Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell sieht im Vertrag für eine grosse Koalition in Deutschland das endgültige Abwürgen der Energiewende. Im Folgenden die grundsätzliche Einschätzung des Mitglieds der Grünen Partei wörtlich und in voller Länge.
Union und SPD meinen es ernst mit dem massiven Abwürgen des Ausbaus
der Erneuerbaren Energien. Mit purer staatlicher Planwirtschaft werden
sie das Bürgerengagement für die Erneuerbaren Energien zum Schutze der
Kohlewirtschaft weitgehend zu Nichte machen. Der staatlich verordnete
Ausbaudeckel von maximal 60% Ökostrom bis 2035 bedeutet im Klartext
einen jahrzehntelangen staatlich verordneten Schutz der klimaschädlichen
Kohleverstromung und fast eine Halbierung der in den Jahren 2011 und
2012 realisierten jährlichen Investitionen in der Ökostrombranche. Union
und SPD nehmen für den Schutz der Kohlekonzerne viele weitere
Insolvenzen und zehntausende Arbeitsplatzverluste in der Branche
Erneuerbare Energien in Kauf.
Man darf sich von richtigen und wohlklingenden Worten im
Koalitionsvertrag nicht täuschen lassen. Zwar steht dort völlig richtig:
„Für die Lebensqualität heutiger und zukünftiger Generationen sowie für
den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes ist die Energiewende eine
der größten Herausforderungen. Sie schützt Umwelt und Klima, macht uns
unabhängiger von Importen und sichert Arbeitsplätze und Wertschöpfung in
Deutschland. Wir wollen sie zu einer Erfolgsgeschichte machen und
Deutschland zu einem der modernsten Energiestandorte der Welt
entwickeln.“ In Wirklichkeit gibt es aber für den Ausbau der Erneuerbaren
Energien, vor allem im Stromsektor nur harte Bandagen, die sowohl die
Wirtschaftlichkeit als auch die Genehmigungsgrundlagen der Erneuerbaren
Energien massiv verschlechtern. In allen einzelnen Branchen geht es
kräftig mit Ausbaubremsen zur Sache.
Für die notleidende Branche der Solarwirtschaft werden die massiv
verschlechterten Bedingungen des letzten Jahres fortgeschrieben. Eine
Industriepolitik für die deutsche Solarwirtschaft, die sie im Wettbewerb
mit China stärken könnte, gibt es nicht. Gerade zu zynisch heißt es im
Koalitionsvertrag: „Die jetzt geltende Regelung … hat sich bewährt.“ Es
war doch genau die letzte EEG Novelle, die neben einer fehlenden
Industriepolitik Ursache für den Verlust von etwa 50 000 Arbeitsplätzen
in der Solarwirtschaft war!
Der Biogasbranche, wo die Neuinvestitionen in diesem Jahr schon fast
völlig zum Erliegen gekommen sind, werden weitere massive
Verschlechterungen aufgebürdet. Neuanlagen sollen sich künftig
überwiegend auf die Verwertung von Reststoffen konzentrieren, die aber
in Deutschland kaum mehr in nennenswerten wirtschaftlich erschließbaren,
großen Mengen zu erhalten sind. Statt die Fehlentwicklungen der
Maismonokulturen mit einer Ökologisierung der Anbaufrüchte anzugehen,
wird die Nutzung der nachwachsenden Rohstoffe für neue Biogasanlagen
gleich ganz verhindert.
Die Wasserkraft bleibt ebenfalls in ihren schlechten
Rahmenbedingungen, die in den letzten Jahren einen naturverträglichen
Ausbau, der auch unter Artenschutz gelingen kann, kaum mehr
ermöglichten. Die Geothermie, bei der Projekte mit über 700 Millionen
Euro Investitionsvolumen seit letztem Jahr auf Eis liegen, wird im
Koalitionsvertrag nicht einmal erwähnt.
