Sonntag, 17. März 2013

Auch in der Schweiz vor Durchbruch

Die abgelaufene Woche sah auch den «Salon der Erneuerbaren Energien» - statt des Automobilsalons. In Basel gaben sich 650 ExpertInnen der Solarenergie ein Stelldichein. Und belegten mit ihrem Interesse, dass der Photovoltaik der grosse Durchbruch bevorsteht. Aus der Vielzahl der behandelten Aspekte seien in der Folge jene aufgeführt, die auf diesen Durchbruch hinweisen. Eine Auswahl des Solarmedia-Autors (1.Teil).

Ein halbes Prozent des Schweizer Stromverbrauchs stammt auch in der Schweiz unterdessen aus solarer Produktion (Photovoltaik). Nicht besonders viel angesichts dessen, was andere europäische Länder bereits erreicht haben (Deutschland und Italien je sechs, Spanien und Belgien je drei Prozent Solarstromanteile). Aber immerhin! Das Kernthema der diesjährigen PV-Tage in Basel lag damit auf der Hand: «20 Prozent Solarstrom im Netz: Meinungen und Bedingungen».

«Die Schweiz soll keine Insel sein in der Welt der Photovoltaik», so Stefan Nowak, Programmleiter Photovoltaik des Bundesamts für Energie. Das war sie vor Jahrzehnten als Leaderin, das war sie in den vergangenen Jahren aber leider auch als Nachzüglerin. Denn viele Staaten haben sie unterdessen, wie die Tagung in der Folge mehrfach aufzeigte, bei weitem überflügelt. Jetzt bestünden immerhin gute Chancen, am weltweit nicht zu bremsenden Marktwachstum teilzuhaben. Die im vergangenen Jahr hierzulande erreichte Zuwachsrate von 200 Megawatt neu installierter Leistung wertete Nowak als ebenso hoffnungsvolles Zeichen wie die zahlreichen Forschungsanstrengungen – und dass sich jetzt eben auch der Verband der Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen (VSE) an der Entwicklung interessiert zeige - und damit als Träger von Lösungen für die Zukunft gewonnnen werden konnte.

Die Kongress-Gastgeber-Stadt Basel gilt allerdings als Frontrunnerin bei der Anwendung der Photovoltaik, wie Regierungsrat Christoph Brutschin den über 600 TeilnehmerInnen in Erinnerung rief. Er skizzierte die Idee vom «Solarkraftwerk Basel», welches als Gesamtsystem die Nutzung der Solarenergie auf allen Ebenen fördere und die Grundlage schaffe, dass auch Basel bis ins Jahr 2075 eine 2000-Watt-Stadt werde. Allerdings: Derzeit werden die anvisierten Ausbauziele trotz Förderung noch nicht erreicht (zwei Megawatt pro Jahr). Der Ausbau der PV-Förderung, der bei Kombination mit einer solarthermischen Anlage und allgemeiner Sanierung greift, soll nun neue Dynamik in die Sache bringen. Zudem stehen für die nächsten drei Jahre 8,5 Millionen Franken für die Errichtung von Anlagen auf kantonalen Gebäuden zur Verfügung. Und ein Solarkataster inklusive Beratung wirken ebenso unterstützend wie die vereinfachte Bewilligungspraxis (die mit dem neuen Raumplanungsartikel nach der Abstimmung von anfangs März schweizweit gilt).

Der Frage, ob die Solartechnik den Durchbruch schon geschafft habe, widmete sich Christoph von Bergen, Geschäftsleiter Sputnik Engineering AG aus Biel. Zumindest was seine Wechselrichterfirma betrifft, kann man seine Frage uneingeschränkt bejahren – zählt sie 20 Jahre nach der Gründung doch rund 360 MitarbeiterInnen. Entscheidende Wegmarke des Sputnik-Erfolgs war gemäss von Bergen die Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in Deutschland, anfangs des neuen Jahrtausends von der rot-grünen Regierung auf den Weg gebracht. Sputnik hat Solaranlagen mit rund 3,5 Gigawatt Leistung weltweit ausgerüstet und damit angesichts der rund 100 Gigawatt erstellten Leistung den beachtlichen Weltmarktanteil von über drei Prozent.

Der erfolgreiche Unternehmensgründer forderte klare Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Marktentwicklung und verwies darauf, dass die Förderpreise im Rahmen der Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) auch hierzulande durch ihre stetige Senkung bei gleichzeitiger Markterweiterung ihren Zweck sehr wohl erfüllt hätten. Auch die Wechselrichterpreise hätten sich im übrigen in den vergangenen vier Jahren halbiert. Als nächster Schritt steht gemäss von Bergen die Einbettung der Solarenergie in das gesamte Stromsystem an – hierzulande etwa durch Kombination mit der Wasserkraft sowie ganz allgemein durch gemeinsame Anstrengungen für geeigente Speicherlösungen. Letztere würden allerdings erst bei wesentlich höheren Mengen Solarstroms nötig – etwa bei acht Prozent gegenüber dem halben bereits erreichten. Standardisierte Normen und aktualisierte Vorschriften bezeichnete der Sputnik-CEO als nötige Ergänzungen und erinnerte an die eigentliche Rolle der Solarenergie – sie bezeichnete er als «Cleantech pur».

