Die Schweiz steigt schrittweise, aber definitiv aus der Atomenergie aus! Auch der Ständerat stimmte diesem Prinzip zu, wie zuvor schon der Nationalrat, allerdings in einer leicht abgeänderten Form. Deshalb geht die Vorlage nochmals an den Erstrat.
Ein halbes Jahr nach der Atomkatastrophe in Fukushima sind damit die Weichen für die Energiewende gestellt: In der Schweiz sollen keine Rahmenbewilligungen mehr für den Bau neuer Atomkraftwerke erteilt werden. Der Unterschied des ständerätlichen Entscheids zum Nationalrat liegt vor allem in der Formulierung: Ein «Technologieverbot» wird nicht erlassen. Ein halbes Jahr nach der Atomkatastrophe in Fukushima sind somit aber die Weichen für die Schweizer Energiewende gestellt.
Wenn sich auch energiepolitisch Ewiggestrige (vor allem aus FDP und SVP) nicht zu diesem Schritt bekennen wollten. Für den Ausstieg plädierten neben SP und Grünen Vertreter der CVP und BDP, was zu einer bequemen Drei-Viertel-Mehrheit in der kleinen Kammer reichte. Definitiv ist der Entscheid insofern nicht: Die Räte beauftragen den Bundesrat vorerst, im Kernenergiegesetz ein Verbot für den Bau neuer Atomkraftwerke zu verankern. Wenn die Gesetzesrevision vorliegt, werden sie sich erneut dazu äussern können.
Interessantes brachten einige Voten ans Licht, die im Livestream auf www.parlament.ch auch von Solarmedia verfolgt wurde. Ständerat Filippo Lombardi meinte als Kommissionssprecher, dass Fukushima eben doch enorme Wirkung in der Schweiz gehabt habe. Allerdings wäre es richtig gewesen mit dem Entscheid zu warten auf Berichte zu eben diesem Vorfall und auch auf Perspektiven zu achten, die zu erarbeiten die Zeit fehlte. Womit eine sachbezogene Analyse nicht möglich gewesen sei. Dem möchte man gern entgegen halten, dass die energie- und atompolitische Diskussion bekanntlich ja schon länger anhält.
Die Zürcher Ständerätin Verena Diener verwies auf den intensiven Prozess der vorberatenden Kommission (Urek-S) ihres eigenen Rates. Was vorliegt sei „neu, aber trotzdem reif“. Niemand hätte vor etwas mehr als einem halben Jahr gedacht, dass es soweit käme – doch Fukushima veränderte alles. Atomstrom, billig und ausreichend für Alle – dieses Paradigma gelte nicht mehr. Zu den Atomkosten meinte sie: Uran wird immer teurer werden – das zeige die Auseinandersetzung zwischen China und der Welthandelsorganisation (WTO). Esteres sei nicht mehr bereit, karge Rohstoffe billigst abzugeben. Diener kann nach eigenen Worten nun gut mit der ständerätlichen Fassung leben.
Generell stehen wir gemäss der Zürcher Standesvertreterin an der Schwelle zu neuer Ära, auch beim Umgang mit endlichen Ressourcen generell. Sicherheitsanforderungen werden Atomstrom verteuern, ungelöste Versicherungsfragen ebenso, atomare Abfälle ohne Konzept, das greift – all das wird mehr kosten. In absehbarer Zeit entstehen zusätzliche Stilllegungskosten. Nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen sei sie gegen die Atomenergie, denn „unverantwortliche Risiken in Betrieb und Entsorgung kämen hinzu. Atomenergie ist kein verantwortbarer Weg für die Schweiz, weder ökonomisch noch gesellschaftlich“. Die Herausforderung sei gross, erfordere eine Abkehr von Weltbildern, was die Emotionalität der Diskussion erkläre. Zur Wende gehöre neben Ausstieg auch die konsequente Förderung, aber auch Denk- und Verhaltensmuster zu ändern, hin zur massvollen Nutzung.
SR Felix Gutzwiller von den Freisinnigen bedauerte, dass sich keine Ausdeutungen finden liessen, was denn bedeutende Fortschritte der Atomtechnologie heisst. Handlungsbedarf besteht seit Fukushima, das scheint unbestritten – Ziel Energiekonzeption des Bundesrats. Nicht einfach ein Umstieg sondern ein doppelter. „Nicht nur nukleare Risiken im Auge, auch die klimapolitischen – seit Fukushima drohten diese in den Hintergrund zu treten. Klimaziele seien integraler Bestandteil der Zielsetzung einer Energiestrategie.“ Die konsequente Berücksichtigung der Kostenwahrheit, keine ideologisch geprägte Bevorzugung, soll gemäss Gutzwiller die Diskussion prägen. Die Vollkosten müssten rein in den Preis – dann entstehe Planungssicherheit – er zeigte sich offen für Lösungen innerhalb des Marktes. Offen solle bleiben, ob Kernfusion eine Variante darstelle, «da sind wir ja massgeblich beteiligt» - aber frühestens 2050 sei deren Nutzung möglich. Insgesamt sei die Schweiz in einer guten Position, denkbar die Pumpspeicher mit Strom aus Erneuerbaren zu betreiben.
Bundesrätin Leuthard betonte, sie bringe eine referendumsfähige Vorlage zum Ende der Atomenergie – da ergäbe sich kaum Unterschied zu einer Verfassungsabstimmung, und damit demokratiepolitisch kein Problem. Inhaltlich habe das Restrisiko neue Dimensionen angenommen durch Fukushima, deshalb hat Bundesrat für den Ausstieg votiert. Zudem zeige volkswirtschaftlich etwa das bestehende Projekt Olkiluto in Finnland doppelt so hohe Kosten wie veranschlagt – «teurer wird Atomenergie auf jeden Fall». Heute sei der Anteil der Erneuerbaren inexistent, wenn auch einiges «angefördert» wurde. Doch sei die Schweiz unterentwickelt v.a. gegenüer Deutschland und Österreich – «die sind zehnmal besser als wir mit elf Prozent neuer Erneuerbarer Energien» (Solarmedia: also alle Erneuerbaren inkl. Kleinwasserkraft, aber ohne ältere grosse Wasserkraftwerke).
Nach dem engagierten Votum Leuthards für den durch Bundesrat und Nationalrat eingeschlagenen Weg des Ausstiegs brachten es die Atomfossile überraschend nur noch auf weniger als einen Viertel der ständerätlichen Stimmen. Das Geschäft geht zu wohl unbestrittenen Bereinigung in den Nationalrat zurück – und die Schweiz hat ihren definitiven Atomausstieg.
© Text Solarmedia / Fotos Livestream
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