Ganz neu ist die These nicht, aber sie erfährt durch die Atomkatastrophe in Fukushima deutlichen Support – Atomstrom ist nicht nur gesellschaftspolitisch nahe dem Absturz, sondern auch wirtschaftlich. Darauf weisen ein Bericht des Zürcher Tages-Anzeigers hin sowie viele weitere Erkenntnisse.
Derzeit wogt die Debatte im gesellschaftspolitischen Feld. Kaum eine Politdiskussion kommt an der Energiefrage vorbei, und zuvorderst ist diese Frage immer auch eine Atomdiskussion. Mit klaren Stellungnahmen lassen sich - derzeit zumindest - gar Wahlen gewinnen, wie in der Schweiz mit dem Einzug der Grünen in die Regierungsräte der Kantone Baselland und Zürich deutlich wurde. Extremer die politischen Auswirkungen gar in Deutschland, wo in Baden-Württemberg, dem Stammland der Konservativen, die Grünen die Macht übernahmen. Eine Entwicklung, die derzeit gar einen grünen Bundeskanzler oder eine ebenso eingefärbte Kanzlerin nicht mehr als utopisch erscheinen lässt.
In der Schweiz etwa ist das AKW Mühleberg höchst umstritten - seine Erdbebensicherheit ist auf Beben der Stärke 5 ausgelegt - die Gegend gilt aber als anfällig für Ereignisse der Stärke 6,8. Höhere Sicherheit würde hier auch heissen, sehr viel höhere Kosten und damit teurerer Atomstrom.
Atomstrom gilt je länger je mehr als unwirtschaftlich. Die Artikel von Solarmedia (zuletzt 28. Juli 2010) und Atominfomedia haben seit längerem darauf hingewiesen. Denn die wenigen aktuellen Bauprojekte für neue Atommeiler in Europa weisen sich nicht etwa durch tolle neue Sicherheitsstandards oder rasant verbesserte Atomtechnologien aus. Vielmehr «glänzen» sowohl das finnische Olkiluoto wie auch das französische Flammanville durch jahrelange Verzögerungen und Kostenüberschreitungen, die unterdessen ans Doppelte reichen, also statt deren drei bereits über fünf Milliarden Euro erreichen.
Dabei sind vor allem die Probleme in Frankreich von Interesse, anders als dies der Artikel des Tages-Anzeigers vom 9. April 2011 (leider nicht im Internet zugänglich) suggeriert. Denn das im nordfranzösischen Flamanville angesiedelte Projekt wird schliesslich im Stammland der Atomtechnologie erbaut (Frankreich bezieht rund 80 Prozent des Stromverbrauchs aus eigenen AKW). Auch ist der staatliche Konzern Areva einer der Bigplayer im Atomgeschäft, der überall mitbietet, gelegentlich wie unlängst in den Vereinigten Arabischen Emiraten aber auch unterliegt bei der Ausschreibung neuer Projekte – wegen zu hoher Kosten.
Das japanische Atomdesaster hat das Geschäft insofern verändert, als nun die Risikoprämien verstärkt ins Licht rücken. Bisher galt zumindest in Wirtschaftskreisen als ausgemacht, dass es derartige Katastrophen erstens nicht gibt. Und sich zweitens die Folgekosten auf den Staat abwälzen lassen. Denn versichern liessen sich die hundertmilliardenfachen Schadenskosten gar nicht. Und gleichzeitig hatten die meist zumindest halbstaatlichen Energiekonzerne günstigen Zugang zu den Kapitalmärkten. Konnten also die für viele Jahrzehnte benötigte hohe Investitionssumme auf den Kapitalmärkten günstig beschaffen. Das aber ist Vergangenheit, wie der Tages-Anzeiger schreibt – und diese These belegt mit Aussagen verschiedenster Finanzanalysten. Die holländische Deixa ebenso wie die Schweizer Bank Sarasin kommen zu klaren Aussagen: Die Kosten für Atomstrom dürften sich gar verdreifachen in Zukunft – und tragen müssten gemäss Nachhaltigkeitsrearchteam von Infras diese Kosten die Betreiber selbst. In der Folge dann auch die StromkundInnen.
Das ist der entscheidende Punkt: Während Atomstrom deutlich teurer wird – derzeit kostet er ab Werk rund sechs Rappen – sinken die Kosten für erneuerbare Energien beständig. Ein um Faktor drei teurerer Atomstrom liegt also nahe bei 20 Rappen. Windstrom lässt sich derzeit an günstigen Orten bereits billiger erzeugen. Und die viel versprechendste erneuerbare Energie auch für die Schweiz, der direkt über Photovoltaik erzeugte Solarstrom hat sich in der Produktion in den vergangenen zwölf Jahren von 1.20 Franken pro Kilowattstunde bereits auf unter 40 Rappen verbilligt. Mit ungebrochener Tendenz zur weiteren Vergünstigung. Der Zeitpunkt rückt also näher, zu dem die StromkonsumentInnen selbst den Atomstrom nur schon aus Kostengründen abstellen werden. Das sollten sich all jene in ihre Geschäftsbücher schreiben, die doch noch mit der Errichtung neuer Atomkomplexe liebäugeln.
© Solarmedia
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