Sonntag, 29. Mai 2011

Die Rolle der Sonne

Die Natur lebt mit dem Rhythmus der Sonne. Was heute naturwissenschaftlich, rational, mit viel mathematischen Formeln und Gesetzmässigkeiten beschrieben wird, war in den frühen Zeiten unserer Kulturgeschichte Gegenstand der Mystik. Die Sonne als Gott; die Sonne als Taktgeber von Geburt und Tod mit jedem Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Die Sonne als Symbol, dank ihrer Kraft die Wahrheit an den Tag zu bringen. Unzählige Redewendungen, Gedichte und Geschichten zeugen davon, dass das grösste Atomkraftwerk, welches die Erde in Trab hält, einen Glanz hat, der weit über deren physikalischem Wesen hinausreicht. Quasi ein Wort zum Sonntag, verfasst von Max Meyer und vorgetragen vom Solarpreisträger 2010 (siehe Bild Mitte) am Tag der offenen Tür in Wängi zur Eröffnung der grössten Photovoltaikanlage der Ostschweiz.

Während unsere frühen Vorfahren der Sonne huldigten und Opfer darbrachten, wurde die Sonne ab der industriellen Revolution zum einfachen Himmelskörper. Man begann es vorzuziehen, weit unter die Erdkruste zu bohren und das schwarze Zeitalter nahm seinen Lauf. Die im Untergrund versenkte Sonnenkraft von Millionenjahren wurde reaktiviert und trieb diejenigen Maschinen an, welche unsere Muskelkraft ersetzen, uns Wohlstand, materiellen Überfluss, aber immer mehr auch eine nie dagewesene Umweltschädigung brachten. Die einzigen Sonnenanbeter traf man an den Sandstränden an, um sich vom hektischen modernen Alltagsleben ein Stück Natur zurückzuholen.

Dann kam der wohl genialste Geist des letzten Jahrhunderts, Albert Einstein, und entdeckte die Möglichkeit, aus Sonnenlicht Elektrizität herzustellen. Dafür erhielt er den Nobelpreis in Physik. Es dauerte dann allerdings noch recht lange, bis die Photovoltaik marktfähig wurde.

Anstelle einer positiven Aufnahme der neuen Technik huldigt man bis heute weiter dem schwarzen Gold. Es lässt sich damit für eine kleine Zahl von Ländern, Firmen und Leuten mehr Geld verdienen. Die ersten modernen Sonnenpioniere traten als naturverbundene, mit Sonnenblumen geschmückte Menschen auf, welche den Anschein erweckten, irgendwie ausserhalb der durchorganisierten Gesellschaft zu stehen. Das Bild des Birkenschuhe tragenden, in selber gestrickten Jacken steckenden Solarmenschen war geboren. Die wirtschaftliche Elite, das festgefügte Establishment, lehnte die Lebensweise und die Denkhaltung der aufkommenden Sonnenanwender ab.

Der ideologische Trennstrich zwischen „offizieller“ Wirtschaft und naturverbundener Opposition war geboren. In der Schweiz ist er noch nicht überwunden. In anderen Ländern spricht man: das ist Markt und Geschäft, wenn es um die Solarenergie geht.

Und wo stehen wir heute? Die Sonne hat Halbzeit. Sie steht uns noch für rund 4.5 Milliarden Jahre zur Verfügung. Die Verfügbarkeit von Erdöl, Kohle und Uran reicht je nach Quelle nur noch für eine überblickbare Zukunft. Der Zenit der Erdölförderung ist erreicht oder dürfte bald erreicht sein. Innerhalb von einem Prozent der eigentlichen Kulturgeschichte der Menschheit haben wir bereits über 50 Prozent des vorhandenen Erdöls verbraucht. Gemäss dem Chef von Shell fällt die Produktion jährlich um 5 %. Gewaltige Investitionen in die Exploration neuer Vorkommen sollen dies kompensieren. Die Nachfrage steigt unabhängig davon in gewaltigen Dimensionen. In einem kürzlich erschienen Artikel in der NZZ meinte der Chef von Shell, dass sich die Nachfrage nach Energie bis 2050 verdoppeln oder sogar verdreifachen dürfte und weiter, dass sich der tägliche Verbrauch von Erdöl seit dem Zweiten Weltkrieg von 6 Mio. auf bis zu 87 Mio. Fass erhöht hat.

Die weitgehende Koppelung zwischen Wirtschaftswachstum, Wohlstandsentwicklung –immer nach rein ökonomischer Zählmethode – und Fremdenergieverbrauch wird dadurch untermauert. Es gilt ein einleuchtendes, einfaches ökonomisches Gesetz: Unser gegenwärtiger Wohlstand beruht auf dem Ersatz der Muskelkraft durch Fremdenergie. Zu dieser Gesetzmässigkeit fügt sich ein weiteres Gesetz, nämlich dasjenige, dass Wirtschaften nichts anderes bedeutet, als der rationale, systematische Umgang mit Knappheit. Wirtschaften heisst immer entscheiden, heisst Zumessung von Ressourcen für auszuwählende Bedürfnisse.

