Nach eingehender Prüfung der Vernehmlassungsvorlage bestätigt
die Agentur für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz (A EE) ihre erste Einschätzung, wonach die Energiestrategie 2050 in
die richtige Richtung weist, wenngleich grundsätzliche Annahmen zu
hinterfragen bzw. zu korrigieren und verschiedene Massnahmen für die
Zielerreichung zu optimieren sind. Die Krux liegt unter anderem bei der Photovoltaik.
Trotz der durch den Entscheid für einen Atomausstieg erkennbaren
Dominanz der Elektrizitätsfrage anerkennt die A EE, dass der Bundesrat
mit der Energiestrategie 2050 keine reine Stromstrategie, sondern eine
Gesamtenergiestrategie vorlegt.
Mit Ausnahme der Photovoltaik, die
einmal mehr ungerechtfertigt als „Sonderfall“ behandelt wird, entwickelt
die Energiestrategie 2050 eine ausgewogene Gesamtsicht, die alle
erneuerbaren Energien integriert. Sie müsste jedoch noch stärker bei
Primärenergieträgern und den jeweiligen Anwendungen, von denen die
Elektrizitätsproduktion eine ist, ansetzen.
Stiefmütterliches Dasein für die Photovoltaik in der Schweiz - die A EE und Umweltverbände verlangen, dass die Solarstromerzeugung sofort einen wichtigen Stellenwert in der Energiewende erhält - Bild: Guntram Rehsche
Mit der Umsetzung einer in verschiedenen Aspekten optimierten
Energiestrategie 2050 kann es gelingen, die Abhängigkeit der Schweiz und
ihrer Wirtschaft von nuklearen und fossilen, aus dem Ausland
importierten Energieträgern langfristig zu reduzieren und die
Energieversorgung auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz
umzustellen.
Dann ist der Umbau des Energiesystems wirtschaftlich
attraktiv, sozial ausgewogen und finanziell tragbar. So wird sie nicht
nur Kosten verursachen, sondern der Wirtschaft – national, aber vor
allem für das Gewerbe in den Regionen – positive Impulse geben und
nachhaltig für mehr Beschäftigung und Einkommen sorgen. Mit
verlässlichen und wirtschaftlich tragfähigen Rahmenbedingungen, von
denen einige nachfolgend näher ausgeführt werden, wird die Energiewende
zu einer Chance für die kommunalen Räume der ganzen Schweiz.
Langfristige absolute Mengenziele, Kontingente und
„Deckel“, wie sie die
Energiestrategie 2050 vorgibt, sind nicht nur methodisch fragwürdig,
sondern wirken kontraproduktiv, indem sie die Kosten der erneuerbaren
Energien künstlich hoch halten. Wirksamer sind Zwischenziele, die über
den heute bereits durch die KEV-Zusagen finanzierten Ausbau hinausgehen.
Eine Kontingentierung – gesamthaft oder für einzelne Technologien – ist
grundsätzlich abzulehnen.
An der auch in der Vorlage fortgesetzten Blockade der Photovoltaik, die
weit hinter deren tatsächlichem Potenzial zurückbleiben soll, wird eine
grosse Herausforderung für die Umsetzung der Energiestrategie 2050
sichtbar: Mit gerade einmal 5 Jahren ab erwartetem Inkrafttreten bleibt
für die erste Etappe der Energiestrategie nur wenig Zeit. Schon heute
müssen deshalb Voraussetzungen für die Zielerreichung geschaffen werden.
Hierzu zählen auch Zwischenziele, um die Potenziale auszuschöpfen bzw.
Fortschritte auf dem Zielpfad überprüfen und gezielt nachsteuern zu
können. Die in der Vorlage mit Kontingenten unterlegte Etappierung beim
Zubau der Photovoltaik ist abzulehnen. Dass bis 2020 lediglich 6% des
bis 2050 geplanten PV-Zubaus realisiert werden soll, ist in keiner Weise
begründbar. Soll die in der Energiestrategie 2050 angepeilte
PV-Strommenge von rund 10.5 TWh bis 2050 erschlossen werden (was die A
EE als eine bescheidene Zielgrösse erachtet, vgl. dazu
10-Punkte-Programm, März 2011), ist ein wesentlich höheres Tempo
erforderlich. Wird der Zubau von Photovoltaik-Anlagen beschleunigt,
können sowohl Stromimporte reduziert als auch neue fossile
Stromproduktionsanlagen weitgehend vermieden werden.