Die einzige noch gut gehende Ökostrombranche, die Windkraft, wird
schließlich massiv gleich über zwei Wege attackiert: Vergütungssenkungen
und Erschwerungen der Genehmigungen. Die Vergütungen sollen nur noch
für gute Windstandorte ausreichende Investitionsbedingungen bringen. Im
Süden Deutschlands, wo gute Standorte meist nur auf den Höhen der
Mittelgebirge zu finden sind, stehen den Investitionen aber oftmals
Naturparkverordnungen entgegen. Zudem hat sich der bayerische
Ministerpräsident Seehofer durchgesetzt, der dem Wunsch weniger lokaler
Antiwindkraftbürgerinitiativen entsprechend, die Abstände zur
Wohnbebauung auf 2000 Meter erhöhen will, womit der Ausbau der Windkraft
in Bayern zunächst faktisch beendet wäre. Doch diese ganzen
Verschlechterungen reichen Union und SPD offensichtlich noch nicht. Die,
für die Investitionen nach dem EEG existenziell notwendigen,
Vergütungshöhen werden mit weiteren Maßnahmen auf Korn genommen. Nun
sollen auch Anlagen der Eigenstromerzeugung und Selbstvermarktung die
EEG Umlage bezahlen und es gibt weitere Aufschläge. Das
Ökostromprivileg, die wichtigste Grundlage für den Ökostromhandel wird
gestrichen und dafür die verpflichtende Direktvermarktung eingeführt,
was viele Unternehmen nicht stemmen werden können und daher die
Investitionen unterlassen.
Alles wird damit begründet, dass die Kosten des Ökostromausbaus
begrenzt werden müssen. Doch an den entscheidenden Stellen der
Preissteigerung der EEG-Umlage gehen Union und SPD gar nicht ran: weder
sollen unnötige Ausnahmen der Industriebefreiungen abgeschmolzen werden,
es gibt hier lediglich unverbindliche Prüfaufträge, noch soll das
Paradoxon beseitigt werden, dass billiger Solar- und Windstrom die
Börsenstrompreise senken, aber auf diesem Weg die EEG-Umlage nach oben
getrieben wird.
Auch in anderen Sektoren, wie der solaren Wärme oder im
Verkehrssektor gibt es keine nennenswerten Verbesserungen. Von einer
Wiederbelebung des reinen Biokraftstoffmarktes ist nicht einmal mehr die
Rede und die steuerliche Förderung der Altbausanierung ist in letzter
Minute wieder rausgestrichen worden. Stattdessen haben sich die
Atomleute wieder durchgesetzt. Wie der Bedrohung vieler Bundesbürger
durch unsichere Atomkraftwerke in den deutschen Nachbarländern, von
Tschechien bis Frankreich begegnet werden soll, dazu hat die große
Koalition keine Vorstellungen. Das Fundament der Atomwirtschaft, der
Euratomvertrag bleibt unangetastet. Eine Übertragung der Rückstellungen
für die Entsorgung der Kernkraftwerke in einen öffentlichen Fonds kommt
doch nicht, aber an der seit Jahrzehnten völlig erfolglosen
milliardenschweren Forschungsunterstützung für Kernfusion wird
ausdrücklich festgehalten. Diese Förderung für die Kernfusionsforschung
blockiert die Mittel für die notwendige Neuausrichtung der
Energieforschung auf die Energiewende und wird dadurch letztere eben
nicht ermöglichen, auch wenn es als Ziel im Koalitionsvertrag steht. Es
ist genauso gekommen, wie es viele nicht wahrhaben wollten: Wenn die
Atomparteien CDU und CSU, sowie die Kohlepartei SPD ein starkes
Wahlergebnis haben, dann kommt der Roll Back in den Erneuerbaren
Energien.
Nun liegt es in der Hand der SPD Mitglieder, ob sie den gemeinsam mit
den Grünen auf den Weg gebrachten dynamischen Ausbau der Erneuerbaren
Energien wieder verlassen und mit der Zustimmung zu diesem
Koalitionsvertrag, den Ausbau der Erneuerbaren Energien deckeln und
ausbremsen wollen.
Quelle: Hans-Josef Fell
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