Das Industriekonglomerat OC Oerlikon steckt in der Finanzklemme. Der Automationsspezialist ABB sucht andrerseits neue Engagements, erklärtermassen auch in der Solarbranche. Was liegt näher, als über deren Zusammengehen zu spekulieren.
Es ist das übliche Ritual: Die Pressestellen beider Konzerne wiegelten auf Anfrage von Solarmedia ab. Nein, zu Gerüchten und Spekulationen beziehe man keine Stellung. So viel aber ist Fakt: OC Oerlikon insgesamt steckt in einer erheblichen Finanzklemme – die Rede geht von einem 1,8 Milliarden-Kredit, der bis zum Jahresende umzuschulden ist. Mediensprecher Burkhard Böndel bestätigt gegenüber Solarmedia: «Alle Optionen werden derzeit geprüft, Ergebnisse sollen noch im laufenden Jahr vorliegen.» Damit ist auch die Zukunft der an sich erfolgreichen Oerlikon-Solar-Sparte offen – über einen allfälligen Börsengang wird bereits seit Jahren spekuliert.
Roboter im Einsatz für die Produktion von Solarzellen - hier eine Aufnahme aus der deutschen Solarfabrik in Freiburg i.Br.
Die Zeiten sind für einen Börsengang - selbst für ein viel versprechendes Unternehmen - ein grosses Wagnis. Ob wirklich der erhoffte Ertrag für den bisherigen Eigner (vor allem den über Verschachtelungen beteiligten russischen Oligarchen und Investor Victor Vekselberg) rausschaut – und Oerlikon die dringend benötigte Luft verschafft – ist zumindest unsicher. Viel sicherer wäre da schon eine Übernahme durch einen zahlungskräftigen Käufer. ABB, der schwedisch-schweizerische Elektrogigant, liegt nahe. Ausgerechnet in diesen Tagen startete ABB eine PR-Offensive für die eigenen Solaraktivitäten. So stellte ABB eine grosse Solaranlage in Spanien fertig und liess Schweizer Journalisten zur Berichterstattung einfliegen (siehe u.a. TA und Handelszeitung vom 23. September).
Und so am Rande liess Peter Leupp, ABB-Konzernleitungsmitglied und Chef der Sparte Power Systemsverlauten, man sehe im Solarbereich grosses Potential. Dieses ist bei der Windkraft bereits angezapft (Ein-Milliarden-Franken-Umsatz), liegt solar aber noch im Dunkeln (erst rund 100 Millionen). Und ABB ist finanzkräftig, liess in den vergangenen Monaten immer wieder verlauten, für Zukäufe offen zu sein. Flugs folgert Solarmedia, nicht nur technologisch und produktemässig würde Oerlikon Solar passen, sondern auch finanziell – für beide Seiten wohlgemerkt. Doch Thomas Schmidt, Kommunikationsverantwortlicher bei ABB bleibt dabei: «Wir kommentieren solche Spekulationen grundsätzlich nicht.» Und die Äusserungen von GL-Mitglied Leupp seien nur so zu verstehen, dass nichts ausgeschlossen sei.
In eine andere Richtung gingen Mutmassungen der Zeitung «Finanz und Wirtschaft»: Führungsprobleme habe Oerlikon Solar. Die Position von CEO Jeannine Sargent werde von verschiedenen Seiten hinterfragt. Tatsache sei, dass die Oerlikon-Tochter die hohen Erwartungen bisher nicht erfüllt habe. Und etwas künstlich zieht die FuW den US-Konkurrenten First Solar herbei, der trotz Rezession, überaus attraktive Margen erziele. Der Vergleich hinkt allerdings, denn First Solar produziert Dünnschichtmodule, während Oerlikon die dazu benötigten Produktionslinien liefert.
So oder so, der Druck zur Restrukturierung ist hoch. Hans Ziegler, Oerlikons Verwaltungsratsdelegierter und CEO ad interim, prüft derzeit, wie das Unternehmen aus der Krise geführt werden kann. Ohne einschneidende Massnahmen wird das nicht gehen. Die Industrie erwartet laut FuW für die Photovoltaik für die nächsten zehn Jahre zwar ein enormes Wachstum. Heute gibt es weltweit eine installierte Leistung von sechs Gigawatt. 2020 sollen es mehr als 2000 Gigawatt sein. Doch davor stehen noch eine Reihe einschneidender Veränderungen in der Solarbranche.
Bleibt die Frage der industriellen Logik eines Zusammengehens von ABB und Oerlikon Solar. Die ist fürwahr gegeben. Denn ABB-Roboter kommen auch in der Solarzellenproduktion zum Einsatz, die ganze Branche geht derzeit den Weg der forcierten Automatisierung. Und Oerlikon Solar wäre ja ein Anlagen- und kein Modulbauer, ein solches Investment also ganz auf der Linie von ABB’s Schwerpunkt in der Investitionsgüterbranche. Daran ändert auch nichts, dass Schmidt sich völlig ahnungslos zeigt bezüglich einer grossen Solaranlage, die auf dem ABB-Hauptsitz in Zürich-Oerlikon geplant war und jetzt offenbar nicht zustande kommt. Dafür trägt ja Oerlikon Solar schon den passenden Namen, wenn auch die Produktion in Trübbach angesiedelt ist.
© Solarmedia
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Donnerstag, 24. September 2009
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