Donnerstag, 16. September 2010

Euphorische Branche

Wieder einmal, ist man versucht zu schreiben, tauchen Börsenempfehlungen für Solaraktien auf: Denn nach dem Ende einer der weltweit größten Photovoltaik-konferenzen in Valencia zeichnen sich Trends für die weitere Entwicklung des Marktes ab. ECOreporter.de berichtet, wie sie sich nach Analysteneinschätzungen für prominente Solaraktien auswirken könnten.

Brian Lynch ist als Analyst der Londoner Bryan, Garnier & Co. auf Solarwerte spezialisiert. Nach seinen Gesprächen mit anderen Experten und mit Führungskräften aus der Photovoltaikbranche sieht er Grund für Optimismus. Er rechnet damit, dass die neu installierten Kapazitäten sich im laufenden Jahr auf 13,3 Gigawatt (GW) belaufen und 2011 um weitere 21 Prozent auf über 16 GW steigen werden. Deutschland werde trotz der stark sinkenden Solarstromvergütung der mit Abstand am stärksten wachsende Photovoltaikmarkt der Welt bleiben. Zur Mitte des Jahres hatte die Bundesregierung die Solarstromvergütung deutlich reduziert, zum Oktober wird sie weiter gesenkt. Bei einem Zubau von über 6 GW würde die zum Jahresende fällige nächste Kürzung der Solar-Einspeisetarife zwölf Prozent betragen. Lynch geht davon aus, dass die neu installierte Photovoltaikleistung in der Bundesrepublik sich in 2010 auf 6,7 GW beläuft und im kommenden Jahr mit rund 6,2 GW geringer ausfällt. Dafür werden nach seiner Schätzung andere Märkte umso kräftiger anziehen.

Das gilt nach der Prognose des Analysten insbesondere für Italien, seit 2009 der nach Deutschland am stärksten wachsende Solarmarkt. Lynch prognostiziert hier für 2010 einen Anstieg der neu installierten Leistung von 0,75 auf 1,15 GW. Trotz der für 2011 beschlossenen Kürzung der italienischen Solarstromtarife sei für 2011 ein Zubau von 1,85 GW zu erwarten. Der Experte verweist darauf, dass die Tarifkürzung um 18 Prozent in Italien nicht auf einen Schlag umgesetzt wird, sondern über drei Schritte im Abstand von jeweils vier Monaten. Der neu eingeführte Deckel von 3 GW werde wohl erst 2012 erreicht und ebenfalls dafür sorgen, dass sich die Marktakteure bemühen, ihre Projekte so bald wie möglich umzusetzen und sich mit ausreichend Solarkomponenten auszustatten. Selbst wenn der Deckel bereits 2011 erreicht werde, sehe die italienische Gesetzgebung eine Übergangsfrist von 14 Monaten vor, in der begonnenen Projekte noch zu alten Bedingungen ans Netz gebracht werden können. Für die Zeit nach 2012 erwartet Lynch einen Nachfrageeinbruch im italienischen Solarmarkt.

Die kürzlich bekannt gegebenen Solartarifkürzungen in Frankreich werden nach seiner Einschätzung das starke Wachstum dort kaum bremsen. Für 2010 prognostiziert Lynch einen Anstieg des französischen Photovoltaikzubaus um 50 Prozent auf 0,6 GW bzw. 600 Megawatt (MW). 2011 werde er voraussichtlich auf 1,1 GW zulegen. Damit würde Frankreich im kommenden Jahr den dritten Rang nach Deutschland und Italien und vor Tschechien erobern, das nach seinen Berechnungen 2010 über 700 MW erreicht und im kommenden Jahr wieder wie 2009 auf rund 400 MW kommt.

Wie den Prognosen des Analysten zu entnehmen ist, bleiben Deutschland und Italien vor den USA und Japan die Solarmärkte mit den stärksten Zubauzahlen. Für die Nummer 3 weltweit, die Vereinigten Staaten, rechnet Lynch für 2010 mit einem Anstieg der Neuinstallationen von 590 auf über 1.000 MW und auf 1,7 GW in 2011. Japan könne im laufenden Jahr einen Zuwachs von 484 auf 850 MW erreichen und in 2011 auf 1,25 GW. Diese fünf Märkte seien dann die einzigen mit einem Zubau in 2011 von mehr als einem GW, wobei die deutsche Menge immer noch größer sei als die neu installierte Gesamtleistung der übrigen vier Nationen. Auf der Überholspur sieht der Experte zudem China, in seinem Ranking für 2011 die Nummer 6. Hier kalkuliert er einen Anstieg des Zubaues im laufenden Jahr von 116 auf 210 MW und dann auf 550 MW in 2012. Indien dürfte laut Lynch 2010 eine Verdoppelung auf 100 MW erreichen und im kommenden Jahr eine Verdreifachung auf rund 300 MW.

