Das vorneweg – eine unmittelbare Volksabstimmung über die
Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) scheint vom Tisch. Wie mehrere Schweizer
Medien in den vergangenen Tagen übereinstimmend berichteten, kommt das
Referendum gegen eine erhöhte Stromabgabe zugunsten der Erneuerbaren Energien (auf höchstens 1,5 Rappen pro
Kilowattstunde) voraussichtlich nicht zustande. Da hat auch die Unterstützung
einiger politischer Hardliner wie jene von Filippo Leutenegger (Stadtzürcher
FDP-Nationalrat und Stadtratskandidat), von Alt-Bundesrätin Elisabeth Kopp und
Polit-Immunologe Beda Stadler nichts genützt. Das von Christian
Riesen, AKW-Mitarbeiter aus Wangen bei Olten, im Alleingang lancierte Referendum kommt laut eigenen Aussagen
kaum auf die erforderlichen 50'000 Unterschriften – mehr wird man nächste Woche wissen.
Soeben hat auch der Verband der Schweizer
Elektrizitätsunternehmen (VSE) in einem Bericht seine Vorstellungen umrissen,
wie der hiesige Strommarkt in Zukunft aussehen soll. Wenig verwunderlich, wenn
darin die bisherige Förderung der Erneuerbaren Energien mit der KEV ebenfalls schlecht wegkommt, obwohl der VSE dem Referendum die Unterstützung versagte. Mit dem wirtschaftspolitischem
Instrument zur Etablierung eines neuen Marktes (eben der neuen Erneuerbaren
Energien (EE) wie Wind, Sonne, Biomasse und Kleinwasserkraft) hatte sich der VSE nie
anfreunden können. Obwohl damals bei der Einführung ein anderes Argument
als heute für die Kritik herhalten musste: Damals – so vor rund fünf Jahren –
wurde die Ergiebigkeit der EE und deren Potential für den Ersatz etwa der
Atomkraft rundweg abgestritten. Noch-Axpo-Chef Heinz Karrer sah dieses
Potential noch für lange Zeit bei einem tiefen einstelligen Prozentbetrag –
gemessen an der Gesamtstromproduktion (die wiederum nur einen Teil der
Gesamtenergieproduktion ausmacht).
Doch das immerhin hat der VSE unterdessen realisiert,
weniger aufgrund der Gegebenheiten hierzulande (wo der EE-Anteil unterdessen um
die drei Prozent liegen dürfte): Das Potential der Erneuerbaren liegt effektiv
weit höher, das beweist nicht zuletzt das nördliche Nachbarland, das
unterdessen auf einen Nur-Solar-Anteil von sechs, einen Windanteil von neun und
einen Gesamt-EE-Anteil von rund einem Viertel kommt. Erreicht wurde der
phänomenale Erfolg durch die deutsche Einspeisevergütung, die der Schweizer KEV ganz
ähnlich ist.
Die Umlage einer Abgabe auf dem herkömmlich erzeugten Strom
zur Verbilligung der EE ist also ein voller Erfolg, gemessen an der
Markteinführung, die unterdessen in rund 60 Ländern weltweit auf diesem Prinzip
beruht. Und genau das ist unterdessen das Problem, es hat nicht mehr zuwenig,
sondern je nach Sichtweise zu viel Erneuerbare Energie. Grund für die
etablierten Stromunternehmen, ihre Argumentation umzustellen. Der VSE erwartet
gemäss der mit der Boston Conulting Group erstellten Studie, dass sich der
Wettbewerb für die Stromerzeuger massiv verschärfe. Die momentane Auslegung der
KEV verhindere, dass vorhandene Mittel in die effizienteste Form der
Energieerzeugung investiert werden. Die Studie "Schweizer Stromwirtschaft:
Durch falsche Anreize ins Abseits?" weist aus, dass zurzeit jene Projekte
priorisiert werden, die am wenigsten öffentlichen Widerstand erfahren.
Insbesondere kleinere Photovoltaikanlagen werden in grosser Zahl realisiert.
Aber auch die Ökonomenzunft zieht gegen die KEV ins Feld. So
etwa unlängst Beat Hotz-Hart (siehe Bild), abtretender Professor für Angewandte Volkswirtschaftslehre an
der Universität Zürich, der stets eine praxisorientierte
Wirtschaftswissenschaft betrieb. In seiner Abschiedsvorlesung «Radikale
Innovationen als Voraussetzung für den Erfolg der Energiepolitik» sprach er
sich aus für eine Energiewende, die auch die sozioökonomischen Randbedingungen
beachtet – ohne diese näher zu umreissen.
Näher ging Hotz-Hart – von dem in diesen Tagen ein neuer
Innovationsreader unter dem Titel «Nationen im Innovationswettlauf: Ökonomie und Politik der Innovation» erscheint – ein auf
den aus seiner Sicht nötigen Ersatz der KEV. Nicht ohne die energiepolitischen
Voraussetzungen in Erinnerung zu rufen. Die da unter anderem sind: Atomenergie
hat keine Chance mehr in der Schweiz und manöveriert sich auch ökonomisch ins
Abseits. Die Europäische Union muss ein Partner sein bei der Energiewende,
sonst wird alles nur noch viel schwieriger – was aber auch heisst, dass die
Schweiz das dreimal 20 Ziel der EU adapatieren muss (20% weniger CO2, 20% mehr
Erneuerbare Energie, 20% Energieefizienz bis 2020). Und diese EU insgesamt hat in den letzten Jahren sehr wohl
und markant vorwärts gemacht mit den Erneuerbaren, nicht etwa nur Deutschland.
Allerdings waren die präsentierten Zahlen, wie so oft in diesem Bereich, wo die
Entwicklung rasant vor sich geht, nicht immer auf dem neuesten Stand. So
wird etwa im laufenden Jahr in Deutschland bereits ein Solarstromanteil von
über sechs, in der Schweiz von unterdessen immerhin über einem Prozent erreicht
– immer gemessen an der Gesamtstromproduktion. Und Japan hat im laufenden Jahr
eine geradezu phänomenale Ausweitung der Photovoltaik erfahren (gegen vier Gigawatt
an neuen Anlagen) – auch wiederum nur dank einer KEV-ähnlichen Regelung.
Alternativen zur Einspeisevergütung sieht Hotz-Hart auch nur
in jenen Instrumenten, die im Ausland diskutiert werden, deren Unterlegenheit
gegenüber der KEV aber zumindest solange evident ist, als es in erster Linie
darum geht, überhaupt Kapazitäten für Erneuerbare Energien zu schaffen. Was in
der Schweiz (anders als etwa in Deutschland) zumindest noch einige Jahre der
Fall sein dürfte. Und es scheint auch unlogisch, der KEV ökonomische
Sinnhaftigkeit abzusprechen (wie das auch der oben zitierte VSE tut), aber
gleichzeitig der Schaffung von Reservekapazitäten im fossilen Bereich das Wort
zu reden – der Unterschied zur KEV ist nicht allzu gross respektive der
Mechanismus recht ähnlich. Die Untauglichkeit eines Quotenmodells wiederum wurde durch
den Solarmedia-Blog schon verschiedentlich belegt (siehe Artikel vom 28.8.2012) und vom 11.9.2012). So
hinkt die hiesige energiepolitische Diskussion jener im Ausland weit hinterher
und wird sich noch sputen müssen, effektiv neue Perspektiven zu eröffnen.
Vorderhand scheint trotz allem die KEV das schlechteste Mittel für den Aufbau
von Kapazitäten der Erneuerbaren Energien nicht zu sein.
© Solarmedia
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