In Deutschland bieten sich mehr Möglichkeiten für die
Windenergie an Land als bisher angenommen. Bis zu 13,8 Prozent der
deutschen Landesfläche lassen sich auf der Basis der getroffenen
Annahmen und modernster Anlagen nach einer neuen Studie des
Umweltbundesamtes (UBA) für die Windenergie nutzen – ohne sensible
Schutzgebiete erheblich zu beeinträchtigen oder Abstriche beim
gesetzlichen Lärmschutz zu machen.
Theoretisch ließe sich auf dieser
Fläche eine Strommenge erzeugen, die den in bisherigen Szenarien
angenommen Bedarf an landseitiger Windenergie übersteigt. Das zeigt:
„Grundsätzlich ist für den Ausbau der Windenergie an Land mehr Platz
vorhanden als wir praktisch brauchen, selbst dann, wenn man innerhalb
des Erneuerbaren-Energiemixes den Anteil der Windenergie an Land
vergrößert. Wir müssen das Potenzial nur zu einem kleinen Teil
ausschöpfen, um unsere Klimaziele zu erreichen. Bundesweit betrachtet
besteht damit ein großer Gestaltungsspielraum für den Ausbau der
Windenergie an Land und für den künftigen erneuerbaren Energiemix
insgesamt,“ sagt UBA-Präsident Jochen Flasbarth. Die Ergebnisse stellen
die Windkraft auf See und deren weitere Förderung nicht in Frage. Bis
zur Mitte des Jahrhunderts müsse aber darüber nachgedacht werden, in
welcher Größenordnung der Ausbau der Windkraft auf See erfolgen soll.
Wenn die Sonne nicht scheint, bläst dafür der Wind um so mehr - das Bild zeigt eine Windkraftanlage im Hamburger Hafen (Foto: Guntram Rehsche).
Um eine vollständige Stromversorgung aus erneuerbaren
Energiequellen zu erreichen, ist der Ausbau von Windenergieanlagen
besonders wichtig. Die Windenergie an Land ist nach der Wasserkraft die
günstigste erneuerbare Energieform. Schon heute produzieren diese
Windenergieanlagen im Schnitt Strom zu acht Cent je Kilowattstunde,
also zu einem Preis, der nur knapp über dem von Strom aus Kohle und Gas
liegt. Derzeit sind an Land rund 30 Gigawatt Windenergie installiert,
die bereits acht Prozent des deutschen Stroms liefern.
Das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik
(IWES) hat im Auftrag des UBA berechnet, welche Fläche in Deutschland
sich prinzipiell für die Windenergienutzung eignet. Das Ergebnis: Es
ließen sich theoretisch 13,8 Prozent der Landesfläche für
Windenergieanlagen nutzen. Das entspricht einer Leistung von 1200
Gigawatt. Diese Menge übersteigt bei Weitem die Leistung an Windkraft,
die das UBA im Jahr 2010 in einem Szenario zu Grunde gelegt hatte, um
die Stromerzeugung zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umzustellen –
zusammen mit Offshore-Windenergie, Photovoltaik, Wasserkraft und
Geothermie. Demnach würde man im Jahr 2050 60 Gigawatt Windenergie an
Land benötigen.
Die Berechnungen in der Potenzialstudie basieren auf folgenden
zwei Anlagentypen: eine Starkwindanlage, welche mit einer Nabenhöhe von
100 Metern und einem Rotordurchmesser von 104 Metern über eine
Leistung von 3,4 Megawatt verfügt. Ferner eine Schwachwindanlage, die
für niedrigere und mittlere Windgeschwindigkeiten unter 7,5 Metern pro
Sekunde in Nabenhöhe von 140 Metern geeignet ist und mit einem
Rotordurchmesser von 114 Metern eine Leistung von 3,2 Megawatt erbringt.
Mit dieser modernen Anlagentechnik lässt sich im Bundesdurchschnitt
eine hohe Auslastung erzielen, von ca. 2.400 Volllaststunden im Jahr.
Heute liegt der Durchschnitt aller bestehenden Windenergieanlagen bei
1.700 Volllaststunden. Diese Technik ermöglicht – vorbehaltlich der
Akzeptanz durch die Bevölkerung – einen verhältnismäßig geringen
Abstand zwischen Windenergieanlage und Wohnbebauung. Aus den
gesetzlichen und verwaltungsgerichtlichen Vorgaben ergibt sich für
diese Windenergieanlagen ein Mindestabstand von 600 Metern. Damit
lassen sich die geltenden Lärmrichtwerte auch in der Nacht einhalten.
Legt man größere Abstände zu Siedlungsgebieten zugrunde, verringert
sich das hier errechnete Flächenpotenzial. Verdoppelte man zum Beispiel
den Abstand auf 1.200 Meter, läge es bei 3,4 Prozent der deutschen
Landesfläche. Auch dies ist mehr als ausreichend.
Das errechnete Flächenpotenzial ist an detaillierte Annahmen
geknüpft. Neben den Siedlungsbereichen wurden Nationalparke und andere
Schutzgebiete, die für den Naturschutz relevant sind, ausgeschlossen
sowie Straßen, Wasserflächen und Flughäfen. Nicht möglich war es, den
Flächenbedarf durch Anforderungen des besonderen Artenschutzes in die
Flächenmodellierung einzubeziehen. Das sind Naturschutzanforderungen
für besonders gefährdete Arten, die man nicht auf konkrete
Schutzgebiete beziehen kann. Dazu gehören beispielsweise Rast- und
Brutstätten bedrohter Vogelarten – auch außerhalb von Schutzgebieten. Um
diese Aspekte einzubeziehen, sind lokale Daten nötig, die bei der
Planung von Windenergieanlagen konkret berücksichtigt werden müssen.
In der Realität ergeben sich vor Ort noch weitere Einschränkungen
des ermittelten Potenzials. „Eine bundesweite Studie kann natürlich
nicht alle wichtigen Aspekte – vor allem Akzeptanz in der Bevölkerung
vor Ort oder die Wirtschaftlichkeit eines konkreten Projektes –
berücksichtigen“, sagt Flasbarth. Die Genehmigung einer
Windenergieanlage ist letztendlich immer eine Einzelfallentscheidung,
die vor Ort zu treffen ist.
UBA-Präsident Jochen Flasbarth warnte davor, die Ergebnisse so zu
interpretieren, als ob die Windenergie an Land die anderen erneuerbaren
Energietechniken in den Hintergrund dränge: „Trotz des hohen
Windenergiepotenzials an Land ist die Kombination mit anderen
regenerativen Energiequellen, wie Photovoltaik und Windenergie auf See,
wichtig und sinnvoll.“ Verschiedene Studien zeigen, dass ein hoher
Anteil an erneuerbaren Energien an der Stromversorgung nur mit einem
geeigneten Technologiemix erreichbar ist, um die fluktuierende
Verfügbarkeit unterschiedlicher erneuerbarer Energiequellen
auszugleichen. Die Potenzialstudie zeigt aber, dass beim Ausbau der
Windenergie an Land Spielraum besteht.
Weitere Informationen und Links: Stand der Windkraft in 2012: Im Jahr 2012 gab es in Deutschland
rund 23.000 Anlagen an Land mit einer Nennleistung von 31.000 Megawatt. Die Studie „Potenziale der Windenergie an Land – Studie zur
Ermittlung des bundesweiten Flächen und Leistungspotentials der
Windenergienutzung an Land“ basiert auf Berechnungen des
Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES): http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-medien/4467.html
Quelle: Deutsches Umweltbundesamt
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