Mittwoch, 5. Januar 2011

Willkommen im Solarjahrzehnt!

Die nächsten zehn Jahre werden für einen sehr langen Zeitraum über die weltweite Energieversorgung entscheiden. Solarmedia stellt zehn Thesen in den Raum, wie sich diese Versorgung entwickeln könnte – vorausgesetzt, die Weichen werden richtig gestellt. Solarmedia und Autor Guntram Rehsche werden sich im neu angebrochenen Jahr mit dem eingeschlagenen publizistischen Weg weiterhin dafür einsetzen – und wünschen allseits ein gutes neues Jahr!



Gestern gelesen im Mamablog des Zürcher Tages-Anzeigers: «Das zweite Jahrzehnt des neuen Jahrtausends ist gerade ein paar Tage alt, liegt also noch in den Windeln. So schwierig es ist, sich die Zukunft eines Babys realistisch auszumalen, so gilt doch das Bonmot von Galsworthy: Wer nicht über die Zukunft nachdenkt, wird nie eine haben.» Das hat der Autor von Solarmedia ausführlich getan und stellt folgende Trends für die Entwicklung einer solaren Energieversorgung – und damit einer solaren Weltwirtschaft – in den Raum.

Solartrend Nr.1: Die Netzparität wird erreicht – und das schon bald. Netzparität bedeutet, dass Preis für Solarstrom ab der eigenen Solaranlage nicht mehr teurer ist als Bezug von Elektrizität aus dem Netz. Wie sieht das beispielsweise für die Schweiz aus? 25 Rappen beträgt der durchschnittliche Bezugspreis pro Kilowattstunde (20 Euroçents) – mit allerdings grossen Unterschieden je nach Landesregion. Eine PV-Anlage mittlerer Grösse lässt sich heute für 4-5000 Franken je Kilowatt-Leistung erstellen. Für eine Lebensdauer von 25 Jahren und die hiesige Sonneneinstrahlung ergibt das, bei einer aktuell tiefen Verzinsung und inkl. Wartungskosten, einen Preis von grosszügig gerechnet 30 Rappen pro Kilowattstunde. Mit anderen Worten – selbst in der Schweiz ist die Netzparität nicht mehr weit entfernt, in Ländern wie Italien, Spanien und Griechenland ist sie bei höherer Sonneneinstrahlung und auch höheren Energiepreisen bereits erreicht.

Solartrend Nr. 2: Neue Märkte erlangen ungeahnte Bedeutung: Wen wundert da, dass es genau in diesen Ländern rasant voran geht mit der Einführung photovoltaischer Anlagen. Allen voran ist es Italien, welches 2010 zum zweitwichtigsten Weltmarkt wurde (mit gegen 2 Gigawatt an neu erstellter Leistung – siehe Solarserver vom 5. Januar 2010.) 2011 wird es in Italien nochmals zu einer Verdoppelung neuer Anlagen kommen – noch immer werden die Südländer dann die Nase vor den USA haben, die aber mit Riesenschritten aufholen. Das wird nicht nur Kalifornien zu verdanken sein, dessen neuer Gouverneur Jerry Brown soeben die Einführung eines Einspeisetarifs für den Sonnenstaat bekannt gegeben hat. Vielmehr geht es in den USA flächendeckend sowohl mit kleinen PV-Anlagen auf Hausdächern wie auch mit Grossanlagen voran – hinter denen nicht selten die Modulproduzenten wie First Solar oder Sunpower stecken. Da bleicht Deutschland zwar vorderhand unbestrittener Leader bei der photovoltaischen Stromerzeugung, aber diese Vorherrschaft dürfte mit dessen restriktiven Politik und den absehbaren Förderkürzungen ins Wanken geraten.

Solartrend Nr. 3: China erobert die Inlandnachfrage. Den chinesischen Solarproduzenten, von Wafern über Zellen bis zu Modulen, wurde bislang nachgesagt, sie produzierten vor allem für Auslandmärkte – vorab in Deutschland. Und profitierten von den dort üblichen hohen Vergütungen – ohne den Heimmarkt voranzutreiben. Ein Kapitel im lesenswerten Buch von Wolfgang Palz («Power for the World», erschienen bei Pan Stanford Publishing) belehrt eines Besseren: China hat unterdessen ein umfangreiches Programm zur Förderung Erneuerbarer Energien im Inland, wobei auch die Photovoltaik zunehmend eine grosse Rolle spielen soll.

Solartrend Nr. 4: Solarthermie hat wieder Fahrt aufgenommen. Sowohl die Märkte in der Schweiz wie in Österreich und Deutschland verzeichnen auf bereits ansehnliche Niveau weiterhin gesunde Wachstumsraten – wenn auch der Europäische Markt leidet (siehe Solarmedia vom 14. Dezember 2010). Die Erzeugung von Warmwasser und Heizwärme durch Sonnenkollektoren muss und wird auch in den kommenden Jahren eine zentrale Rolle beim Übergang zu den Erneuerbaren spielen – denn der Stromanteil am Gesamtenergieverbrauch liegt nach wie vor nur bei rund einem Viertel, vor allem die Wärmeerzeugung und die Treibstoffe stellen auf fossile und nukleare Energie ab.

