Die 16-seitige Broschüre kommt gerade zum richtigen Moment – steht doch im Herbst die Vernehmlassung zum neuen Energiegesetz an, das in den letzten Wochen bereits bruchstückhaft öffentlich wurde. Dabei geniesst die voraussichtliche Vorlage selbst seitens der Umweltorganisationen gewissen Zuspruch, Alt-Nationalrat und Energiespezialist Rudolf Rechsteiner (siehe dessen Buch unter Solarmedia vom 16. März 2012) ortete darin etwa einen wirkungsvollen ersten Schritt. Doch müsse der Bund wesentlich weiter gehen, vor allem auch in Bezug auf die Photovoltaik (PV), also auf die Förderung der solaren Stromerzeugung. Die behandelt der Bund weiterhin äusserst stiefmütterlich, obwohl ihre Kostenentwicklung und Potentialanalyse unterdessen schon fast jedem klar gemacht haben: Der PV gehört die Zukunft, auch hierzulande.
Wie das im Einzelnen aussehen kann, zeigt nun die erwähnte Broschüre von Greenpeace. Zusammen mit dem WWF, dem VCS und Pro Natura – aber nicht mehr explizit mit der Schweizerischen Energiestiftung (SES), die noch im letzten Jahr gemeinsam mit der Umweltallianz auftrat – sieht Greenpeace zuallererst den Ausstieg aus der Atomenergie. Denn die Schweiz könne sich auch ohne AKW sicher, wirtschaftlich und umweltfreundlich mit Strom versorgen. Das könne in einer kürzeren Frist bis 2025 oder in einer längeren bis 2035 geschehen, wobei in erstem Falle für eine Übergangszeit auf Stromimporte aus erneuerbaren Quellen zurückzugreifen wäre. So oder so, bereits in rund einem Dutzend Jahren kann die Solarstromproduktion rund einen Fünftel des danzumaligen Verbrauchs decken. Einen Gutteil soll auch die Biomasse ausmachen, die auf etwa elf Prozent Anteil kommen kann. Und wichtig wird (natürlich) auch der vermiedene Stromkonsum, also die durch Effizienzmassnahmen eingesparte Energie, die Greenpeace auf rund 14 Terrawattstunden (TWh) beziffert. Womit der Gesamtverbrauch eben nicht höher ausfiele als heute (58 TWh).
Woher aber die eingesparte Energie, die der Produktion von sechs AKW der Grösse von Mühleberg entspricht? Stromfressende Elektroheizungen und –boiler, ineffiziente Industriemotoren, Glühbirnen, Standby-Geräte und viele mehr könnten Stromsparbeiträge leisten – ohne dass letztlich eine Komforteinbusse zu gewärtigen wäre. Der US-Bundesstaat Kalifornien hat solches übrigens mit vielen Massnahmen seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts geschafft - der Stromkonsum blieb trotz allgemeinem Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft konstant. Das Potential der Solarenergie dabei nicht nur wegen der Grösse des Beitrags zur künftigen Stromproduktion bedeutend, sondern auch, weil sie ohne die vielerorts befürchtete Verschandelung der Landschaft auskommt. «Ob Dächer, überdeckte Parkplätze, Strassen- und Lawinenverbauungen – in der Schweiz stehen genügend Flächen für den Zubau zur Verfügung.» Und auch wenn die Sonne nachts nicht scheint: Die bereits bestehende Energieinfrastruktur bietet gute Voraussetzungen für eine Nutzung rund um die Uhr, denn gemäss Greenpeace «reicht die gesamte Kapazität der Schweizer Speicherseen rechnerisch für die Überbrückung von bis zu 85 sonnenlosen Tagen».
Interessant die Kostenangaben:
War vor einem Jahr bei der ersten Präsentation dieses Szenarios noch von fünf
Franken pro Jahr und Haushalt die Rede, so nennt die neue Broschüre nun 35
Franken oder total 272 Millionen jährlich. Gibt aber gleichzeitig zu bedenken,
dass es auch ohne Atom- und Energiewende teurer werde. Die Netze müssten eh
erneuert werden und die fossilen wie nuklearen Energieträger werden sicherlich
bedeutend teurer in der Zukunft. So dass sich der Umstieg auf eine zu 100
Prozent erneuerbare Energieversorgung auch wirtschaftlich auszahlen wird.
Dass das nicht automatisch
vonstatten gehen wird, verschweigt Greenpeace nicht. Erstens braucht es ein
Massnahmenbündel, zu dem unter anderem vor allem die Aufhebung der beschränkten
Förderung von Erneuerbaren (Deckel) gehört, ebenso wie eine Lenkungsabgabe,
schnelle Bewilligungsverfahren – und den Beitrag von jedem Einzelnen im Rahmen von Verhaltensänderungenb.
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