenden Photovoltaik-Herstellern - beim ISE liegt der Anteil an Industrieprojekten schon bei 40 Prozent. Dank der regen Nachfrage nach Forschungs- und Entwicklungsleistungen ist dessen Mitarbeiterzahl rasant gewachsen, haben auch Qualität und Tiefe der Forschung zugenommen. Das wiederum hilft der deutschen Solarwirtschaft, sich im harten internationalen Wettbewerb zu behaupten.

Wegbereiter für den Erfolg der deutschen Solarbranche ist die Politik: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz sorgt mit seinen garantierten Einspeisetarifen für Sonnenstrom für ein kontinuierlich starkes Marktwachstum. Bund und Europäische Union halten den dualen Innovationsmotor von Wissenschaft und Wirtschaft am Laufen, indem ihre Forschungsausgaben stetig steigern. Die meisten Fördergelder stellt das Bundesumweltministerium bereit: 2008 bezuschusste es Kooperationsprojekte von Wissenschaft und Wirtschaft mit rund 40 Millionen Euro.

Quelle: Spiegel Online

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