Das EU-Parlament hat die Neuregelung der RoHS-Richtlinie beschlossen. Die Photovoltaik-Industrie darf weiter Cadmium einsetzen. Einer der Branchenleader, First Solar, produziert Solarmodule auf Cadmiumtellurid-Basis - dessen Giftigkeit seit langem umstritten ist (siehe auch Solarmedia vom 18. Mai 2010). Zu Ende geht damit auch eine erbitterte Schlacht der Lobbyisten.
Das EU-Parlament hat die Novelle der RoHS-Richtlinie gebilligt. Dieses Gesetz regelt den Einsatz von bestimmten gefährlichen Stoffen in Elektro- und Elektronikgeräte, die in der EU verkauft werden. Die Photovoltaik-Industrie bleibt von der Richtlinie weiterhin ausgenommen, wie die Abgeordneten in Straßburg nun endgültig entschieden. Das EU-Parlament votierte mit 640 Stimmen für die Annahme einer Vorlage des EU-Umweltausschusses zur RoHS-Novelle. Drei Abgeordnete stimmten dagegen, 12 enthielten sich der Stimme.
Die Vorlage nimmt auf Vorschlag des Abgeordneten Chris Davies weiterhin alle Erneuerbaren-Energien-Technologien in der neuen Regelung weiterhin aus. Damit können vor allem die beiden Unternehmen, First Solar - aus deren Produktion das Bild stammt - und Calyxo aufatmen, die Dünnschichtmodule auf Cadmiumtellurid-Basis herstellen. Die Existenz dieser Unternehmen wäre gefährdet gewesen, hätte die EU das Cadmium-Verbot der RoHS-Novelle auf die Solarbranche ausgeweitet. Die Richtlinie dürfe die Entwicklung von Technologien der erneuerbaren Energien nicht verhindern, da sie keine Gefahr für die Umwelt darstellten, hieß es in dem Amendment von Davis. Die RoHS-Novelle sollte im Einklang mit den Klimazielen der EU stehen und die Entwicklung von nachhaltigen, wirtschaftlich entwicklungsfähigen Energieformen weiterhin ermöglichen. Die Neufassung der RoHS-Richtlinie muss nun noch formell vom Europäischen Rat verabschiedet werden. Diese Zustimmung gilt als sehr wahrscheinlich.
Im Vorfeld der Entscheidung gab es ein reges Treiben der Lobbyisten in Brüssel. Die „Non Toxic Solar Alliance“ (NTSA) war massiv für die Ausweitung des Cadmium-Verbots auf die Photovoltaik-Industrie eingetreten. Lobbycontrol hat die Aktivitäten der NTSA genauer beleuchtet und ein Dossier dazu veröffentlicht. Es zeigt, dass die Initiative von der Berliner Lobbyagentur Bohnen Kallmorgen und Partner gegründet und gesteuert wurde. Nach außen versuchte sich die NTSA als gemeinnützige Initiative aus Wissenschaftlern, Solarunternehmern und Zivilgesellschaft darzustellen. Lobbycontrol hat versucht die Hintergründe zu recherchieren. Dabei stellte die Initaitive für Transparenz und Demokratie fest, dass die Finanzierung der NTSA völlig schleierhaft sei genauso wie die Auftraggeber der Kampagne. Die NTSA, die im Dezember 2009 von Mitarbeitern der Berliner Lobbyagentur gegründet worden war, hatte seit Monaten bei EU-Parlamentariern für eine Ausweitung der RoHS-Novelle auf die Photovoltaik-Industrie geworben. Dabei wurden auch immer wieder verschiedene Studien in Auftrag gegeben, die die Gefährlichkeit von Cadmium für die Gesundheit von Menschen nachwiesen. Die NTSA sei in Brüssel allerdings aufgetreten „wie eine Lobbyorganisation, die unter dem Deckmantel einer zivilgesellschaftlichen Initiative die Interessen von Teilen der Solarindustrie vertritt oder vertreten will – möglicherweise mit dem Ziel, ungeliebte, weil günstig produzierende Konkurrenz loszuwerden“, heißt es im Dossier von Lobbycontrol.
Daher wurde auch immer wieder eine Nähe zu den großen Herstellern kristalliner Photovoltaik-Produkte vermutet. Diesen kann Lobbycontrol allerdings nicht wirklich nachweisen. Die NTSA selbst dementierte immer wieder Berichte, dass sie von großen Solarunternehmen finanziert wird. Nach Angaben von Lobbycontrol halten sich aber hartnäckig zwei Gerüchte über die Geldgeber im Hintergrund. Zum einen, Frank Asbeck, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Solarworld AG, finanziere die NTSA aus seinem Privatvermögen. Dies wurde vom Bonner Konzern auf Anfrage von Lobbycontrol dementiert. Zum anderen werde ein Hedgefonds hinter der NTSA vermutet. „Dieser wette auf den Aktienverfall der Firma First Solar. Um ihren Kursverfall an der Börse in Gang zu bringen, habe man die NTSA ins Leben gerufen oder unterstütze sie zumindest“, heißt es im Dossier weiter. First Solar hat immer gezielte Angriffe der Wettbewerber auf die kostengünstige Dünnschicht-Konkurrenz hinter den NTSA-Aktionen vermutet. First Solar war es im vergangenen Jahr gelungen, die Produktionskosten für seine Dünnschichtmodule unter die Grenze von einem Dollar pro Watt Leistung zu senken. Damit hat die Dünnschicht-Technologie einen großen Preisvorteil gegenüber der Herstellung kristalliner Solarzellen und Module.
Für die Argumentation der Ungefährlichkeit von Cadmiumtellurid-Modulen verweist First Solar auf gegengeprüfte Studien des Brookhaven National Laboratory. Außerdem verweist der US-Konzern auf sein umfassendes Recyclingprogramm, dass sicherstellt, dass kein Cadmium in die Umwelt gelangt. Die Börsen haben vorderhand auf die gute Nachricht für First Solar nicht reagiert - die Aktie hatte zuletzt um rund 15 Prozent innerhalb weniger Wochen nachgegeben, machte diese Verluste nach Bekanntgabe des Entscheids des EU-Parlaments aber nicht wett. Auch First Solar unterliegt offenbar der aktuell miserablen Einschätzung der Solarbranche an den Weltbörsen - denn erwartet wird ein weiterer Preisverfall bei den Modulen und damit eine Erosion der Gewinne und Margen der gesamten Branche.
© Solarmedia / Quelle: Photovoltaik
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