Am Mittwoch machte der Bundesrat seine Absicht öffentlich, aus der Atomwirtschaft zumindest mittelfristig auszusteigen. Während Wirtschaftskreise und SVP wie erwartet opponieren, zeigen sich vor allem Fachverbände differenziert optimistisch.
Der Bundesrat will – in seinen eigenen Worten - in der Schweiz weiterhin eine hohe Stromversorgungssicherheit garantieren - mittelfristig jedoch ohne Kernenergie. Das hat er am Mittwoch beschlossen. Die bestehenden Kernkraftwerke sollen am Ende ihrer Betriebsdauer stillgelegt und nicht durch neue Kernkraftwerke ersetzt werden. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, setzt der Bundesrat im Rahmen der neuen Energiestrategie 2050 auf verstärkte Einsparungen (Energieeffizienz), den Ausbau der Wasserkraft und der neuen erneuerbaren Energien sowie wenn nötig auf fossile Stromproduktion (Wärmekraftkopplungsanlagen, Gaskombikraftwerke) und Importe. Zudem sollen die Stromnetze rasch ausgebaut und die Energieforschung verstärkt werden.
Fachverbände der Erneuerbaren Energien reagierten positiv auf den bundesrätlichen Ausstiegsbeschluss. So sagt Nick Beglinger, Präsident von swisscelantech, derAtomausstieg biete Chancen für die Wirtschaft. Der Verband der nachhaltig orientierten Unternehmen ist zuversichtlich, den Beschluss des Bundesrates im Parlament verteidigen zu können – trotz der millionenschweren Kampagne von Economiesuisse. In Sachen Klima und Energie zeige sich, dass economiesuisse die Zeichen der Zeit nicht erkannt habe. Die Argumente seien so klar «auf unserer Seite, dass wir ruhig in die Parlamentsdebatte gehen können. Immer mehr Firmen verstehen, dass wir für Cleantech stehen».
Die Solarbranche sei bereit, ihren Beitrag zu leisten, hält Swissolar, der Fachverband der Solarbranche, zum Bundesratsentscheid fest. Er weist darauf hin, dass mindestens die Hälfte des Atomstroms mit Photovoltaik-Anlagen auf Gebäuden erzeugt werden kann. Er fordert eine rasche Konkretisierung des Beschlusses, wobei die Deblockierung der kostendeckenden Einspeisevergütung eine zentrale Rolle einnehme. Störend sei, dass keine verbindlichen Termine zur Stillegung der einzelnen AKW genannt würden. Ein Umstieg auf eine hundertprozentige Stromversorgung mit erneuerbaren Energien sei zudem bereits bis 2030 möglich.
Die Solarenergie-Branche ist gemäss Swissolar bereit, den dafür erforderlichen Beitrag zu leisten. Swissolar-Präsident und Nationalrat Roger Nordmann sagt dazu: «12 Quadratmeter Solarzellen pro Kopf genügen, um die Hälfte des bisherigen Atomstroms zu ersetzen. Dieses Ziel können wir bereits 2025 ausschliesslich mit Photovoltaik-Anlagen auf Gebäuden erreichen, sofern die Rahmenbedingungen stimmen. Auch die andere Anwendungsform der Solarenergienutzung, die Wärmeproduktion mit Sonnenkollektoren, ist ein wichtiger Bestandteil einer effizienten Energienutzung». Dringlichstes Anliegen ist der Verzicht auf Mengenbegrenzungen bei der kostendeckenden Einspeisevergütung KEV, dem nachweislich wirksamsten Instrument zur Förderung der erneuerbaren Energien. Fast 7700 Photovoltaikanlagen stehen heute auf der KEV-Warteliste, die schon nach kurzer Bauzeit sauberen Solarstrom liefern könnten!
Die A EE Agentur für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz ihrerseits zeigt sich erfreut über den «wegweisenden Entscheid des Bundesrates». Der Einstieg in eine nachhaltige und wirtschaftsfreundliche Energieversorgung sei damit erfolgt. Nun liege es am Parlament, förderliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine konsequente Energiewende hin zu Stromeffizienz und erneuerbaren Energien innert zwei Jahrzehnten möglich machen. Wirtschaft und Wissenschaft einer fortschrittlichen Schweizer Energiebranche stehen bereit, ihre Beiträge zu leisten. Die A EE, in der alle grossen Branchenverbände der erneuerbaren und effizienten Energiebranche vereint sind und die rund 8'000 Schweizer Unternehmungen aus Industrie und Gewerbe vertritt, ist überzeugt, dass der vollständige Ausstieg aus der Atomenergie bis ins Jahr 2030 technisch und finanziell machbar ist – ohne Gefährdung der Versorgungssicherheit oder der Klimaziele.
Die A EE hat in ihrem «10-Punkte-Programm der Wirtschaft für eine erneuerbare und effiziente Stromversorgung bis 2030» Eckpunkte und Massnahmen formuliert, durch die sich eine fortschrittliche Energiepolitik auszeichnen wird (siehe Solarmedia vom 5. Mai 2011). Eine Energieversorgung auf der Basis von Stromeffizienz und erneuerbaren, dezentral erzeugten Energien sichert der Schweiz einen echten Standortvorteil, schafft Tausende neuer Arbeitsplätze und verringert die zunehmend problematische Abhängigkeit von fossilen und nuklearen Energieträgern. Die A EE erwartet nun als nächsten Schritt konkrete Gesetzesvorlagen, die den Ausstieg aus der Atomenergie festlegen und die Rahmenbedingungen eines Umstieges auf eine nachhaltige und wirtschaftliche Energieversorgung abschliessend definieren.
Derweil traut Greenpeace dem Ausstiegswillen noch nicht so ganz und hat am Donnerstag einen landesweiten Aufruf an die Atombewegten versandt: Das Parlament bestätigt den Entscheid des Bundesrates und versieht den Aktionsplan mit griffigen Massnahmen… damit dies geschieht gelte es, zwischen heute und dem 8. Juni das Parlament von der Richtigkeit, Wichtigkeit und Dringlichkeit des Atomausstieges zu überzeugen! Der Aufruf wörtlich: «Setzen wir uns alle geimeinsam und gewaltlos ein für eine AKW-freie Schweiz! Schicken Sie eine SMS mit Text: start ichauch an 266. So erhalten Sie Aufrufe der Anti-AKW-Bewegung.»
© Solarmedia / Bild Solaranlage in unmittelbarer Nähe des AKW Gösgen (!): Guntram Rehsche
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