Ein
weltweiter Ausstieg aus der Kernenergie erhöht die Kosten für
Klimaschutz nur geringfügig. Mit einer Computersimulation von
Energiesystem und Wirtschaft, die den Wettbewerb zwischen den
verschiedenen Technologien zur Energieerzeugung umfassend abbildet,
haben Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und
der Universität von Dayton, Ohio, Wechselwirkungen zwischen Kernkraft-
und Klimapolitiken analysiert.
„Oft wird gefragt, ob eine
Beschränkung der Kernenergie – wie sie seit dem Unfall im
japanischen Fukushima von manchen Ländern erwogen wird – in
Kombination mit Klimapolitik nicht extrem teuer werden könnte.
Unsere Studie ist die erste, die die Folgen einer großen
Bandbreite von Kombinationen von Klima- und Atompolitik
untersucht“, sagt Leitautor Nico Bauer. Einschränkungen der
Kernkraft könnten von der Politik beschlossen werden, aber auch
auf Bestimmungen von Sicherheitsbehörden zurückgehen. Dann
müssten die nuklearen Kapazitäten zur Energieerzeugung ersetzt
werden – fossile
Brennstoffe aber könnten sich verteuern, wenn zugleich
CO2-Emissionen aus Gründen des Klimaschutzes einen Preis
bekommen, das ist der Kern der Bedenken.
„Im Falle einer beschränkten Nutzung von Kernkraft würde ein flexibles Budget für CO2-Emmissionen
kurzfristig einen höheren Ausstoß von Treibhausgasen erlauben,
der aus einem Anstieg der Energieerzeugung aus Erdgas statt
Kernkraft resultiert“, sagt Bauer. Zusammen mit einer
Verringerung des Energiebedarfs und der Verbesserung der
Energieeffizienz könnte dies helfen, die Lücke in der
Stromerzeugung zu füllen. Der Gaspreis wird sich der Studie
zufolge durch einen Rückgang des Bedarfs vermindern. Die
Stilllegung bereits existierender Kernkraftwerke würde zudem
Instandhaltungs- und Modernisierungskosten vermeiden, die zur
Verlängerung der Betriebszeiten älterer Kernkraftwerke entstehen
würden. Verluste der Weltwirtschaftsleistung durch das
vorzeitige Stilllegen von Kernkraftwerken entsprechen etwa 10
Prozent der Kosten für Klimaschutz, so die Autoren. Werden keine neuen Kernkraftwerke zugelassen, würden sich
die Kosten auf bis zu 20 Prozent belaufen.
Für ihre Studie haben die Wissenschaftler
verschiedene Optionen der Atompolitik analysiert. Die Bandbreite
der untersuchten Szenarien reicht von der „Renaissance“, mit
einer vollen Ausnutzung bereits bestehender Kraftwerke und ihrer
Modernisierung zur Laufzeitverlängerung plus Investitionen in
neue Kernkraftwerke, bis zu „Kompletter Ausstieg“, bei dem
bestehende Kraftwerke stillgelegt werden und es keine
Investitionen in neue Kernkraft gibt. Jedem Szenario wurde eine
Klimapolitik gegenübergestellt, die ein flexibles globales CO2-Budget
mit einbezieht. Mit diesem Budget wird ein Preis für
Kohlendioxid-Emissionen festgesetzt. Insgesamt sind die
Kohlendioxid-Emissionen des globalen Energiesektors dabei von
2005 bis Ende des Jahrhunderts auf 300 Gigatonnen Kohlenstoff
begrenzt. Dies repräsentiert eine Klimaschutzpolitik, die dem
Zwei-Grad-Ziel entspricht.
„Ein überraschendes Ergebnis unserer Studie ist, dass
es im Hinblick auf Verluste der Weltwirtschaftsleistung kaum
einen Unterschied zwischen einer ‚Renaissance’ und einem
‚Kompletten Ausstieg’ gibt“, sagt Bauer. Während der
stufenweise
Ausstieg aus der Kernkraft ohne Klimaschutz mit CO2-Budget
nur sehr geringe Effekte auf die Weltwirtschaftsleistung hätte,
würde ein verbindliches CO2-Budget
ohne gleichzeitige Einschränkung der Kernkraft eine
Verringerung des Welt-Bruttoinlandsprodukts um 2,1 Prozent bis
2050 bedeuten. Durch einen zusätzlichen stufenweisen Ausstieg
aus der Kernkraft stiege dieser Verlust den Berechnungen zufolge
bis 2050 um etwa 0,2 Prozentpunkte. Er hätte also nur wenig
zusätzliche Folgen für die Wirtschaft, da der Beitrag der
Atomkraft zur Energieerzeugung relativ leicht durch alternative
Technologien – darunter auch der verstärkte Einsatz erneuerbarer
Energien – aufgefangen werden kann.
Artikel: Bauer, N., Brecha, R.J., Luderer, G.
(2012): Economics of nuclear power and climate change mitigation
policies. Proceedings of the National Academy of Sciences
(Early Edition) [DOI: 10.1073/pnas.1201264109]
Weblink zum Artikel: www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1201264109.
Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
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