Der grösste Schweizer Solarkonzern setzt an zum Überholmanöver. Vor Öffnung der Börsen hat Meyer Burger am Montagmorgen die Übernahme des deutschen Anlagenbauers Roth & Rau verkündet. Diese Firma war unlängst in Probleme geraten wegen stornierter Aufträge.
Das hat sich Meyer-Burger-Chef Peter Pauli (siehe Bild - Foto Guntram Rehsche) gut ausgesucht – Roth & Rau hatte in den vergangenen Monaten arg Federn gelassen und die Aktie war gewaltig ins Rutschen geraten. Roth & Rau hatte 2010 285,3 Millionen Euro Umsatz und 27,3 Millionen Euro Verlust vor Zinsen und Steuern (EBIT) erzielt. Dennoch zahlen die Thuner mit Holdingsitz im Kanton Zug voraussichtlich einen happigen Aufschlag für die Übernahme von einem der drei namhaften Anlagenbauer in Deutschland (die anderen sind Manz und Centrotherm). Wobei Anlagenbauer nicht die Erstellung von Solaranlagen für Endkunden meint, vielmehr ist Roth & Rau mit Hauptproduktionsstandort Hohenstein-Ernstthal engagiert in der Produktion jener Maschinen, die Photovoltaikmodule produzieren. Damit ist die deutsche Firma auch unmittelbar Konkurrent der Schweizer Oerlikon Solar, die in den letzten Jahren ebenfalls von einer Auftragsflaute heimgesucht wurde – als Unternehmensteil des ungleich grösseren OC-Oerlikon-Konzerns aber offenbar nicht zum Verkauf stand.
Wohl war es auch die andere Technologie – die Meyer Burger vor einer Schweizer Lösung zurückschrecken liess. Denn OC Oerlikon baut Maschinen, die Module mit Dünnschicht-Silizium-Zellen produzieren – eine Technologie, die als Zwischenlösung von reinen Siliziummodulen und reinen Dünnschichtmodellen in letzter Zeit eher in Frage gestellt wurde. Wie dem auch sei – Meyer Burger erwirbt mit Roth & Rau für rund 400 Millionen Franken ein Unternehmen, das über 1200 Angestellte verfügt und damit die Milliardenumsatzgrenze in naher Zukunft erreichbar erscheinen lässt (Meyer Burger allein setzte 2010 826 Mio. Fr. um. Abgewickelt wird das Geschäft durch ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot für sämtliche auf den Inhaber lautenden Stückaktien der Roth & Rau AG (Hohenstein-Ernstthal) zum Preis von 22 Euro je Aktie in bar (der Kurs bewegte sich noch letzte Woche deutlich unter 20 Euro). Von den Gründern und Hauptaktionären Dr. Dietmar Roth (Vorstandsvorsitzender), Prof. Dr. Silvia Roth und Dr. Bernd Rau habe Meyer Burger am 10. April 2010 insgesamt 11,3 % des Aktienkapitals der Roth & Rau AG erworben, berichten die Unternehmen in einer Pressemitteilung.
Innerhalb der Photovoltaik verfügt die Meyer-Burger-Gruppe gemäss eigenen Angaben bereits über die wichtigsten Technologieprozesse entlang der gesamten Herstellungskette von Photovoltaik-Systemen mit Schwerpunkt auf der Fertigung von Solar-Wafern und Solarmodulen (vor etwas mehr als einem Jahr war der grösste Schweizer Modulbauer 3S übernommen worden). Roth & Rau wird Kern des neuen Technologie- und Kompetenzbereichs „Zelle“ in der Meyer Burger Gruppe.
Peter Pauli, der Chef von Meyer Burger hatte am Morgen die Übernahme gegenüber dem Schweizer Radio als Meilenstein bezeichnet, sowohl vom Umsatzwachstum her gesehen als auch von den neuen technologischen Möglichkeiten. Letztlich gehe es vor allem darum, die Sonnenenergie konkurrenzfähig zu machen gegenüber herkömmlichen Energieformen, auch gegenüber Atomstrom. Mit seinen Visionen und Aussagen über mögliche Kostensenkungen war der dynamische Pauli früher schon selbst in der Solarbranche angeeckt, wie einst Solarmedia beschrieb (siehe Artikel vom 15. September 2010).
© Solarmedia
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