Samstag, 15. September 2012

15 bis 35 TWh – 25 bis 60 Prozent!

Nun ist es amtlich: Das Potential der Photovoltaik (PV), also der direkten Stromerzeugung aus Sonnenlicht, ist  in der Schweiz gemäss Bund riesig. Es reicht sogar so weit, dass Atomstrom einzig durch PV ersetzt werden könnte. Selbst auf Seiten der Stromunternehmen scheint ein Umdenken einzusetzen, etwa bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich (EKZ).

Dass derzeit ein Paradigmenwechsel in der Einschätzung der Solarenergie stattfindet, zeigte sich am Donnerstag an einer EKZ-Tagung. Die grosse Mehrheit der Referenten kam zu ähnlichen Resultaten wie die tagsdrauf veröffentlichte brisante Studie des Bundes. Nur Stefan Muster, Vertreter des Verbands der Schweizer Elektrizitätsunternehmen, mag noch nicht an das grosse Solarpotential hierzulande glauben. Er sieht vielmehr im Jahre 2035 erst ein bescheidenes Quantum als möglich an. 2050 dann allenfalls eine grössere Menge an Solarstrom – aber in einem an sich unerwünschten Szenario.  

Zubautempo und Speicherung von Solarstrom gelten zweifellos als neuralgische Punkte eines schnellen Ausbaus der Solarenergie in der Schweiz. Das EKZ erprobt auch hierzu – neben der Testanlage für Photovoltaikmodule – neue Lösungen. So wurde zusammen mit dem Elektrogiganten ABB auf dem Unternehmensgelände in Dietikon eine riesige Batterieanlage für Testzwecke erbaut. Ihre Kosten liegen derzeit zwar noch in astronomischen Höhen (1 Mio. für Batterie, 2,5 Mio. für Gesamtanlage). Sie könnte aber bereits heute den unregelmässig anfallenden Solarstrom für rund 40 Haushalte regeln (Bild: Guntram Rehsche).

Warum sich die Stromwirtschaft als bald letzte der neuen Erkenntnisse zum Solarpotential entzieht, mochte an der EKZ-Tagung ETH-Professor Konstantinos Boulouchos nicht beurteilen – aber seine Potentialanalyse bewegt sich in ähnlichem Rahmen wie jene des Bundes und weiterer Referenten. Kurz zusammengefasst: Zwischen einem Fünftel und drei Fünftel des Stromverbrauchs hierzulande könnten problemlos auf bestehenden Dächern erzeugt werden. Oder anders gesagt – es wäre möglich, allen Atomstrom mit solarem zu ersetzen.  

Im neuesten Bericht des Bundes «Das Potenzial der erneuerbaren Energien bei der Elektrizitätsproduktion»  heisst es denn auch: «Photovoltaikanlagen sollen vor allem auf bereits überbauten Flächen realisiert werden. Studien vom BAFU und der IEA10 weisen alleine für die Gebäudedächer ein sozial akzeptiertes Potenzial von 15 bis 35 Terawattstunden (TWh) Jahresproduktion aus. Freiflächenanlagen, wie sie in unseren Nachbarländern üblich sind und weitere Infrastrukturanlagen (Lärmschutzeinrichtungen, Überdachungen von Verkehrs- und Parkflächen) sind im Potenzial nicht eingerechnet. Mit den weiterhin stark fallenden Preisen für Photovoltaikanlagen wird es in einigen Jahren zum Standard gehören, eine PV-Anlage auf oder am Gebäude zu installieren. Die Module mit kristallinen Siliziumzellen (>90% Marktanteil) verwenden keine oder nur unbedeutende Mengen von seltenen Rohstoffen.»  