In diesem Zögern ist vor allem die unbegründete Angst vor
„bundesdeutschen Verhältnissen“ zu erkennen. Neue PV-Anlagen produzieren
jedoch immer günstiger – Gestehungskosten von von 25 Rp./kWh und
weniger sind heute bei grösseren Anlagen Realität, vor allem wenn der
Markt nicht länger durch Stop-and-Go-Signale verunsichert wird. Eine
Begrenzung der Photo-voltaik auf 600 GWh bis 2020, wie sie die Vorlage
vorsieht, würde eine Zerschlagung des PV-Marktes der Schweiz bedeuten
mit entsprechend negativen volkswirtschaftlichen Auswirkungen.
Ebenfalls unzureichend ist die Wärmegewinnung aus erneuerbaren Energien.
Neben Holz und anderer Biomasse bleibt abermals das solare Potenzial
für den Ersatz fossiler Brennstoffe und der elektrischen Wärmeerzeugung
unausgeschöpft.
Die Energiestrategie 2050 entwickelt
kein durchgängiges Energiesystem
von der Produktion über die Bereitstellung bis zum Verbrauch. So wird
zwar die Notwendigkeit neuer Elektrizitäts-speicher im erläuternden
Bericht betont, in der Vorlage jedoch ausschliesslich auf
Pumpspeicherkraftwerke ausgelegt. Die fehlende Gesamtsicht bestehender
und künftig notwendiger Infrastrukturen wird zu einem späteren Zeitpunkt
mit erheblichem Zusatzaufwand zu beheben sein. Dabei gilt es, das
Schweizer Stromnetz in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht
„europafähig“ und für dezentrale Kleinkraftwerke fit zu machen. Für die
Planung von Netzen und Speichern müssen zudem Stromimporte und die Rolle
des Stromhandels einbezogen werden. Dazu fehlen jedoch verbindliche
Aussagen zum Abschluss eines Energieabkommens mit der EU sowie
Regelungen zur Behandlung des importierten Stroms (CO2-Fracht,
Anrechenbarkeit von Strom aus erneuerbaren Quellen).
Insbesondere bleibt das Potenzial aus der Konvergenz von Strom-, Gas-
und Wärmenetzen für die Integration der erneuerbaren Energien und die
schrittweise Substitution fossiler Energieträger offen. So steht auch
die Annahme, wonach mindestens ein Gaskombikraftwerk zur Deckung der
Stromnachfrage benötigt werde, während das Potenzial (kleiner)
Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen nicht ausgeschöpft werden soll, Im
Widerspruch zu einer konsequenten Reduktion von CO2-Emissionen und dem
Ausbau dezentraler einheimischer Energien.
Welche Folgen das Fehlen eines umfassenden Energiemarktdesigns hat,
das
klare Zwischenziele vorgibt, wirksame und verlässliche Anreize für die
Akteure setzt und entsprechende Handlungsspielräume zulässt, wird in der
fahrigen deutschen Energiepolitik bereits sichtbar. Dies verunsichert
Investoren und belastet insbesondere Städte und Gemeinden. So werden sie
weder ihrem (gesellschaftlichen) Auftrag noch ihren Möglichkeiten
gerecht.
Seit Jahren investieren Stadt- und Gemeindewerke selbst in
erneuerbare Energien und bieten Investoren gezielte Anreize (kantonale
KEV, Solarstrombörsen). Andere weichen wegen der Blockadewirkung der
aktuellen Energiegesetzgebung (Mengenkontingente, Deckelung, langwierige
Bewilligungsver-fahren) ins Ausland aus und investieren dort in
erneuerbare Energien. Auch diese Anlagen im Ausland sind für die Schweiz
bedeutsam. Die Energiestrategie 2050 sollte diese deshalb
inventarisieren und in die Betrachtungen einbeziehen, mindestens
gleichwertig mit den Bezügen von Atomstrom aus Frankreich, die in den
Grafiken des Bundesrates prominent dargestellt werden. Nur mit einer Energiestrategie, die alle Elemente des Energiesystems
einbezieht, erhalten Investoren – private wie institutionelle –
Planungssicherheit und nur dann werden überholte Technologien von neuen,
besseren Technologien abgelöst.
Download der Medienmitteilung (PDF), vom 30.01.2013
Download der Stellungnahme
Kontakt und weitere Informationen:
Stefan Batzli, Geschäftsführer
A EE Agentur für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz
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