Die
streitbare und unterdessen in internationalen Gremien sehr prominente Ökonomin Mariana Mazzucato
hat den Weg zu einer neuen Wirtschaft beschrieben. Er soll von einer
Mission beseelt sein, um erfolgreich zu verlaufen. Einiges bleibt
allerdings auch nebulös.
Es ist Vietnam, das mit dem Virus offenbar erfolgreicher umgegangen ist als viele andere Nationen. Der Regierung gelang es dort praktisch über Nacht, trotz vergleichsweise schlechten Startbedingungen kostengünstige Testkits zu entwickeln, die in der Folge Vietnams erfolgreiche Bewältigung der Virenkrise ermöglichten (gemäss Johns Hopkins Universität bis Ende Mai 2021 nur rund 5000 Ansteckungen und 41 Todesfälle). Das geschah dank der Mobilisierung für ein gemeinsames Ziel, welche Universitäten, Militär, Privatsektor und Bürgergesellschaft umfasste. Sie alle verfolgten eine Mission, dank der es gelang, mittels höherer Ausgaben der öffentlichen Hand die Investitionstätigkeit im privaten Sektor zu stimulieren.
Als Beispiel für das Verfolgen einer Mission dient Mezzucato in der Folge aber in erster Linie das US-Raumfahrtprogramm, welches in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die unglaubliche Leistung erbrachte, Menschen auf den Mond (und wieder auf die Erde zurück) zu bringen. Und fast jedem / jeder dürfte einleuchten, dass die Verfolgung der nachhaltigen Entwicklungsziele der UNO die eine aktuelle Mission der Gegenwart darstellt - die anderen sind die Bewältigung der Coronakrise einer-, der Klimakrise andererseits. In jedem dieser Krisenfälle gilt es sich zu fragen, welche Rolle der Staat in der Wirtschaft spielen sollte. Das ganze Anliegen wäre müssig, glaubte man nur an dessen untergeordnete Rolle. Nein! Mazzucato plädiert, wie sie das im Einzelfall früher schon getan hat, eben für eine aktive, voraus schauende, gestaltende Rolle von eben diesem - eben einer Mission. Sonst werde das gar rein nichts mit der Krisenbewältigung.
Die im Buch umfassend beschriebenen Erkenntnisse aus der Raumfahrt in Ehren - hier sei nur diese eine zitiert: «Was wir heute dringend brauchen, ist ein missionsorientierter Ansatz - Partnerschaften zwischen öffentlichem und privatem Sektor zur Lösung sozialer Schlüsselprobleme.» Daraus lässt sich ableiten - und das unterscheidet Mazzucato in ihrer ganzen ökonomischen Forschung von einer rein linken Sicht - dass sie dem privaten Sektor eben auch eine wichtige Rolle zubilligt - beide Bereiche quasi auf eine Stufe stellt. Was auch nicht ganz neu ist, sich sowohl im ökonomischen wie im politischen Diskurs bislang aber nicht durchgesetzt hat. Die neuartige Regelung der Beziehungen zwischen öffentlichem und privatem Sektor unter dem Aspekt des öffentlichen Zwecks zu überdenken, führt sodann zu neuem Wachstum (und Wohlstand, den die Autorin in diesem Moment aber unerwähnt lässt). Und damit wären wir eben wieder bei dem Sachverhalt, der sich schlicht und ergreifend als Mission umschreiben lässt. Für weniger Begeisterung sorgen dürfte alsdann, dass Mazzucato den CEO des weltgrössten Vermögensverwalters Black Rock als neues Beispiel eines «missionarischen» Unternehmens anführt, weil dieser u.a. in seinem Jahresbrief an 500 CEO's schrieb, «ohne Sinn für den Zweck kann kein Unternehmen, ob öffentlich oder privat, sein volles Potenzial entfalten».
Unstrittig
dürfte im übrigen der Befund von Mazzucato sein, dass der Kapitalismus
schon vor der Coronakrise im Jahre 2020 festgefahren war. Die Krisen der
letzten 30 Jahre und insbesondere die unbewältigte Klimakatastrophe
einer- die wachsende Ungleichheit andererseits sind beredtes Zeugnis.
Diesen Krisen gemein war stets die untergeordnete Rolle, die man dem
Staat zuschrieb. Wohl kein Zufall, dass auch jetzt wieder vor der
Abstimmung über das schweizerische CO2-Gesetz einer der
Kritikpunkte ist, dass dem Staat eine zu grosse Rolle zugebilligt werde
und das ja nicht gut gehen könne. Dabei hat er zweifellos zur Genüge
bewiesen, dass er äusserst innovationsfördernd sein kann (das natürlich nicht immer ist - was ja auch für den Privatsektor gilt).
Missionsorientierte
Politiken auf der Erde (und eben nicht nur in der Raumfahrt) lassen
sich fast unendlich viele finden (vielleicht ist genau das auch das
Problem, dass es nicht geschieht, meint auf jeden Fall der Rezensent).
Die schon erwähnten 17 UN-Nachhaltigkeitsziele gehören ewa dazu. Zur
Auswahl schreibt Mazzucato dann, «eine Mission müsse kühn, inspiriert
und von breiter gesellschaftspolitischer Relevanz» sein, mit einer
klaren Richtung, messbar und zeitgebunden. Und doch auch etwas beliebig.
Im Hinblick auf die Mission der Etablierung einer «Solarwirtschaft»
beziehungsweise der Energiewende, die dieser Blog seit nunmehr zwölf
Jahren auch mitbetreibt, ist der Hinweis von Bedeutung, man müsse
gefälligst Bürger*innen bei der Lösung der grossen gesellschaftlichen
Herausforderungen mit einbeziehen. Wobei es dann auch noch gilt, diese
aus der Abhängigkeit von der Kernenergie zu befreien.
So liesse sich das Buch auch als Streitschrift für das CO2-Gesetz respektive für einen starken Staat, der von einer Mission beseelt ist,
lesen. Nur werden es die wenigstens gerade im Hinblick darauf zur Hand
nehmen. Irgendwo im Text (S.29) schreibt Mazzucato dann noch, dieses
Buch verstehe sich in erster Linie als Anleitung, wie wir Kapitalismus
anders «machen» können. Ob wir das wirklich können angesichts der
Systemzwänge dieses immer mächtigeren Wirtschaftssystems, bleibt zu
beweisen. Hier liesse sich dann vielleicht der Wahlspruch von Barack
Obama anfügen «yes we can». Ihm selbst gelang es eher weniger.
Mariana Mazzucato: Mission - Auf dem Weg zu einer neuen Wirtschaft, Campus Verlag, 2021, ca. 38 CHF
Rezensionen zu weiteren einschlägigen Büchern auf Solarmedia siehe > hier
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