Solartrend Nr. 5: Die Stromerzeugung erlangt eine immer grössere Bedeutung. Einerseits, weil es zunehmend eine Verlagerung hin zum Stromverbrauch gibt – Wärmepumpen etwa benötigen eine nicht unerhebliche Zufuhr, ebenso wie die elektrische Mobilität, die sich in den kommenden Jahren breit macht. Andrerseits sind die Erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne vor allem für die Stromerzeugung geeignet und werden ihren ökologischen Mehrwert gegenüber den konventionellen Energiequellen zunehmend ausspielen – abgesehen davon, dass letztere absehbar knapper und teurer werden (siehe Solarmedia vom 25. Dezember 2010).

Solartrend Nr. 6: Der Anteil des Solarstroms an der Gesamtstromerzeugung wächst rasant. Wenn das auch auf den ersten Blick wegen des tiefen Ausgangswerts als unbedeutend erscheint: Die Entwicklung hat bereits eingesetzt. Deutschland liegt bei über zwei Prozent, südliche Bundesländer wie Bayern und Baden-Würtemberg bei deren drei bis fünf. In der Schweiz waren es 2009 erst 0,078 - immerhin dürfte 2010 der Vorstoss in den Promillebereich gelungen sein – und wenn einmal alle Gesuche für eine kostendeckende Einspeisevergütung umgesetzt sind, wird auch hierzulande der Prozentbereich erreicht. Hängig sind derzeit Anträge für über 7000 Anlagen! Die Europäische Vereinigung für Solarenergie hält im Übrigen bereits 2020 einen Solaranteil von 12 Prozent auf dem Kontinent für möglich.

Solartrend Nr. 7: Atomstrom ist der grosse Konkurrent. Man lasse sich nicht einlullen von der Propaganda der Atomlobby zum billigen und sauberen Atomstrom. Irrig ist nämlich die Annahme vom sauberen AKW-Strom, wie von der Axpo stets propagiert. Nicht nur stimmen die sehr tiefen CO2-Werte nicht, die pro atomar erzeugte Kilowattstunde herum geboten werden. Vielmehr muss eine Gesamtumweltbilanz erstellt werden: Sie zeigt, dass AKW-Strom wegen ungelöster Abfallprobleme (Atommüll) wie auch wegen der völlig ungenügenden Effizienz der AKW-Stromerzeugung (massenhaft ungenutzte Abwärme) gegenüber den Erneuerbaren sehr schlecht abschneidet. Siehe dazu die Berechnungen von www.esu-services.ch.

Solartrend Nr. 8: Die Branche ist bereit. Nicht nur die Nachfrage hat in den vergangenen Jahren gigantisch zugenommen. Dem entsprach vielmehr auch ein immenses Wachstum bei den Anbietern aller Stufen der solaren Wertschöpfungskette. Und sie haben auch im laufenden Jahr viel vor. Die grössten Anbieter haben die 1-Gigawatt-Hürde längst hinter sich gelassen und weiten nun ihre Produktion auf über 2 GW aus – dazu gehört einerseits der Dünnfilmproduzent First Solar aus den USA, andererseits gleich eine ganze Zahl von chinesischen Unternehmen wie Suntech, Yingli, Trina und Ja Solar. Vorbei sind im Übrigen auch die Zeiten, als chinesische Produktion als qualitativ zweitrangig galt – hervorgetan hat sich dabei vor allem Suntech, die ihre Europa-Niederlassung sinnigerweise im vergangenen Jahr im schweizerischen Schaffhausen einrichtete.

Solartrend Nr. 9: Die Schweiz hat glänzende Aussichten – auch in der Solarwirtschaft. Denn die Wege für die Netze sind kurz, die Mittel für deren Ausbau vorhanden, Speicher sind vorhanden oder im Bau (Pumpwerke), die Sonneneinstrahlung selbst ist vor allem in den Sonnenkantonen hervorragend (dank Höhenlage, wenigen Wolken, relativ kühler Witterung mit viel Sonnenschein schon fast mediterane Verhältnisse. Und die Solarwirtschaft hat in dieser kleinen Volkswirtschaft gemäss Fachverband Swissolar trotz allem bereits eine wichtige Stellung mit einer geschätzten Wertschöpfung von über 2 Milliarden Franken.

Solartrend Nr. 10: Alle Trends zusammengefasst: Wir stehen mitten im Aufbruch zum solaren Zeitalter. Die Photovoltaik hat das Potential, den Strombedarf zu einem guten Teil zu decken, auch in der Schweiz – mindestens ein Drittel könnte es sein – also ungefähr die heute atomar erzeugte Elektrizität. Sie muss aber einher gehen mit dem Ausbau der Netze, der Speicher, des Metering und der anderen Erneuerbaren.

© Solarmedia

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