Angesichts dieser Zuwachsraten ist laut dem Experten von Bryan, Garnier & Co. vorerst mit recht stabilen Preisen für Photovoltaikprodukte zu rechnen. Gleich für sieben Solaraktien aus Europa gibt Lynch eine Kaufempfehlung ab. Dabei bewertet er SMA Solar Technology AG als einen der sichersten Tipps. Als Kursziel auf Sicht von zwölf Monaten nennt der Analyst 120 Euro, heute früh notierte die Aktie des hessischen Wechselrichter-Herstellers in Frankfurt bei 90 Euro. Er hat erst gestern seine Bilanzprognose für das Gesamtjahr 2010 erneut angehoben (wir Opens external link in new windowberichteten). Lynch erwartet, dass der weltweit mit Abstand größte Anbieter von Wechselrichtern Umsatz und Gewinn vor Steuern und Zinsen (EBIT) in 2010 gering und im kommenden Jahr zweistellig steigern kann. Für vom Fachmagazin ‚Photon’ geschürte Spekulationen über eine drohende Billigkonkurrenz aus Asien entbehrt ihm zufolge jeglicher Grundlage. Auch die Aktie des in Blaubeuren ansässigen Solarausrüsters centrotherm photovoltaics AG nennt Lynch als vergleichsweise „sichere“ Kaufempfehlung. Das Unternehmen verzeichnete zuletzt einen regen Auftragseingang aus Asien. Der Analyst prognostiziert für centrotherm Zuwachsraten wie bei SMA und nennt 58 Euro als Kursziel für die Aktie. In Frankfurt notiert sie heute Morgen bei rund 33 Euro.

Mit der schweizerischen Meyer Burger Technologie AG (siehe Solarmedia vom 15. September 2010) und Roth & Rau AG aus Hohenstein-Ernstthal befinden sich zwei weitere Solarausrüster auf der Empfehlungsliste von Lynch. Für Roth & Rau erwartet er weitere Vertriebserfolge insbesondere in Asien. Sein Kursziel für die Aktie lautet 36 Euro bei einem aktuellen Kurs von 20 Euro. Die in Baar ansässige Meyer Burger Technologie AG hat gestern einen Ergebnissprung im ersten Halbjahr (wir Opens external link in new windowberichteten ebenfalls). Deren Aktie wird aktuell mit 24 Euro oder 31 Franken gehandelt. Lynch rechnet mit einem Anstieg auf 33 Euro oder 43 Franken. Ihm zufolge wird sich der Gewinn je Aktie der Schweizer zwar in 2010 trotz eines Umsatzsprunges um über 30 Prozent auf 49 Eurocent halbieren. Für 2011 sei aber mit einem Umsatzplus von 27 Prozent und einem Anstieg des Gewinns je Aktie auf 1,34 Euro zu rechnen.

Doch auch für einige Solarproduzenten ist Lynch zuversichtlich, obwohl deren Aktienkurse im laufenden Jahr die hohe Nachfrage im Weltmarkt bei weitem nicht widerspiegelten. So erreichte etwa der Anteilsschein von Q-Cells ein Rekordtief. Dem Analysten zufolge ist das Papier zwar ein recht riskantes Investment, aber von den Börsianern über Gebühr abgestraft worden. Der mittlerweile fast abgeschlossene und erfolgreiche Turnaround werde bislang nicht honoriert. Sowohl für 2010 und für 2011 sei eine stabile Umsatzentwicklung zu erwarten und zudem in jedem Jahr ein zweistelliger Gewinnzuwachs. Lynch nennt als Kursziel 18 Euro statt der heute früh in Frankfurt erreichten 5 Euro.

Zum Kauf empfiehlt der Brite ferner die Aktien des norwegischen Solarkonzerns Renewable Energy Corporation (REC) des Bonner Solarkonzerns SolarWorld AG. Ihm wird es nach seiner Einschätzung besser als der Konkurrenz gelingen, die Preise eng an den Kürzungsraten für die deutschen Solarstromtarife entlang zu senken und zugleich „mit dem Markt zu wachsen“. Die Aktie des Unternehmens hat sich seit Januar von rund 16 auf 9 Euro verbilligt. Lynch nennt als Kursziel 15 Euro.

Quelle: Ecoreporter

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