Passt solcher Optimismus mit den Vorstellungen der eidgenössischen Energiepolitik und insbesondere mit der bereits vernehmlassten Energiestrategie 2050 zusammen? Pascal Previdoli vom Bundesamt für Energie (BfE) versuchte eine Antwort. Und stellte sie in Zusammenhang mit der Speicherfrage – obwohl derzeit hierzulande noch kaum Probleme mit überschüssigem Solarstrom zu eruieren sind. Einmal vorhanden, sind Überschüsse sowohl im Tages- wie im Jahreverlauf zu verlagern.

Gleichzeitig erinnerte Previdoli daran, dass sich eben nicht nur bei der Solarenergie Probleme ergäben. Atomkraft etwa leide nicht nur an stark erhöhten Kosten, sondern vor allem auch an den langen Fristen, die zu ihrer Erstellung beansprucht werden (Anmerkung Solarmedia: Ein neues AKW könnte nach langer Planungs-, Politik- und Realisierungsphase erst in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts realisiert werden). Für eine flexible Energiepolitik eignet sich gemäss dem Bundesvertreter die Atomkraft also keinesfalls. So wandte er sich erneut der Solarenergie zu und verwies auf die Notwendigkeit von deren Flexibilisierung – etwa durch Anlagen in den Alpen mit hervorragenden solaren Einstrahlungsbedingungen oder auch die Erstellung von Freiflächenanlagen und solchen mit Ost-West-Ausrichtung, um die täglichen Spitzen des Energieaufkommens zu glätten.

Für eine Betrachtung des Gesamtsystems plädierte auch Michael Frank, Direktor des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE). So oder so müsse die künftige Stromversorgung auf einen Mix verschiedener Energiequellen aufbauen. Wobei für den VSE die Versorgungssicherheit zuvorderst stehe – und zwar für eine weiter gewachsene Schweizer Bevölkerung von bis zu neun Millionen EinwohnerInnen. Der Photovoltaik attestierte Frank eine hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung – ausser im Falle von Freilandflächen (Anlagen in der offenen Landschaft statt auf Gebäuden und Infrastrukturen). Am Grundanliegen der Solarkreise – einer stark erhöhten photovoltaischen Stromerzeugung – mochte Frank aber keine Kritik üben. Das hatte bis vor kurzem noch anders getönt.

Swissolarpräsident Roger Nordmann, seines Zeichens auch Waadtländer SP-Nationalrat, liess es sich trotz solchen Entgegenkommens nicht nehmen, vor allem die grossen Stromproduzenten stark zu kritisieren. Diesen warf er eine Dinosaurier-Mentalität vor, gleichzeitig die Bereitschaft der Strombranche insgesamt lobend, bei der Entwicklung der Erneuerbaren Energien nunmehr zusammen zu arbeiten. Eine Absage erteilte Nordmann dem Zubau von Gaskraftwerken als Übergangslösung, denn sie seien wegen ihres hohen CO2-Ausstosses ein «klimapolitischer Sündenfall» - und bei heutigen Preisen schon gar nicht konkurrenzfähig. Nicht umsonst habe etwa einer der Dinos, die Westschweizer Alpiq, im Ausland Gaskraftwerke still gelegt.

Stark kritisierte Nordmann die kürzlich ins Spiel gebrachte Entschädigungspflicht für die Stlllegung von AKW nach mehr als 40 Jahren Betriebszeit. Diese seien ja längst abgeschrieben – und bereits abgewrackte Autos erhielten auch keine solche Prämie. Die Photovoltaik sei hingegen eine einfach zu erntende Frucht, die entgegen vielfach noch bestärkter Vorurteile unterdessen nicht mehr teuer sei, die auch nicht nur mittags Strom liefere, die vorderhand keines Netzausbaus bedürfe, die auch im Winter Erträge liefere (siehe alpine Anlagen) und deren Komponenten sehr wohl recyclierbar seien (was aufgrund der langen Laufzeiten einfach noch kein Problem darstelle). Nordmann hat im übrigen in einer Studie auch nachgewiesen, dass sich Wasser- und Solarkraft hierzulande aufgrund ihres zeitlich teils unterschiedlichen Anfalls sehr gut ergänzen, und damit sowohl den Netz- wie den Speicherbedarf relativierten.
 
© Solarmedia

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