Donnerstag, 18. Juni 2009

Umstrittenes Wüstenkonzept

Auch wenn das 400-Milliarden Projekt deutscher Konzerne für Solarstromerzeugung aus Nordafrika - das sogenannte DESERTEC-Konzept - allenthalben (von der Bundesregierung bis zu Greenpeace) begrüßt werde, rät Eurosolar-Präsident Hermann Scheer von voreiligen und übertriebenen Erwartungen an dieses Projekt und diesbezügliche Subventionsentscheidungen ab. Unterschätzt würden die voraussichtlichen Kosten dieses Projektes ebenso wie die Zeiträume zu dessen Realisierung.

Ein zentraler Einwand ist: Bevor das Projekt zum Tragen gebracht werden kann, wird der weitere Ausbau der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien in Europa und auch in Deutschland zu niedrigeren Kosten und Preisen möglich sein als der Solarstromimport aus Nordafrika. In weniger als drei Jahren wird die Solarstromerzeugung in Deutschland die sogenannte "grid parity" Schwelle erreicht haben - also zu Kosten, die dem gegenwärtigen Strompreis entsprechen, zeigt sich Scheer überzeugt. Bei Windkraft sei im Verhältnis zu den Erzeugungskosten aus neuen fossilen Kraftwerken bereits jetzt eine ungefähre Kostengleichheit in der Stromerzeugung erreicht. Mit den neuen Stromspeichertechniken, die für die Informationstechnologie und für die Elektroantriebe entwickelt und produziert werden, werde sich das Speicherproblem von Solar- und Windstrom effizient und kostengünstig von selbst klären. Mit anderen Worten: Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Solarstrom aus Nordafrika zu den von DESERTEC versprochenen Preisen geliefert werden kann (also frühestens 2020), wird die Solar- und Windstromerzeugung hierzulande deutlich preisgünstiger sein.

Außerdem müsse stark bezweifelt werden, dass die von DESERTEC angegebenen Investitionskosten und Zeiträume tatsächlich eingelöst werden können. Die Kostenfaktoren unter den Randbedingungen von Wüstenkraftwerken (u.a. Schutz der Solarspiegel vor Sandstürmen und Sandwehen) werden grob unterschätzt, ebenso wie die Kosten und die Umsetzungsschwierigkeiten des Baus von mehreren Übertragungsnetzen durch mehrere Länder. Das DESERTEC-Projekt kann zu einer großen Subventionsruine werden und sich als "Fata Morgana" erweisen - es sei denn, es wird dazu benutzt, den dynamischen Ausbau Erneuerbarer Energien hierzulande willkürlich zu stoppen.

So gebe es denn nur einen Grund für dieses Projekt; wenn das Potential erneuerbarer Energien hierzulande nicht ausreichen würde. Mit diesem Argument werden auch die Laufzeitverlängerung der Atomenergie und neue Kohle-Großkraftwerke empfohlen. Doch diese Argumentation ist eine Potentiallüge, die gerade heute auf der Kasseler Konferenz "100%-Erneuerbare-Energie-Regionen" überzeugend widerlegt wird. Dort haben bereits 99 deutsche Kommunen und Landkreise ihre konkreten Konzepte vorgestellt, wie sie innerhalb von 20 Jahren zu einer Vollversorgung mit Strom aus Erneuerbaren Energien kommen können.

Solarstromerzeugung in Nordafrika sei gemäss Hermann Scheer eine wichtige Option - und zwar für die nordafrikanischen Länder selbst. Aber auch für diese ist die verbrauchsnahe Erzeugung - also die dezentrale - das sehr viel naheliegendere und schneller realisierbare. Wer etwas von Solarenergie versteht, der weiß, dass es massive - und nicht zuletzt wirtschaftliche - Gründe gibt, nicht die Struktur von atomaren und fossilen Großkraftwerken zu kopieren. Diese Struktur war und ist das größte Hindernis gegenüber der Einführung Erneuerbarer Energien.

Quelle: Eurosolar

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