Nach der Vereidigung des neu gewählten Präsidenten François
Hollande dürfte sich die energiepolitische Diskussion in Frankreich
weiter beleben. In Umfragen befürwortet eine überwältigende Mehrheit der
Franzosen den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Und Hollande hat eine
verstärkte energiepolitische Debatte in Aussicht gestellt.
Bis 2025 will Hollande (auf dem Bild im Hybrid-Fahrzeug nach der Vereidigung) den Anteil des Atomstroms am französischen Energiemix von heute rund
drei Viertel auf 50 Prozent senken. „Immer mehr Länder in der
Europäischen Union stehen der Kernkraft kritisch gegenüber“, bilanziert
der Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien, Philipp
Vohrer, die Entwicklung. Während einige Staaten den kompletten Ausstieg
auf den Weg gebracht hätten, stünden in anderen Staaten wie den
Niederlanden und Großbritannien, Projekte zum Ausbau der Kernkraft vor
dem Aus. Wie eine jährlich von der französischen Umwelt- und
Energiebehörde ADEME durchgeführte repräsentative Umfrage bereits Ende
2011 zeigte, liegt die Zustimmung zum Ausbau Erneuerbarer Energien in
Frankreich bei 96 Prozent. Mehr als 80 Prozent der Befragten konnten
sich die Installation von Solarmodulen auf ihren Dächern vorstellen, das
waren vier Prozentpunkte mehr als im Jahr zuvor. Mit dem Bau von
Windkraftanlagen in ihrer Nachbarschaft wären 60 Prozent der Franzosen
einverstanden, nach 54 Prozent im Jahr 2010. An den Veränderungen, die
Erneuerbare Energien im Landschaftsbild mit sich bringen, störten sich
lediglich 13 Prozent der Befragten, das waren sieben Prozentpunkte
weniger als ein Jahr zuvor.
„Die
Umfrage hat auch gezeigt, dass vielen Franzosen die wirtschaftlichen
Vorteile Erneuerbarer Energien bekannt sind“, stellt Vohrer fest. Nun
gelte es, die hohe Akzeptanz Erneuerbarer Energien im Nachbarland in
mehr konkrete Projekte umzusetzen. Frankreich hat mit einem Anteil
Erneuerbarer Energien an der Stromproduktion von knapp 15 Prozent zwar
erhebliche Kapazitäten zur regenerativen Erzeugung von Elektrizität.
Diese liegen allerdings zu mehr als 80 Prozent im Bereich alter
Großwasserkraftwerke. Dagegen führen die Windkraft mit rund 6 250 MW und
die Photovoltaik mit knapp 1 700 MW, die im Juni 2011 installiert
waren, ein Nischendasein.
Zum
Vergleich: In Deutschland waren Ende 2011 knapp 30 000 MW an Wind- und
rund 25 000 MW an Photovoltaikleistung am Netz. „Im Zuge des von
François Hollande angekündigten Rückgangs der Kernkraft am französischen
Strommix werden die Erneuerbaren Energien zur stärkeren Entfaltung
kommen“, zeigt sich Vohrer zuversichtlich angesichts der vorhandenen
Potentiale. Wichtig zu wissen sei, dass sich Grundlast-Strom aus
unflexiblen Kernkraftkraftwerken und Elektrizität aus Erneuerbaren
Energien nicht gut vertrügen. Weil Atomkraftwerke schlecht an die
fluktuierende Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien angepasst werden
könnten, stünden sie einer regenerativen Stromversorgung im Wege.
„Initiativen wie das Projekt Kombikraftwerk in Deutschland, bei dem
Windkraft-, Solar- und Biomasseanlagen zusammengeschaltet werden und
sich ergänzen, zeigen, dass eine Vollversorgung allein mit Erneuerbaren
Energien technisch möglich ist“, betont Vohrer.
Nicht nur
Deutschland, sondern auch andere Staaten in der Europäischen Union
wollen künftig auf die Atomkraft verzichten. So hat Belgien nach
Fukushima den Atomausstieg beschlossen. In Italien stimmten die Bürger
im Juni 2011 in einem Referendum mit überwältigender Mehrheit gegen die
Atomkraft. In Österreich ist die Nutzung der Kernkraft gesetzlich
verboten. Und auch wirtschaftliche Argumente sprechen gegen die Nutzung
der Atomenergie. In den Niederlanden setzte der Stromversorger Delta die
Planungen für einen weiteren Reaktor am bisher einzigen holländischen
AKW-Standort aus, in Großbritannien legten E.ON und RWE laut
Medienberichten ihre Projekte zum Bau neuer Atomkraftwerke auf Eis.
Erneuerbare
Energien hingegen setzen neue wirtschaftliche Impulse. Das hat offenbar
auch François Hollande erkannt. Er betonte im Wahlkampf, Deutschland
habe bei Erneuerbaren Energien fast fünfmal so viele Jobs geschaffen wie
Frankreich. Laut einer vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegebenen
Studie bietet die Erneuerbare-Energien-Branche mittlerweile mehr als
380 000 Menschen in Deutschland Arbeit.
Quelle: Deutsche Agentur für Erneuerbare Energien
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