Die Diskussion um die Energiezukunft wird seitens der AKW-Befürworter zunehmend mit dem Verweis geführt, die Erneuerbaren könnten nur mit der Atomtechnologie zusammen die anstehenden Versorgungsprobleme lösen. Dass dies ein Irrweg ist, begründet Solarmedia-Autor Guntram Rehsche - und weist auf die Solarenergie als zentrale Alternative.
Atomenergie hat schlicht zu viele Fallstricke, als dass wir auf sie bauen könnten für die künftige Energieversorgung. Selbst wenn wir einzelne Hindernisse aus dem Weg räumen - wie die Verfügbarkeit von Uran, über die wir uns gemäss verschiedenen Quellen keine Sorgen machen müssten - so bleiben doch viele andere Unwägbarkeiten, die die Atomenergie disqualifizieren. Diese sind (in einer kurzen Zusammenfassung):
- Unsicherheit der Anlagen: Immer wieder auftretende Probleme hängen mit der nie auszuschliessenden Fehlbarkeit menschlichen Verhaltens zusammen. Die Verkettung unglücklicher Umstände ist eben doch möglich, wie zuletzt Vorfälle in Schweden zeigten. Oder anders ausgedrückt: Es gibt eben doch Schwarze Schwäne - also als (fast) unmöglich eingestufte Ereignisse (wie die zuletzt als unmöglich erachtete weltumspannende Krise der Finanzmärkte). Und schliesslich liegt das «unmögliche» Tschernobyl zwar schon bald 25 Jahre zurück - aber in historischer Sicht immer noch nahe unserer Zeit.
- Verwundbarkeit und Terrorgefährdung: Seien es Flugzeugabstürze (gewollte und terrorgesteuerte oder ungewollte) oder direkte Angriffe auf die Sicherheit (Angriffe auf Zulieferung oder Abtransport oder direkte) - die Bedenken sind sowohl bezüglich bestehender wie neu zu bauender AKW längst nicht ausgeräumt. Dass Länder wie China, Iran und Nordkorea die Atomtechnologie vorantreiben, wirkt bezüglich der Weltsicherheit auch nicht gerade beruhigend.
- Fehlende Versicherung: Eines der schlagenden Argumente gegen die Verwendung der Atomtechnologie ist jenes der fehlenden Versicherbarkeit gegen Schäden. Die Haftpflicht bewegt sich auf Mininiveau, je nach Land - das Schadenpotential geht in die Hunderte von Milliarden, und keiner versicherts, weder privat noch der Staat. Wenn der grosse Schaden doch so unwahrscheinlich wäre, müsste sich ein Versicherer ob des todsicheren Geschäfts doch die Hände reiben und den hohen Schaden eben gern versichern, da er doch nie eintritt.
- Abfallentsorgung: Der ganze Aufwand, der auch heute schon getrieben wird bezüglich der Entsorgung, ist ja eindrücklich - und auch teuer. Er zeigt vor allem eines: dass diese Entsorgung eben entgegen aller Behauptungen höchst problematisch und äusserst kostenintensiv ist. Grüssen lässt das Zwischenlager Asse in Deutschland, das nun mit Milliardenaufwand (zulasten der SteuerzahlerInnen!) saniert werden muss - womit aber bezüglich Lagerung kein Problem gelöst sein wird, sondern nur bereits entstandener Schaden vielleicht beseitigt sein wird.
- Dinosauriertechnologie und gesellschaftlicher Zusammenhalt: Man muss kein Prophet sein um vorauszusagen, dass das Beharren auf den Atomplänen wiederum Millionen von Menschen in ganz Europa auf die Strasse treiben wird. Das als unbegründet und ideologisch abzutun, ist - man / frau entschuldige die für emotionale Entgleisung - nichts wie dumm und realitätsfremd. Denn die Bedenken sind ebenso wie die Angst vor der Dinosauriertechnologie Atom nun mal vorhanden und zweitens nicht durchs Band abwegig. Der Schaden der neu aufflammenden Protestbewegung ist unabsehbar - und wird auch das politische Gefüge gehörig durcheinander wirbeln. Schon heute bedanken sich in Deutschland die Grünen für die Laufzeitenverlängerung, die sie zur Volkspartei werden lassen.
