Mittwoch, 30. Januar 2013

Auch AEE sagt «Ja aber»

Nach eingehender Prüfung der Vernehmlassungsvorlage bestätigt die Agentur für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz (A EE) ihre erste Einschätzung, wonach die Energiestrategie 2050 in die richtige Richtung weist, wenngleich grundsätzliche Annahmen zu hinterfragen bzw. zu korrigieren und verschiedene Massnahmen für die Zielerreichung zu optimieren sind. Die Krux liegt unter anderem bei der Photovoltaik.

Trotz der durch den Entscheid für einen Atomausstieg erkennbaren Dominanz der Elektrizitätsfrage anerkennt die A EE, dass der Bundesrat mit der Energiestrategie 2050 keine reine Stromstrategie, sondern eine Gesamtenergiestrategie vorlegt.
Mit Ausnahme der Photovoltaik, die einmal mehr ungerechtfertigt als „Sonderfall“ behandelt wird, entwickelt die Energiestrategie 2050 eine ausgewogene Gesamtsicht, die alle erneuerbaren Energien integriert. Sie müsste jedoch noch stärker bei Primärenergieträgern und den jeweiligen Anwendungen, von denen die Elektrizitätsproduktion eine ist, ansetzen.


Stiefmütterliches Dasein für die Photovoltaik in der Schweiz - die A EE und Umweltverbände verlangen, dass die Solarstromerzeugung sofort einen wichtigen Stellenwert in der Energiewende erhält - Bild: Guntram Rehsche




Mit der Umsetzung einer in verschiedenen Aspekten optimierten Energiestrategie 2050 kann es gelingen, die Abhängigkeit der Schweiz und ihrer Wirtschaft von nuklearen und fossilen, aus dem Ausland importierten Energieträgern langfristig zu reduzieren und die Energieversorgung auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz umzustellen. Dann ist der Umbau des Energiesystems wirtschaftlich attraktiv, sozial ausgewogen und finanziell tragbar. So wird sie nicht nur Kosten verursachen, sondern der Wirtschaft – national, aber vor allem für das Gewerbe in den Regionen – positive Impulse geben und nachhaltig für mehr Beschäftigung und Einkommen sorgen. Mit verlässlichen und wirtschaftlich tragfähigen Rahmenbedingungen, von denen einige nachfolgend näher ausgeführt werden, wird die Energiewende zu einer Chance für die kommunalen Räume der ganzen Schweiz.

Langfristige absolute Mengenziele, Kontingente und
„Deckel“, wie sie die Energiestrategie 2050 vorgibt, sind nicht nur methodisch fragwürdig, sondern wirken kontraproduktiv, indem sie die Kosten der erneuerbaren Energien künstlich hoch halten. Wirksamer sind Zwischenziele, die über den heute bereits durch die KEV-Zusagen finanzierten Ausbau hinausgehen. Eine Kontingentierung – gesamthaft oder für einzelne Technologien – ist grundsätzlich abzulehnen.


An der auch in der Vorlage fortgesetzten Blockade der Photovoltaik, die weit hinter deren tatsächlichem Potenzial zurückbleiben soll, wird eine grosse Herausforderung für die Umsetzung der Energiestrategie 2050 sichtbar: Mit gerade einmal 5 Jahren ab erwartetem Inkrafttreten bleibt für die erste Etappe der Energiestrategie nur wenig Zeit. Schon heute müssen deshalb Voraussetzungen für die Zielerreichung geschaffen werden. Hierzu zählen auch Zwischenziele, um die Potenziale auszuschöpfen bzw. Fortschritte auf dem Zielpfad überprüfen und gezielt nachsteuern zu können. Die in der Vorlage mit Kontingenten unterlegte Etappierung beim Zubau der Photovoltaik ist abzulehnen. Dass bis 2020 lediglich 6% des bis 2050 geplanten PV-Zubaus realisiert werden soll, ist in keiner Weise begründbar. Soll die in der Energiestrategie 2050 angepeilte PV-Strommenge von rund 10.5 TWh bis 2050 erschlossen werden (was die A EE als eine bescheidene Zielgrösse erachtet, vgl. dazu 10-Punkte-Programm, März 2011), ist ein wesentlich höheres Tempo erforderlich. Wird der Zubau von Photovoltaik-Anlagen beschleunigt, können sowohl Stromimporte reduziert als auch neue fossile Stromproduktionsanlagen weitgehend vermieden werden.