Wenn man sich diese Grunderkenntnisse vor Augen führt, kann man ermessen, warum die Energiepolitik heute den wohl bedeutendsten Stellenwert innerhalb unserer gesellschaftlichen Fragestellungen einnimmt.

Wir haben heute Nachmittag das Glück, vor einem vorbildlichen Sonnenkraftwerk zu stehen. Jedermann ein Dach über dem Kopf, gilt auch heute noch als wünschenswerte Grundversorgung für alle Menschen. Wir können diese Idee ausdehnen und postulieren: über jedem Kopf ein Dach als Kraftwerk.

Von Johann Wolfgang Goethe ist folgende Erkenntnis überliefert: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nahe? Ist das nicht auf das Wesentliche reduziert, schnörkellos formuliert und überzeugend, was wir heute von der Politik und von den wirtschaftlichen Entscheidungsträgern erwarten dürften? Ich sage bewusst nicht „fordern“ sollten, denn ich gehe davon aus, dass die Ereignisse der letzten Monate, aber auch ein analytisches, systematisches, faktenbasierten logisches Vorgehen dazu führen wird, dass wir zu einer Energiepolitik finden werden, welche den Hauptakzent auf die Nutzung der erneuerbaren Ressourcen legt.

Der bekannte Zukunftsforscher Lars Thomsen meinte kürzlich in einem Vortrag, dass die Zukunft der Solaranwendung gehöre. Wir würden uns dabei an einem „Tipping Point“, einem Wendepunkt befinden, welcher völlig neue Marktperspektiven eröffnet.
Notwendigkeit, resultierend aus der Verknappung endlicher Ressourcen, Einsicht, dass unser Planet Schonung braucht, wenn wir darauf weiterhin leben wollen, verbunden mit dem faktischen Beweis, dass die technische Anwendung der Sonnenenergie für Zwecke der Stromerzeugung und der Warmwasser- und Heizungsunterstützung einen Reifegrad erreicht hat, welcher eine breite Anwendung nahe legt, führen dazu, dass die Solarbranche die Branche mit den grössten Zukunftschancen ist. Die Wachstumsraten, weltweit, belegen dies.

Wissenschaftlich fundierte Prognosen zeigen, dass bis zum Jahre 2100 – unsere Enkel können dann noch leben – die Solarenergie, thermisch und photovoltaisch, zur meist genutzten Energie werden wird. Die Kernenergie, welche weltweit heute rund 2 % der Stromversorgung ausmacht, wird im Verhältnis der Solarenergie ein Schattendasein fristen. Ein grosses Wachstum in den nächsten 30 Jahren bis zur Erreichung eines Plafonds wird auch die Windenergie aufweisen. Bezogen auf Europa, die EU, gilt, dass bereits im Jahre 2009 über 62 Prozent der in der EU neu installierten Kraftwerksleistungen auf erneuerbare Energien entfielen.

Noch einige aktuelle Zahlen: Im Jahre 2010 sind weltweit Photovoltaikanlagen mit 16.6 Gigawatt (GW) – ein Watt entspricht der Leistung unseres Herzschlages – an die Stromnetze angeschlossen worden. Das sind doppelt so viel wie im Jahre 2009. Für das Jahr 2011 erwartet der europäische Photovoltaik Branchenverband neu installierte Photovoltaikanlagen zwischen 13.3 und 21 Gigawatt. Entscheidend sind die Systeme der Einspeisevergütung.

Allein in Deutschland wurden Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von 7408 MW im Jahresverlauf 2010 in Betrieb genommen. Grosse Zuwachsraten verzeichnen unsere Nachbarn Italien und Frankreich.

Für die Schweiz gilt, dass bezogen auf den Strommix, gegenwärtig erst rund 0.1 % auf Wind- und Solarstrom entfallen. Der Atomstrom macht weiterhin rund 40 %, die Wasserkraft rund 56 % aus. Trotz einer weiterhin zunehmenden Stromnachfrage könnte der Strommix im Jahre 2030 in der Schweiz, sofern die Weichen entsprechend gestellt werden, wie folgt aussehen: 45 % Wasserkraft, 25 % Solarstrom von Dächern und Fassaden und 0 % Atomstrom. Ich zitiere sinngemäss Solarmedia: Wenn in der Schweiz auf allen geeigneten Dächern Solaranlagen installiert würden, würden diese gleich viel Strom wie alle fünf Schweizer AKW produzieren. Obschon nachvollziehbare Szenarien mit entsprechenden Massnahmenkatalogen vorliegen, wird weiterhin seitens vieler Wirtschaftsvertreter und der Grossversorger von Elektrizität behauptet, dies seien Utopien. Wie könnte man aus dieser Sackgasse herausfinden? Das Rezept ist einfach, auch wenn aufgrund politischer Sklerose nicht einfach umzusetzen.