- Verdrängung der Erneuerbaren: Die auf lange Zeit weiter bestehende Verfügbarkeit von Atomstrom wird effektiv zur tödlichen Konkurrenz der Erneuerbaren. Schon heute werden in Deutschland Windanlagen abgeschaltet, weil zu viel Atomstrom ins Netz drängt - trotz der gesetzlich vorgeschriebenen Vorfahrt für Erneuerbare Energien. Die Laufzeitenverlängerung für AKW in Deutschland lässt auch den Investitionswillen in die Erneuerbaren erlahmen, bereits wurden Offshore-Projekte für Windanlagen zurückgestellt. Schliesslich wird der Anschluss ans norwegische Hydroenergienetz in Deutschland verhindert - dabei stünden aus Norwegen Energiemengen aus Wasser bereit, die sämtliche AKW auf einen Schlag abschaltbar machten.
- Die Kosten der Atomtechnologie: Sie werden für neue Atomkraftwerke - ähnlich wie bei anderen grosstechnologischen Projekten entgleiten. Das zeichnet sich jetzt schon ab für die beiden einzigen im Bau befindlichen AKW in Europa. Sowohl Oikiluoto in Finnlannd wie Flamanville in Frankreich werden mindestens doppelt so teuer wie vorgesehen - je rund 6 statt versprochener 3 Milliarden Euro. Und sie erfahren Verzögerungen von mehreren Jahren. Zudem laufen Beschaffungs- wie Entsorgungskossten aus dem Ruder. Diese Einschätzung teilt ein aktueller Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unter dem Titel «Von wegen Renaissance der Atomkraft».
- Schon heute Auslaufmodell: Atomprojekte geraten nicht nur finanziell ins Hintertreffen - sie werden auch von Projekten der Erneuerbaren zunehmend abgehängt in zeitlicher Hinsicht. Während nämlich in den nächsten 3-5 Jahre nur ganz wenige neue AKW ans Netz gehen, nehmen die Kapazitäten seitens der Erneuerbaren - vor allem von Wind und Sonne - laufend und exponentiell zu. So gingen 2009 ein grosses und ein kleines AKW weltweit ans Netz - aber Windanlagen, die so viel Strom erzeugen wie rund ein Dutzend AKW zusammen (38 GW). Und auch die Photovoltaik bringt es unterdessen auf AKW-Dimensionen - Anlagen von 7,4 Gigawatt (Zubau 2009) erzeugen so viel Strom wie ein grosses AKW - 2010 erfolgt hier bereits wieder eine Verdoppelung.
- Solarenergie wirds richten: Photovoltaik hat damit unterdessen den Beweis der Skalierbarkeit erbracht - ist also in grossem Masse geeignet, Elektrizität zu erzeugen, selbst in AKW-Dimensionen. Aber richtig - sie ist noch teurer. Nur - sie wird ständig billiger, jährlich 10 bis 20 Prozent - und herkömmliche Energieerzeugung inkl. Atomenergie werden ständig teurer - der Kreuzungspunkt wird bald erreicht sein (3-5 Jahre). Der Fortschritt der Photovoltaik beruht auf der Halbleitertechnologie - und wie sich diese leistungsmässig in der Informatik entwickelt hat, ist Fingerzeig, wie es weiter geht. Neben der PV hat auch die Solarthermie riesiges Potential - für die dezentrale Versorgung auch mit Wärme schon heute hierzulande.
Fazit: Die Fallstricke der Atomenergie sind einfach zu zahlreich, die Komplexität ist zu hoch. Andrerseits sind die vorhandenen, bewährten und erprobten Alternativen so vielfältig, dass auf Atom zu bauen unnötig wird. Vielmehr wird Atom zum Hindernis der Erneuerbaren, weshalb eben nicht blind auf alle Alternativen zu den fossilen zu vertrauen ist. Vielmehr gilt: Atom ist vielleicht zwar keine fossile Energie - aber sie ist in vielerlei Hinsicht ein Fossil, das sich erledigen wird - aus den aufgeführten Gründen hoffentlich früher als vielerorts vermutet.
© Solarmedia
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