Die Frage steht im Raum: Kann die Schweiz ihre Stromversorgung auf 100% erneuerbar umstellen? Der Dachverband der erneuerbaren Energiewirtschaft A EE ist überzeugt, dass das nicht nur technologisch möglich und sinnvoll ist, sondern dass eine konsequente Umstellung auf eine erneuerbare Energieversorgung die Schweizer Volkswirtschaft für die Zukunft entscheidend stärken wird. Ob das gelingt, ist aber vor allem eine Frage des politischen Willens.
Die erneuerbaren Energien erleben weltweit einen eindrücklichen Boom. Keine Energie kann nur annähernd vergleichbare Wachstumsschübe vorweisen. Allein die Windenergie hat letztes Jahr zehnmal die Kapazität eines Atomkraftwerkes Gösgen ans Netz gebracht. Die Preise für Solarmodule sinken rapide. Peter Pauli, CEO des weltweit operierenden Schweizer Solarunternehmens Meyer Burger, hat unlängst angekündigt, dass die Netzparität bereits 2012/13 erreicht sein wird. Dann wird auch im mittleren Haushaltsstrom-Bereich Energie vom Solardach zum gleichen Preis erhältlich sein wie der Strom aus der Steckdose!
Klimawandel und die wachsende Einsicht, dass Kohle, Gas und Uran erschöpflich sind, steigern die Akzeptanz erneuerbarer Energien. Zusätzlich schärfen Ereignisse wie die aktuelle Ölkatastrophe im Golf von Mexiko das Bewusstsein für die immensen Risiken, die die konventionelle Energiegewinnung latent begleiten. Und schliesslich ist es ein volkswirtschaftliches Gebot, die gefährliche Abhängigkeit von Energieressourcen aus oftmals politisch instabilen Ländern zu durchbrechen. Dass man dafür auf heimische Ressourcen wie Wasser, Wind und Sonne und auf Technologien setzt, die im eigenen Land entwickelt werden und so Tausende von Arbeitsplätzen sichern, ist ein Akt der Vernunft. Allein die Sonne strahlt jährlich 40'000 Milliarden Kilowattstunden auf das Gebiet der Schweiz. Das ist rund 220-mal mehr Energie, als die gesamte Schweiz verbraucht! Aktuell liegt der Beitrag, der tatsächlich genutzt wird, jedoch bei nicht einmal einem halben Prozent des Wärmeverbrauchs und gar nur einem halben Promille des Strombedarfs. Es ist unbestritten, dass angesichts dieser bescheidenen Ausschöpfung dringender Handlungsbedarf besteht.
Wenn der Wechsel hin zu einer nachhaltigen und einheimischen Energieversogung gelingen soll, sind jetzt die Weichen zu stellen. Und noch halten wir alle Trümpfe in der Hand, die Chance der globalen Energierevolution zu ergreifen. Denn wenn ein Land für diesen Schritt prädestiniert ist, dann ein hochindustrialisiertes und hochtechnisiertes Land wie die Schweiz, das dank natürlicher Gegebenheiten und der frühen Leistung seiner Energiepioniere bereits einen hohen Anteil ihres Strombedarfs mit Wasserkraft deckt. Wer heute von einer „Stromlücke“ spricht, sollte also nicht das fragliche Szenario einer drohenden Unterversorgung mit Energie meinen, sondern die rund 40% des Stromes, die heute in konventionellen Kraftwerken erzeugt werden. Diese Lücke vollständig mit erneuerbarer Energie zu schliessen, muss zum volkswirtschaftlichen Kredo werden! Internationale Studien zeigen, dass Länder, welche diesen Wechsel zu spät vollziehen, künftig massiv an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Die Preise für herkömmliche Energie werden, streng nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage, weiter steigen. Bleiben wir im selben Masse vom Ausland abhängig, wird das für die Schweiz, ihre Unternehmen und ihre Bürgerinnen und Bürger fatale Folgen haben.
Der erfolgreiche Wechsel zu einer Energieversorgung, die vollumfänglich auf erneuerbaren Energien beruht, erfordert deshalb ein eindeutiges politisches Bekenntnis. Dabei ist nicht in erster Linie und ausschliesslich an finanzielle Fördermittel zu denken. Ebenso wichtig sind verlässliche Rahmenbedingungen. Eine Stop-and-Go-Politik schreckt die Investoren und verhindert ein kontinuierliches Wachstum. Für Investitionsentscheidungen zentral wichtig sind die Dauer des Bewilligungsverfahrens und die zu erwartende Rendite. Noch werden in der Schweiz die Investoren viel zu lange im Ungewissen darüber gehalten, ob sie ihre Projekte realisieren können und mit welcher Vergütung gerechnet werden darf. Und auch hier gilt das einfache ökonomische Prinzip, dass ein höheres Risiko mit einer entsprechend höheren Renditeerwartung entschädigt werden muss.
Es ist die Politik, die schlussendlich die Hebel in die eine oder andere Richtung umlegen wird. Mittelfristig werden von einer Umstellung auf erneuerbare Energien die einheimische Industrie und das einheimische Gewerbe profitieren. Langfristig ist es die gesamte Schweiz, die damit ihren Wohlstand sichert und sich auch in Zukunft als moderne und innovative Volkswirtschaft an der Spitze des internationalen Wettbewerbs halten wird.
In der Agentur für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz A EE sind rund 30 Organisationen, Verbände und Unternehmen zusammengeschlossen, die sich für eine nachhaltige Energiepolitik, für die Förderung erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz einsetzen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1996 verfolgt sie das Ziel, positive wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Energiepolitik zu schaffen. Die A EE fördert den Dialog zwischen energiepolitischen Akteuren und leistet mit ihren Studien einen Beitrag zur Fachdiskussion. www.aee.ch
© Text: Stefan Batzli, Dr. Oliver Wimmer, Geschäftsleitung A EE
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