Die Schweiz werde bis 2035 ausreichend Strom zur Verfügung
haben – sofern die Integration in den europäischen Strommarkt gelingt,
die Energieeffizienz gesteigert wird und der Anteil an erneuerbaren
Energien wächst. So lautet das Fazit einer Studie, welche
Bundespräsidentin Doris Leuthard und Benoît Revaz, der Direktor des
Bundesamts für Energie, am diesjährigen Infrastrukturtag des
Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und
Kommunikation (UVEK) vorgestellt haben.
Ausgangspunkt der Tagung unter dem Titel
„Strommarktdesign – die Herausforderungen“ war die Frage nach der
langfristigen Sicherstellung der Stromversorgung mit den Voraussetzungen
des heutigen Marktumfeldes. Die Stromversorgung der Schweiz müsse
sicher sowie wirtschaftlich und umweltverträglich sein, sagte
Bundespräsidentin Leuthard. Dabei sei der gegenwärtig tiefe CO2-Anteil
am Schweizer Energiemix zu wahren, was einen Ausbau der erneuerbaren
Energiequellen erfordere. Gestärkt werde die Versorgungssicherheit durch
eine gute Vernetzung mit den Nachbarländern: „Es ist in unserem
Interesse, beim Stromhandel grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten.
Wird
die Zusammenarbeit innerhalb der EU institutionalisiert, könnte die
Schweiz den Anschluss verlieren“, warnte die UVEK-Vorsteherin. Der
Strommarkt der Zukunft muss überdies neue dezentrale Produktionen
integrieren, Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, neue Akteure,
Tarife und Zahlungssysteme möglich machen und der Innovation genug Raum
verschaffen. Dafür brauche es etwa einen funktionierenden europäischen
Emissionsmarkt, einen Abbau von Markthemmnissen, Speicherlösungen und
einen Ausbau des Übertragungsnetzes, führte die Bundespräsidentin aus.
EU interessiert an Abschluss des Stromabkommens: Die
europäische Perspektive brachte Oliver Koch ein, der stellvertretende
Referatsleiter im Generaldirektorat Energie der EU-Kommission. Die
Reformen und Umbrüche auf dem EU-Strommarkt – insbesondere die
Umstellung auf erneuerbare Energien – seien im nationalen Alleingang
kaum in bezahlbarer Weise zu bewältigen. Die enge Zusammenarbeit im
europäischen Netzverbund könne sicherstellen, dass Strom jederzeit
überall verfügbar sei – auch wenn im eigenen Land einmal nicht die Sonne
scheine und kein Wind wehe, führte Koch aus. Mit der Umstellung auf
erneuerbare Energien würden auch die Vorteile einer engeren Kooperation
zwischen der EU und der Schweiz im Strombereich immer deutlicher. So
können Stromimporte aus der EU dazu beitragen, die Umstellung auf
erneuerbare Energien ohne Versorgungsengpässe zu bewältigen. Die EU
profitiere ihrerseits von dem gut ausgebauten Schweizer Stromnetz und
den zahlreichen Wasserkraftwerken, die bei ausbleibendem Wind oder
Sonnenschein als Puffer dienen können. Erschwert werde die gemeinsame
Nutzung des Verbundnetzes allerdings durch das Fehlen eines
Stromabkommens. Da die Vorteile eines Abkommens aber Jahr für Jahr
greifbarer würden, zeigte sich Koch zuversichtlich, dass es gelingen
könne, ein solches Abkommen „zeitnah“ abzuschliessen.
Für Benoît
Revaz, den Direktor des Bundesamts für Energie, ist die heute
publizierte Studie zur „System Adequacy“ eine wichtige Grundlage zur
Beurteilung der Stromversorgungssicherheit. Die Studie zeige anhand
mehrerer Entwicklungsszenarien, dass die Versorgungssicherheit bis 2035
gewährleistet ist. Dies gelte auch für den Fall, dass in der Schweiz und
den umliegenden Ländern eine rasche Transformation in Richtung
erneuerbare Energien erfolge. Die Schweiz habe auf absehbare Zeit kein
Leistungsproblem, so dass ein Kapazitätsmechanismus weder sinnvoll noch
notwendig sei. Die langfristige Versorgungssicherheit könne
marktorientiert und im Verbund mit unseren Nachbarstaaten sichergestellt
werden. Gemäss Revaz müsse das Ziel des neuen Marktdesigns die Stärkung
des Marktes und die Integration in die umliegenden Märkte sein. Zur
Stärkung der Marktsignale und der Effizienz sei die volle Marköffnung
ein wichtiges Element. Um die Energieverfügbarkeit auch in extremen
Situationen zu gewährleisten, sei zudem eine strategische Reserve als
zusätzliches Sicherheitselement zu einem starken „Energy Only“-Markt zu
prüfen.
Energieeffizienz auch in Zukunft zentral: Martin
Patel, Professor für Energieeffizienz an der Universität Genf,
referierte über die bereits in mehreren Ländern eingeführten
Energieeffizienzverpflichtungen (EEO, „Energy Efficiency Obligations“).
Es kann als ein System beschrieben werden, das eine Steuer mit
Subventionen kombiniert: Die Energieversorger sind berechtigt, den
Energiepreis ihrer Kunden um einen Aufschlag zu erhöhen, mit dem sie
Energieeffizienzmassnahmen durchführen. Eine mit EEO operierende
Energiepolitik könnte auch für die Schweiz von Interesse sein, sagte
Patel – werde damit doch die stabile Finanzierung der Energieeffizienz
in einem freien Markt abgesichert. EEO könnten sich eignen als eines der
Instrumente, die den schrittweisen Übergang von einem Subventions- zu
einem Anreizsystem ermöglichen.
Auf dem Podium diskutierten Yves
Zumwald, CEO von Swissgrid, Thomas Sieber, Verwaltungsratspräsident der
Axpo Holding AG, Regierungsrat Mario Cavigelli (GR), Präsident der
Konferenz der kantonalen Energiedirektoren, Michael Wider, Präsident des
Verbandes schweizerischer Elektrizitätsunternehmen sowie Renato Tami,
Geschäftsführer der Eidgenössischen Elektrizitätskommission.