Und dann noch die Kosten von Atomausstieg und Energiewende – auch zu diesen wurden an der EKZ-Tagung Zahlen herumgereicht. Walter Steinmann, Direktor des Bundesamtes für Energie (BfE - siehe rechts), bezifferte sie auf deren 30 Milliarden für Energieeffzizenz-Massnahmen und Erneuerbare sowie rund 15 Milliarden Franken für die ohnehin nötige Erneuerung der Stromnetze. VSE-Vertreter Muster sieht wesentlich höhere Kosten, die die dreistellige Milliardengrenze ritzen dürften. Aber dass die Energiewende gratis zu haben sei, hat ja nun wirklich niemand behauptet. Zur weiteren Energiepolitik steht als nächstes die Veröffentlichung des Entwurfs zum neuen Energiegesetz an - terminiert auf Ende September.

5 Kommentare:

  1. Ich kenne Herrn Muster vom VSE nicht aber ich finde es schon sehr bedenklich wenn man glaubt, seine kritische Haltung bezüglich Potential der PV - auch vom zeitlichen Verlauf her - derart abschätzig und hervorgehoben in fetter Schrift einstufen zu müssen. Dies grenzt für mich schon bald an Meinungsterror. In der Schweiz haben wir aber zum Glück seit jeher Meinungsfreiheit.

    Ich finde es auch bedenklich dass W. Steinmann noch immer als Chef einer wichtigen Behörde im Amt ist nachdem er 2008 vom Bundesgericht im Rahmen einer Verantwortlichkeitsklage wegen angerichtetem Chaos beim Arbeitsamt des Kt. Solothurn rechtskräftig zu einer hohen Busse verurteilt worden ist. Für die wichtige Rolle, welche das BFE bei der Energiewende zu spielen hat bräuchte es meiner Meinung nach schon längstens einen neuen Chef.

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  2. Ich kenne Herrn Muster vom VSE nicht aber ich finde es schon sehr bedenklich wenn man glaubt, seine kritische Haltung bezüglich Potential der PV - auch vom zeitlichen Verlauf her - derart abschätzig und hervorgehoben in fetter Schrift einstufen zu müssen. Dies grenzt für mich schon bald an Meinungsterror. In der Schweiz haben wir aber zum Glück seit jeher Meinungsfreiheit.

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  3. @anonym
    Neben den beiden erwähnten Herren kenne ich auch Sie, da Sie anonym auftreten, nur soweit, dass ich weiss, dass Sie Frühaufsteher sind.
    Es liegt auf der Hand, dass die Stromkonzerne ihr Metier neben dem Auftrag zur Grundversorgung in erster Linie als ein Geschäft betrachten. Das lässt sich aus der wurstigen Kommentierung der nachlassenden Exporte von teuerem Mittagsstrom zweifelsohne heraushören: Bittere Tränen statt Freude über den Erfolg der deutschen Solar- und Windenergieproduktion. Eine Dezentralisierung der Stromproduktion ist komplizierter und unberechenbarer als das machtvolle Handling mit ein par wenigen Big-Shots. Kein Grund also, den Atomausstieg und alternative Energien zu untertützen. Es wundert mich nicht, dass die Stromkonzerne nach der ersten Lethargie nun beginnen mit ihren Muskeln zu spielen. Da wird noch einiges zu erwarten sein an Meinungsterror, den Sie völlig inkongruent diesem Blog anhängen.

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  4. vielen Danke .. Zum Thema, ich hoffe, mehr anzeigen

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  5. Eine kleine Rechnung: wenn die Sonne übers Jahr 35 TWh erzeugt, ist die Spitzenleistung in Sommer um Mittag etwa 30 GW - zwei Mal soviel wie die heutige Kapazität des Strom netzes. Wo soll der Ueberfluss hinfliessen? Batterien für 15 GW sind unbezahlbar. Die Stauseen werden nicht einmal den Nachtstrom liefern. Kapern ? dann werden die 35 TWh nie erreicht.

    Dann: der fehlende Strom muss in Winter von irgendwoher kommen. Gaskraftwerke oder Importe ? Denn die Stauseen sind in drei Wochen leer, wenn der Sonnenstrom ausfällt...

    Etwas mehr Bescheidenheit über das Potential der Sonne in der Schweiz spart Enttäuschungen. Warum wird Desertec nicht erwähnt ?

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