Es gehört ein rechtes Stück Unverfrorenheit dazu,
was sich die alteingesessene Stromlobby angesichts der Coronakrise leistet! So
lässt Hans-Ulrich Bigler, Gewerbeverbandschef und oberster Atomlobbyist der
Schweiz, im heutigen Tages-Anzeiger das Atom-/Wasserkonstrukt der
CH-Stromwirtschaft hochleben. Und andrerseits pissen die nimmermüden Kritiker
der Energiestrategie ebendieser mal wieder so richtig ans Bein. Denn noch
schlimmer als das Virus sei bekanntlich der drohende Blackout – also ein
schweizweiter und lange andauernder Stromausfall, wie ihn der Bundesrat als
grösstes Gesellschaftsrisiko definiert habe. Ein Solarmedia-Kommentar.
Hans-Ulrich Bigler stimmt das hohe Lied der Atomwirtschaft an - Vergrössern mit Klick auf Bild ! |
Es ist absehbar, dass nach durchstandener
Virenkrise die Atomfrage wieder auf den Tisch kommt hierzulande. Aber statt sich in eine erneut ellenlange
Diskussion für oder wider Atomenergie einzulassen, soll die Diskussion
fokussiert sein auf die Realiserung der Energiestrategie – die vom Schweizer
Volk grossmehrheitlich vor nunmehr drei Jahren beschlossen wurde. So schwierig
dürfte das gar nicht sein, denn unterdessen wissen wir – durch viele
Wissenschafter im Rahmen von Nationalfonds-Studien belegt – dass diese
Energiestrategie bis zu den Wegmarken in den dreissiger und anfangs der
fünfziger Jahre realisierbar ist. Dafür braucht es viele Stellschrauben – die
wichtigste ist die uneingeschränkte und vehemente Förderung der Solarenergie.
Was Mitte des letzten Jahrhunderts für die Schweiz das Projekt Wasserkraft
darstellte (und wofür erhebliche Mittel der gesamtwirtschaftlichen Leistung
aufgewendet wurden), ist in der ersten Hälfte des 21sten Jahrhunderts der
Übergang zur Nutzung der Energie der Sonne – für Wärme ebenso wie für Strom.
Angesichts des Aufwands für
die aktuelle Krisenbewältigung, aber auch für eine sowieso notwendige
Erneuerung der Elektrizitätswirtschaft mit einer anderen Technologie, ist es ein
Irrglabe, der Weg in die Solarwirtschaft sei besonders teuer. Nehmen wir etwa
den Vorschlag des einschlägigen Fachverbands Swissolar und dessen Präsidenten
Roger Nordmann, so würde die Installation von 50 Gigawatt Leistung im
Solarbereich etwa jene 50 Milliarden kosten, die wir für Corona (mindestens)
aufwerfen müssen – das aber verteilt auch einen Zeitraum von 30 Jahren und
nicht von drei bis sechs Monaten.
Schwach ist das Argument pro
Atom-/Wasserkraft zudem, weil bereits bekannt ist (>>> hier Bundesamt für Energie), dass der Stromverbrauch trotz Home-Office während der
ausgebrochenen Pandemie offensichtlich rückläufig ist. Zwar verlangen gewisse Applikationen
und der Fernunterricht mehr Strom, aber die zurückgebundene industrielle und
gewerbliche Tätigkeit nehmen überproportional ab.
Es
schleckt also keine Geiss weg – eine Krise wie die aktuelle Pandemie verbraucht
erstens nicht mehr, sondern tendenziell weniger Strom. Und zweitens wäre der
verbliebene Stromverbrauch angesichts der allgemeinen Krisenumstände besser mit
einer dezentralen Stromversorgung – einer kombiniert solaren/hydrologischen –
besser gesichert als mit einer teilweise atomaren. Denn würde die Pandemie auch
noch die Atomwirtschaft beeinträchtigen, dann gute Nacht im wortwörtlichen
Sinne!