Das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen von Staaten im Umgang mit der Klimakrise ist ein Meilenstein im internationalen Klimaschutzrecht und Handlungsauftrag für Regierungen.
Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch sieht im am Mittwoch veröffentlichten Gutachten des IGH zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen von Staaten im Umgang mit der Klimakrise einen Meilenstein für ambitionierten Klimaschutz weltweit. Christoph Bals, Politik-Vorstand von Germanwatch: „Dies ist ein Meilenstein, der die internationale Verpflichtung der hochemittierenden Staaten zu Klimaschutz und Schadensbewältigung stärkt – trotz des Gegenwindes vor allem aus den USA. Zum ersten Mal legt das höchste Gericht der Vereinten Nationen dar, dass Staaten völkerrechtlich verpflichtet sind, Klimaschäden global zu verhindern, durch Anpassung einzudämmen und für trotzdem entstehende Schäden aufzukommen – und das nicht nur abstrakt, sondern ganz konkret.
Die Bundesregierung muss das Völkerrecht ebenso wie den
verfassungsrechtlichen Klimabeschluss von 2021 respektieren und das
IGH-Gutachten nun zum Maßstab ihrer Klimapolitik machen. Es geht dabei
um ernsthafte und zügige Emissionsminderung zu Hause, regelmäßige
Aufstockung der Finanzierung für Klimaschutz und -anpassung sowie für
Verluste und Schäden in den besonders betroffenen Regionen des globalen
Südens.“
Francesca Mascha Klein, Rechtsreferentin bei
Germanwatch, ergänzt: „Deutschland ist verfassungsrechtlich
verpflichtet, auch international ausgerichtet zu handeln und seinen
Beitrag zum globalen Klimaschutz zu leisten. Diese Pflicht ergibt sich
aus dem Klimaschutzgebot des Grundgesetzes und sie bindet jede
Bundesregierung. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2021
unmissverständlich klargestellt, dass Deutschland ‚sich seiner
Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in
anderen Staaten entziehen‘ kann. Der Hinweis von Bundeskanzler Merz,
dass Deutschland aktuell nur für rund zwei Prozent der weltweiten
Emissionen verantwortlich sei, zielt deshalb ins Leere.“
Haftbarkeit für Großemittenten bereits juristisch bestätigt: Das
Gutachten des IGH fügt sich in eine ganze Reihe bahnbrechender
Klima-Urteile. Erst im Mai hatte das Oberlandesgericht Hamm im Fall Saúl
Luciano Lliuya gegen RWE bestätigt, dass Großemittenten zivilrechtlich
für die Folgen der Klimakrise haftbar gemacht werden können. Anfang Juli
hat zudem der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte die
Klimakrise offiziell als Menschenrechtsnotstand anerkannt.
Der
IGH hat in seiner Stellungnahme diese Sichtweise bekräftigt und
stellt klar: Staaten haben konkrete rechtliche Pflichten, um
klimawandelbedingte Schäden zu verhindern und sie müssen entsprechende
rechtliche Vorgaben für Unternehmen treffen. „Entscheidend ist, dass der
IGH heute festgestellt hat, dass völkerrechtswidrige Klimapolitik
Konsequenzen hat und Staaten mit hohen Emissionen künftig mit Finanz-
und Schadensersatzforderungen konfrontiert werden können“, so Klein.
„Gerichte in aller Welt werden in Verfahren zum Schutz von Betroffenen
der Klimakrise die Wertung des IGH berücksichtigen müssen und das Recht
im Einklang damit auslegen.“
Das bedeutet auch: Die
EU und die Bundesregierung müssen jetzt handeln. „Es braucht auf
nationaler Ebene einen effektiven Steuerungsmechanismus im
Klimaschutzgesetz sowie insbesondere Maßnahmen zur Emissionsreduktion
für Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft“, so Laura Schäfer,
Bereichsleiterin für Internationale Klimapolitik bei Germanwatch. „Das
gebieten Völker- und Verfassungsrecht und das machen wir mit unserer
aktuell anhängigen Verfassungsbeschwerde geltend. Außerdem muss die
internationale Klimafinanzierung deutlich gestärkt werden – auch für
den Umgang mit Verlusten und Schäden.
Zudem braucht es einen klaren Mechanismus, um große Emittenten angemessen an den Kosten der Klimakrise zu beteiligen. Das könnte zum Beispiel ein Klima-Fonds sein, in den fossile Unternehmen einzahlen um mit dem Geld den Umgang mit Klimawandelfolgen zu finanzieren – wie er erst letztes Jahr in New York etabliert wurde. Spätestens zur nächsten Weltklimakonferenz in Brasilien (COP30) muss die Bundesregierung zeigen, dass sie bereit ist, ihrer rechtlichen und politischen Verantwortung gerecht zu werden.“
Zur anhängigen Verfassungsbeschwerde „Zukunftsklage“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen