Donnerstag, 28. November 2013

D: Hans-Josef Fell sieht schwarz

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell sieht im Vertrag für eine grosse Koalition in Deutschland das endgültige Abwürgen der Energiewende. Im Folgenden die grundsätzliche Einschätzung des Mitglieds der Grünen Partei wörtlich und in voller Länge.




Union und SPD meinen es ernst mit dem massiven Abwürgen des Ausbaus der Erneuerbaren Energien. Mit purer staatlicher Planwirtschaft werden sie das Bürgerengagement für die Erneuerbaren Energien zum Schutze der Kohlewirtschaft weitgehend zu Nichte machen. Der staatlich verordnete Ausbaudeckel von maximal 60% Ökostrom bis 2035 bedeutet im Klartext einen jahrzehntelangen staatlich verordneten Schutz der klimaschädlichen Kohleverstromung und fast eine Halbierung der in den Jahren 2011 und 2012 realisierten jährlichen Investitionen in der Ökostrombranche. Union und SPD nehmen für den Schutz der Kohlekonzerne viele weitere Insolvenzen und zehntausende Arbeitsplatzverluste in der Branche Erneuerbare Energien in Kauf.

Man darf sich von richtigen und wohlklingenden Worten im Koalitionsvertrag nicht täuschen lassen. Zwar steht dort völlig richtig: „Für die Lebensqualität heutiger und zukünftiger Generationen sowie für den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes ist die Energiewende eine der größten Herausforderungen. Sie schützt Umwelt und Klima, macht uns unabhängiger von Importen und sichert Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Deutschland. Wir wollen sie zu einer Erfolgsgeschichte machen und Deutschland zu einem der modernsten Energiestandorte der Welt entwickeln.“ In Wirklichkeit gibt es aber für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, vor allem im Stromsektor nur harte Bandagen, die sowohl die Wirtschaftlichkeit als auch die Genehmigungsgrundlagen der Erneuerbaren Energien massiv verschlechtern. In allen einzelnen Branchen geht es kräftig mit Ausbaubremsen zur Sache.

Für die notleidende Branche der Solarwirtschaft werden die massiv verschlechterten Bedingungen des letzten Jahres fortgeschrieben. Eine Industriepolitik für die deutsche Solarwirtschaft, die sie im Wettbewerb mit China stärken könnte, gibt es nicht. Gerade zu zynisch heißt es im Koalitionsvertrag: „Die jetzt geltende Regelung … hat sich bewährt.“ Es war doch genau die letzte EEG Novelle, die neben einer fehlenden Industriepolitik Ursache für den Verlust von etwa 50 000 Arbeitsplätzen in der Solarwirtschaft war!

Der Biogasbranche, wo die Neuinvestitionen in diesem Jahr schon fast völlig zum Erliegen gekommen sind, werden weitere massive Verschlechterungen aufgebürdet. Neuanlagen sollen sich künftig überwiegend auf die Verwertung von Reststoffen konzentrieren, die aber in Deutschland kaum mehr in nennenswerten wirtschaftlich erschließbaren, großen Mengen zu erhalten sind. Statt die Fehlentwicklungen der Maismonokulturen mit einer Ökologisierung der Anbaufrüchte anzugehen, wird die Nutzung der nachwachsenden Rohstoffe für neue Biogasanlagen gleich ganz verhindert.
Die Wasserkraft bleibt ebenfalls in ihren schlechten Rahmenbedingungen, die in den letzten Jahren einen naturverträglichen Ausbau, der auch unter Artenschutz gelingen kann, kaum mehr ermöglichten. Die Geothermie, bei der Projekte mit über 700 Millionen Euro Investitionsvolumen seit letztem Jahr auf Eis liegen, wird im Koalitionsvertrag nicht einmal erwähnt.

Die einzige noch gut gehende Ökostrombranche, die Windkraft, wird schließlich massiv gleich über zwei Wege attackiert: Vergütungssenkungen und Erschwerungen der Genehmigungen. Die Vergütungen sollen nur noch für gute Windstandorte ausreichende Investitionsbedingungen bringen. Im Süden Deutschlands, wo gute Standorte meist nur auf den Höhen der Mittelgebirge zu finden sind, stehen den Investitionen aber oftmals Naturparkverordnungen entgegen. Zudem hat sich der bayerische Ministerpräsident Seehofer durchgesetzt, der dem Wunsch weniger lokaler Antiwindkraftbürgerinitiativen entsprechend, die Abstände zur Wohnbebauung auf 2000 Meter erhöhen will, womit der Ausbau der Windkraft in Bayern zunächst faktisch beendet wäre. Doch diese ganzen Verschlechterungen reichen Union und SPD offensichtlich noch nicht. Die, für die Investitionen nach dem EEG existenziell notwendigen, Vergütungshöhen werden mit weiteren Maßnahmen auf Korn genommen. Nun sollen auch Anlagen der Eigenstromerzeugung und Selbstvermarktung die EEG Umlage bezahlen und es gibt weitere Aufschläge. Das Ökostromprivileg, die wichtigste Grundlage für den Ökostromhandel wird gestrichen und dafür die verpflichtende Direktvermarktung eingeführt, was viele Unternehmen nicht stemmen werden können und daher die Investitionen unterlassen.

Alles wird damit begründet, dass die Kosten des Ökostromausbaus begrenzt werden müssen. Doch an den entscheidenden Stellen der Preissteigerung der EEG-Umlage gehen Union und SPD gar nicht ran: weder sollen unnötige Ausnahmen der Industriebefreiungen abgeschmolzen werden, es gibt hier lediglich unverbindliche Prüfaufträge, noch soll das Paradoxon beseitigt werden, dass billiger Solar- und Windstrom die Börsenstrompreise senken, aber auf diesem Weg die EEG-Umlage nach oben getrieben wird.

Auch in anderen Sektoren, wie der solaren Wärme oder im Verkehrssektor gibt es keine nennenswerten Verbesserungen. Von einer Wiederbelebung des reinen Biokraftstoffmarktes ist nicht einmal mehr die Rede und die steuerliche Förderung der Altbausanierung ist in letzter Minute wieder rausgestrichen worden. Stattdessen haben sich die Atomleute wieder durchgesetzt. Wie der Bedrohung vieler Bundesbürger durch unsichere Atomkraftwerke in den deutschen Nachbarländern, von Tschechien bis Frankreich begegnet werden soll, dazu hat die große Koalition keine Vorstellungen. Das Fundament der Atomwirtschaft, der Euratomvertrag bleibt unangetastet. Eine Übertragung der Rückstellungen für die Entsorgung der Kernkraftwerke in einen öffentlichen Fonds kommt doch nicht, aber an der seit Jahrzehnten völlig erfolglosen milliardenschweren Forschungsunterstützung für Kernfusion wird ausdrücklich festgehalten. Diese Förderung für die Kernfusionsforschung blockiert die Mittel für die notwendige Neuausrichtung der Energieforschung auf die Energiewende und wird dadurch letztere eben nicht ermöglichen, auch wenn es als Ziel im Koalitionsvertrag steht. Es ist genauso gekommen, wie es viele nicht wahrhaben wollten: Wenn die Atomparteien CDU und CSU, sowie die Kohlepartei SPD ein starkes Wahlergebnis haben, dann kommt der Roll Back in den Erneuerbaren Energien.

Nun liegt es in der Hand der SPD Mitglieder, ob sie den gemeinsam mit den Grünen auf den Weg gebrachten dynamischen Ausbau der Erneuerbaren Energien wieder verlassen und mit der Zustimmung zu diesem Koalitionsvertrag, den Ausbau der Erneuerbaren Energien deckeln und ausbremsen wollen.

Quelle: Hans-Josef Fell

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