Zeitungen und Medien sind in den vergangenen Wochen voller alarmierender
Berichte: Die Energiewende sei in Gefahr, der Ausbau der Windkraft vor
unseren Küsten ist viel langsamer als geplant, der Netzausbau wie auch
der Bau von Speichern kommt nicht voran, und die Strompreise werden
durch die Kosten erneuerbarer Energien unbezahlbar. Müssen wir die
Energiewende verlangsamen oder gleich ganz aufgeben? Eicke R. Weber lobt
den Ausbau von Wind- und Sonnenenergie und verspricht stabile
Strompreise. Gelten die Ausführungen in erster Linie für Deutschland, so sind sie dennoch und sinngemäss wertvolle Anstösse für die hiesige Situation. Der Autor ist Direktor des renommierten deutschen Fraunhofer- Instituts für Solare Energiesysteme.
Die Frage nach der Gefahr für die Energiewende kann mit einem deutlichen nein beantwortet werden. Die
Daten zeigen die umgekehrte Richtung: Der Zubau von Windkraft an Land
sowie der Photovoltaik (PV) ist bedeutend schneller als erwartet. Noch
vor wenigen Jahren wurden 20 Prozent erneuerbare Energien in der
Stromerzeugung erst für 2015 erwartet; erreicht haben wir dieses
wichtige Ziel in Deutschland bereits Ende 2011.
Auch die Kosten der PV purzelten in den vergangenen zwei Jahren viel
rascher als erwartet. Heute kostet Strom aus einem neuen PV System auf
dem Dach weniger als der Strom aus der Steckdose.
Der Zubau der dezentral installierten PV und Windmühlen an Land
benötigt keine neuen, weiträumigen Stromtrassen. Wir haben ein
Verteilnetz, das alle Verbraucher rund um die Uhr ausreichend mit Strom
versorgt. Der Zubau von PV und Wind reduziert bei dezentraler,
kundennaher Einspeisung die Anforderungen an weiträumigen Stromfluss wie
niedrigeren Stromverbrauch.
Benötigt wird ein Ausbau lokaler
Verteilnetze für die Region.
Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass der Strom in Zeiten von
intensivem Sonnenschein oder guter Windeinspeisung nur sehr wenig
kostet. Dann lohnt es sich, den Überschuss im Haus zu speichern, die
Warmwasserspeicher elektrisch zu beheizen oder durch den Prozess der
Elektrolyse Wasserstoff herzustellen, um diesen ins Erdgasnetz oder für
den Transport einzuspeisen. Dafür ist ein "smart grid"mit intelligenten
Zählern erforderlich, das jedem Verbraucher die Möglichkeit einräumt den
zeitaktuellen Strompreis abzurechnen.
Windmühlen im Meer erschienen noch vor wenigen Jahren als Königsweg
zur Energiewende. Die Windmühlen stören wenig, so dass es möglich
erschien, bis 2020 eine Leistung von 10 000 Megawatt und mehr zu
installieren. Sie arbeiten an mehr als 3000 Stunden jährlich, im
Vergleich zu etwa 2000 Stunden von Windmühlen an Land und etwa 1000
Stunden Sonnenschein für die Photovoltaik. Nun haben wir bereits über 25
000 Megawatt PV installiert, die jährlich fast so viel Strom erzeugen
wie die für 2020 erhofften Windmühlen im Meer.
Der Preis von Strom aus neuen PV-Anlagen fällt kontinuierlich, der
Strompreis der Offshore-Windmühlen hat steigende Tendenz. Der Unterhalt
der Rotoren, die starkem Wind, Wellen und einer heftig korrodierenden
Atmosphäre ausgesetzt sind, kostet mehr als erwartet. Strom aus größeren
Windmühlen ist zudem teurer als Strom, der mit kleineren Rotoren
erzeugt wird.
Die aus den großen Stromversorgern geschickt
herausgelösten Netzbetreiber sind finanziell zu klamm um die
Investitionen der Netzanbindung dieser Anlagen zu stemmen. Heute sind
nur 200 MW Offshore-Wind installiert, der Ausbau ist wegen der hohen
Kosten viel langsamer als erwartet.
Daher sollten wir den Aufbau des sehr viel preiswerteren
Onshore-Winds fördern, dazu den weiteren Ausbau der PV, denn diese
beiden erneuerbaren Energien ergänzen sich bestens: Wenn der Wind weht,
scheint oft wenig Sonne; bei gutem Sonnenschein ist es oft windstill.
Ähnliche Strommengen aus den beiden Techniken sind daher wünschenswert.
Vorangetrieben werden sollte die Vernetzung mit Wasserkraft in Norwegen
und unseren südlichen Nachbarn.
Tagsüber können wir billigen, überschüssigen Solar- und Windstrom
dorthin liefern, die Talsperren werden auf Minimalfluss gestellt, um
dann Abends den Strom in umgekehrter Richtung zu uns fließen zu lassen.
Das ist ein sehr gutes Geschäft für alle Betreiber von Talsperren mit
variablem Ausfluss.
Der beherzte Zubau der erneuerbaren Energien wird die Umlage dafür
auf den Strompreis nur wenig, für den Verbraucher unmerklich steigen
lassen. In diesem Jahr blieb diese Umlage konstant, aber der Strompreis
stieg weiter kräftig. Nach 2020 aber können wir erwarten, dass der
Anteil der festpreisigen erneuerbaren Energien im Strommix hilft, die
Preise zu stabilisieren, so dass wir eine Strompreisdämpfung erleben
werden. Keine gute Aussicht für die großen Stromversorger, die daher die
Panikdiskussion von heute gerne sehen.
Quelle: Eicke R. Weber 2012
Erstveröffentlichung "Badische Zeitung" | 05.05.2012
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