Erlauben Sie mir eine Kurzskizze. Die Ziele der Energiepolitik sind im Grunde genommen unbestritten. Sie lauten: Die Schweiz braucht eine sichere, umweltfreundliche, nachhaltige und auch wirtschaftlich günstige Energieversorgung. Die Abhängigkeit vom Ausland muss reduziert werden, die Energietrendwende ist unausweichlich. Ist man sich über das Ziel einig, sollte es unter Anwendung sachbezogener Vorgehen möglich sein, Wege zur Zielerreichung aufzuzeigen. Für alle vorhandenen Energiequellen sind die Potenziale auszuweisen – eigentlich sind diese Zahlen vorhanden - , anschliessend ist anzugeben, welche Kosten deren Anwendung insgesamt, d. h. bei einer Vollkostenrechnung einschliesslich der von einzelnen Ressourcen verursachten externen Kosten anfallen, in welchen zeitlichen Schritten die entsprechenden Ressourcen in Anspruch genommen werden können und welchen Beitrag diese an die prognostizierte Nachfrage leisten können.

Innerhalb dieser Vorgehensweise ist die Betonung der Vollkostenrechnung unter Einschluss umweltrelevanter Drittwirkungen, welche von der jeweiligen Technologieanwendung ausgehen, zentral. Dieses Postulat ist ein urliberales Anliegen. Es berücksichtigt das Postulat des Knappheitsgesetzes und steht in Übereinstimmung mit dem Anliegen der Selbstverantwortung und der Verursacherfinanzierung.

Noch ein Blick in die unmittelbare Gegenwart. Die Anwendung der Solartechnik, insbesondere der Photovoltaik, stösst zurzeit an Grenzen, bedingt durch die Rahmenbedingungen der Schweiz. Am eindrücklichsten zeigt sich dies in einer Warteliste bei der Kostendeckenden Einspeisevergütung, welche zurzeit rund 10 000 Gesuche umfasst. Das Bundesamt für Energie ist zurzeit nicht in der Lage anzugeben, wie lange es voraussichtlich dauern wird, bis dieser Pendenzenberg abgetragen werden wird.
Konkret bedeutet dies, dass es eine grosse Anzahl von Investoren gibt, welche bereit sind, auf ihren Dächern Solarstromwerke zu installieren, hingegen aufgrund der Bundesrestriktionen daran gehindert werden. Im Gegensatz zu europäischen Nachbarn kennt die Schweiz ein System der Deckelung bei der Einspeisung.

Es wäre daher sinnvoll, diesen Deckel aufzuheben, wobei gilt, dass die regelmässige Absenkung der Vergütungsansätze aufgrund der technisch-wirtschaftlichen Entwicklung bis hin zur Netzparität aufrecht gehalten werden muss. Dies bedeutet, dass in einigen Jahren die Photovoltaik ohne Subventionen marktfähig ist. Ich erlaube mir den Hinweis, dass andere Energiequellen bisher mit Milliardensubventionen unterstützt worden sind. Es mutet daher geradezu grotesk an, wenn bekannte Wirtschaftsführer kürzlich postulierten, dass sich erneuerbare Energien am freien Markt ohne Subventionen durchzusetzen haben. Das werden sie in absehbarer Zeit. In der Zwischenzeit sind Unterstützungen im Sinne von Anschubhilfen sinnvoll. Warum dieses Credo nicht generell vorgetragen wird, zeigt, dass der ideologische „Sonnenblumengraben“ in den Köpfen einiger bedeutender Entscheidungsträger noch nicht überwunden ist.

Zum Schluss: Sehr geehrte Anwesende. Die Solartechnik ist auf einem hohen Stand. Den Beweis dafür sehen Sie vor sich. Die Entwicklung geht rasant weiter. Die Kosten für die Anwendung der Solartechnik sinken und der Zeitpunkt der Netzparität naht. Die Anwendung der Solartechnik erfordert keine neuen, bisher unverbauten Flächen. Die dezentrale Anwendung entspricht am ehesten den Idealen einer funktionierenden Marktwirtschaft, da dadurch keine Abhängigkeiten von Grosskraftwerken bestehen, die Versorgungssicherheit erhöht wird, die Auslandabhängigkeit - wir zahlen pro Jahr rund 10 Milliarden CHF an die Erdölpotentaten – reduziert wird und Arbeitsplätze in einer High-Tech-Branche im Inland geschaffen werden. Macht die Dächer und Fassaden zu Kraftwerken ist daher ein Anliegen, welches sowohl wirtschaftliche, ökologische als auch politische Aspekte berücksichtigt.

Es liegt an uns allen, zunächst einmal als Stromkonsumenten beim Bezug von Ökostrom, als Hauseigentümer, als politisch Verantwortliche die Energiewende energisch und harmonisch ohne Verwerfungen voranzutreiben. Die Solartechnik steht dabei Pate.

Diverse Quellen, u. a. Solarmediea Guntram Rehsche,
Neue Energie für die Schweiz, Magazin für erneuerbare Energien

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