Freitag, 1. Juli 2011

Revolution kommt von unten

Die kommunalen Stadtwerke sind inzwischen die Turbolader in Sachen Klimaschutz, hält die Projektierungsgesellschaft Wirsol fest. Über Bürgerbeteiligungen schaffen sie demnach auf intelligente Weise die nötige Akzeptanz für erneuerbare Energien. Was hier exemplarisch für Deutschland aufgezeigt wird, gilt analog für hiesige Verhältnisse: Dezentralisierung heisst das Stichwort.

Keine politische Diskussion kommt derzeit ohne Energiewende aus. Ein Konsens über den richtigen Weg rückt einstweilen in immer weitere Ferne. Einig ist man sich allenfalls darin, dass noch gestritten werden muss über Sinnhaftigkeit, Machbarkeit und Vorgehensweise. Die Debatten zeigen aber vor allem eines: Die erneuerbaren Energien gehorchen anderen Gesetzen. Sie sind nicht zentral organisierbar wie die konventionelle Energiewirtschaft. Sie sind dezentral als natürliche Umgebungsenergie an jedem Ort vorhanden und müssen deshalb auch dezentral genutzt werden. „Jede Revolution kommt von unten“, sagt Markus Wirth, Vorstand der Wirsol Solar AG, einem der größten Photovoltaik-Dienstleister Deutschlands. „Die Energiewende kann man nicht am Berliner Reißbrett planen.“

Wie die Energiewende in der Realität funktioniert, erfährt man auf den Treffen der Branche, zum Beispiel auf der „Eurosolar“ in Darmstadt. Das Top-Thema: Die Rekommunalisierung der Stromnetze. Was sperrig klingt, ist nichts weniger als der Beginn einer Demokratisierung des Energiemarktes. Zum Hintergrund: Konzessionsverträge für Strom- und Gasverteilernetze galten früher für 50 Jahre – eine endlos lange Zeit und daher ein mächtiges Instrument in den Händen der großen Energieversorger. Der Gesetzgeber schob dieser Praxis vor 20 Jahren einen Riegel vor und verkürzte die Vertragslaufzeit auf maximal 20 Jahre - diese Angaben gelten für Deutschland und differieren teils in der Schweiz.

Nun laufen bis 2013 rund 3000 dieser Verträge aus. Die Kommunen (resp. Gemeinden und Kantone hierzulande) stehen damit vor der Qual der Wahl. Denn neben einer Vertragsverlängerung mit den bisherigen Netzbetreibern oder der Wahl eines neuen Partners gibt es eine weitere Option: Der Ankauf des Netzes und die Gründung eigener Stadtwerke. „Volkswirtschaftlich relevante Infrastrukturen sind in kommunaler Hand viel besser aufgehoben“, sagt Timm Fuchs vom Deutschen Städte- und Gemeindebund, „denn Kommunen sind dem Gemeinwohl verpflichtet und nicht den finanziellen Interessen Einzelner.“ Damit seien Instandhaltung und Versorgung auf das Wohl der Allgemeinheit und nicht auf Investoreninteressen gerichtet.

Es geht um die wohl gewaltigste Systemtransformation der letzten 100 Jahre. Und die kann von regionalen Versorgern deshalb besonders glaubhaft übernommen werden, weil gerade sie durch ihre örtliche Nähe das nötige Wissen besitzen, um lokale Synergien zu erkennen und zu nutzen – ein Vorteil, der im Bereich der erneuerbaren Energien gar nicht hoch genug bewertet werden kann. Durch die Stärkung der eigenen Stadtwerke erhält eine Gemeinschaft außerdem die Möglichkeit, direkten Einfluss auf regionale Erzeugungskapazitäten zu nehmen. Die standortgemäße Entwicklung von Ökologie und Infrastruktur ist dabei ein weiterer natürlicher Schritt. „Es gilt nach wie vor, dass die Menschen vor Ort die Dinge meist kompetenter beurteilen können, als irgendwo von einem fernen Schreibtisch aus“, sagt Fuchs, der die allmähliche Entwicklung der Kommunen hin zur Selbstversorgung seit Jahren unterstützt.

Das nötige Know-How ist allerdings auch hier die Grundvoraussetzung für den Erfolg. Deshalb ist die Auswahl der richtigen Partner das zentrale Erfolgskriterium auf dem Weg in die Unabhängigkeit. Idealer Weise handelt es sich um solche Partner, die willens sind, ihr Know-How auch zu vermitteln. Nur so steht am Ende die Transformation vom Versorgten zum Versorger. Johannes van Bergen, Geschäftsführer der Stadtwerke Schwäbisch Hall, hat bereits mehrere Kommunen bei der Netzübernahme und auf dem Weg in die Selbstversorgung begleitet: „Die positiven Effekte liegen vor allem im Querverbund“, erklärt er, „also in der Fähigkeit, die vorhandenen Strom-, Gas-, Wasser-, Fernwärmeressourcen und die erneuerbaren Energien zu einem an diesem Ort schlüssigen Gesamtkonzept zusammenzuführen.“ Ein Querverbund, der nicht zuletzt steuerliche Vorteile verspricht. Denn auf diese Art können weniger erfolgreiche Sparten mit gewinnbringenden verrechnet werden und so die Steuern für letztere senken.

Unverzichtbar ist es, die Bürger in die neuen Strukturen der Energiewende einzubinden.
Aber auch bei der Schaffung gesellschaftlicher Akzeptanz haben die Stadtwerke klare Vorteile gegenüber den großen Versorgern. Der Name und die handelnden Personen sind vor Ort bekannt, das schafft Vertrauen und die Bereitschaft zum Diskurs. „Frühzeitige Information ist nicht zuletzt eine Frage der örtlichen Nähe“, sagt Markus Wirth.

Quellen: WIRSOL SOLAR AG / Sonnenseite

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