In diesem Zögern ist vor allem die unbegründete Angst vor „bundesdeutschen Verhältnissen“ zu erkennen. Neue PV-Anlagen produzieren jedoch immer günstiger – Gestehungskosten von von 25 Rp./kWh und weniger sind heute bei grösseren Anlagen Realität, vor allem wenn der Markt nicht länger durch Stop-and-Go-Signale verunsichert wird. Eine Begrenzung der Photo-voltaik auf 600 GWh bis 2020, wie sie die Vorlage vorsieht, würde eine Zerschlagung des PV-Marktes der Schweiz bedeuten mit entsprechend negativen volkswirtschaftlichen Auswirkungen.
Ebenfalls unzureichend ist die Wärmegewinnung aus erneuerbaren Energien. Neben Holz und anderer Biomasse bleibt abermals das solare Potenzial für den Ersatz fossiler Brennstoffe und der elektrischen Wärmeerzeugung unausgeschöpft.

Die Energiestrategie 2050 entwickelt
kein durchgängiges Energiesystem von der Produktion über die Bereitstellung bis zum Verbrauch. So wird zwar die Notwendigkeit neuer Elektrizitäts-speicher im erläuternden Bericht betont, in der Vorlage jedoch ausschliesslich auf Pumpspeicherkraftwerke ausgelegt. Die fehlende Gesamtsicht bestehender und künftig notwendiger Infrastrukturen wird zu einem späteren Zeitpunkt mit erheblichem Zusatzaufwand zu beheben sein. Dabei gilt es, das Schweizer Stromnetz in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht „europafähig“ und für dezentrale Kleinkraftwerke fit zu machen. Für die Planung von Netzen und Speichern müssen zudem Stromimporte und die Rolle des Stromhandels einbezogen werden. Dazu fehlen jedoch verbindliche Aussagen zum Abschluss eines Energieabkommens mit der EU sowie Regelungen zur Behandlung des importierten Stroms (CO2-Fracht, Anrechenbarkeit von Strom aus erneuerbaren Quellen).
 

Insbesondere bleibt das Potenzial aus der Konvergenz von Strom-, Gas- und Wärmenetzen für die Integration der erneuerbaren Energien und die schrittweise Substitution fossiler Energieträger offen. So steht auch die Annahme, wonach mindestens ein Gaskombikraftwerk zur Deckung der Stromnachfrage benötigt werde, während das Potenzial (kleiner) Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen nicht ausgeschöpft werden soll, Im Widerspruch zu einer konsequenten Reduktion von CO2-Emissionen und dem Ausbau dezentraler einheimischer Energien.

Welche Folgen das Fehlen eines umfassenden Energiemarktdesigns hat,
das klare Zwischenziele vorgibt, wirksame und verlässliche Anreize für die Akteure setzt und entsprechende Handlungsspielräume zulässt, wird in der fahrigen deutschen Energiepolitik bereits sichtbar. Dies verunsichert Investoren und belastet insbesondere Städte und Gemeinden. So werden sie weder ihrem (gesellschaftlichen) Auftrag noch ihren Möglichkeiten gerecht. 


Seit Jahren investieren Stadt- und Gemeindewerke selbst in erneuerbare Energien und bieten Investoren gezielte Anreize (kantonale KEV, Solarstrombörsen). Andere weichen wegen der Blockadewirkung der aktuellen Energiegesetzgebung (Mengenkontingente, Deckelung, langwierige Bewilligungsver-fahren) ins Ausland aus und investieren dort in erneuerbare Energien. Auch diese Anlagen im Ausland sind für die Schweiz bedeutsam. Die Energiestrategie 2050 sollte diese deshalb inventarisieren und in die Betrachtungen einbeziehen, mindestens gleichwertig mit den Bezügen von Atomstrom aus Frankreich, die in den Grafiken des Bundesrates prominent dargestellt werden. Nur mit einer Energiestrategie, die alle Elemente des Energiesystems einbezieht, erhalten Investoren – private wie institutionelle – Planungssicherheit und nur dann werden überholte Technologien von neuen, besseren Technologien abgelöst.

Download der Medienmitteilung (PDF), vom 30.01.2013
Download der Stellungnahme

Kontakt und weitere Informationen:
Stefan Batzli, Geschäftsführer
A EE Agentur für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz

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