So geht die Marktforschungsagentur Lux Research mit Hauptsitz im US-amerikanischen Boston davon aus, dass der Zubau der weltweiten Solarstromkapazitäten in diesem Jahr stagnieren wird. In 2012 werde weltweit eine Gesamtleistung von knapp 27 Gigawatt (GW) Solarstrom neu errichtet und damit nur wenig mehr als im Vorjahr. Aufgrund des starken Preisverfalls sei davon auszugehen, dass der Gesamtumsatz der Solarunternehmen weltweit stark einbrechen wird, von 110 Milliarden US-Dollar in 2011 auf 92 Millionen Dollar.
Auch das britische Marktforschungsunternehmen IMS Research aus Wellingborough rechnet für 2012 allenfalls mit einem geringen Wachstum des weltweiten Photovoltaikmarktes um etwa vier Prozent auf rund 28 GW. Dabei könne es zwar durchaus höher ausfallen, dann aber durch einen Solarboom im stark abgeschotteten chinesischen Solarmarkt. Dessen Entwicklung sei schwer einzuschätzen. Es sei völlig offen, ob die Regierung in Peking sich weiter gezwungen sehe, eine große einheimische Nachfrage anzuregen, um die stark ausgebauten Produktionskapazitäten der chinesischen Solarhersteller stärker auszulasten. Ein Zubau von bis zu 8 Gigawatt sei „dieses Jahr unwahrscheinlich in China, aber dennoch möglich“. Mit dieser Marke würde China den bisherigen Rekordwert übertreffen, den Deutschland im vergangenen Jahr erreichte. Und binnen eines Jahres würde die Volksrepublik ihre gesamte Solarstromkapazität in etwa vervierfachen.
Angesichts dieser moderaten Wachstumsaussichten werden die starken Überkapazitäten im Weltmarkt der Solarhersteller auch 2012 fortbestehen und sie zu weiteren deutlichen Preisnachlässen zwingen. Hinzu kommen die starken Einschnitte bei den Solarstromtarifen in führenden europäischen Absatzmärkten vor allem im nach wie vor größten Markt Deutschland. Dort sinken die Tarife in diesem Jahr je nach Anlagengröße um 20 bis 40 Prozent. Laut einer Analyse der Nord LB werden die aktuellen Kürzungen kurzfristig zu einem Installationsboom in Deutschland führen. Wem immer dies möglich sei werde versuchen, Solaranlagen rechtzeitig ans Netz zu bringen, um noch die alten Solarstromtarife in Anspruch nehmen zu können. Für das Gesamtjahr rechnen die Experten der Landesbank in Deutschland mit einem Zubau von vier bis fünf GW, wovon der Löwenanteil auf das erste Halbjahr entfalle. Damit aber werde das Zubauziel der Bundesregierung von höchstens 3,5 GW abermals stark überschritten und seien weitere Einschnitte bei der Solarstromvergütung wahrscheinlich.
Dabei würden bereits die aktuellen Einschnitte das Investments in größere Solaranlagen deutlich weniger attraktiv machen, stellt die Nord LB fest. Zielrenditen von neun bis elf Prozent, wie sie etwa Versicherungs- und Pensionsgesellschaften anstrebten, seien schon ab Mitte 2012 bei großen Neuanlagen nicht mehr möglich. Die geringeren Renditeaussichten sowie die durch weitere Änderungen der Vergütungsregelung erschwerte Planbarkeit von großen Photovoltaikanlagen (mehr dazu erfahren Sie hier) werde die weitere solare Entwicklung in Deutschland abbremsen.
Auch in anderen europäischen Solarmärkten wie etwa Italien dürften Kürzungen bei den Solarstromtarifen das weitere Wachstum bremsen und die Geschäfte für Solarunternehmen erschweren, die in diesen reifen Märkten den Großteil ihrer Geschäfte machen. IMS Research sagt voraus, dass der Anteil Europas am Weltmarkt von 69 Prozent im letzten Jahr auf 50 Prozent schrumpfen wird.
Auf einer von Photon in Berlin durchgeführten Fachtagung zum Solarmarkt haben Experten die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf einzelne Sektoren konkretisiert. dort sagte Martin Meyers von Photon Consulting voraus, dass das derzeitige Überangebot an Photovoltaikprodukten auch im Jahr 2013 bestehen und damit der Preisdruck auf die Hersteller anhalten werde. Er geht davon aus, dass im kommenden Jahr etwa die Hälfte der rund 120 größeren Modulhersteller nicht mehr existieren wird. In 2014 werde sich deren Anzahl noch einmal halbieren. Die besten Überlebenschancen räumt er Solarkonzernen ein, die nicht nur reine Solarhersteller sind, also auch Einnahmen über den Handel und die Projektierung erwirtschaften.
Noch düsterer schätzte Meyers die Aussichten für Hersteller von Silizium ein. Der Preis für den wichtigsten Rohstoff zur Produktion von Solarmodulen, der vor wenigen Jahren noch eine kostspielige Mangelware war, ist durch den massiven Ausbau der weltweiten Produktionskapazitäten besonders stark gefallen. Nach Einschätzung des Photon-Experten werden nur Hersteller die derzeitige Marktbereinigung überstehen, die das Kilogramm für weniger als 30 Dollar herstellen können. Das sei nur Produzenten mit sehr großer Produktion wie etwa der deutschen Wacker Chemie möglich, die dadurch über Skaleneffekte starke Kosteneinsparungen erzielen können. Laut Meyers wird es im kommenden Jahr weltweit nicht einmal mehr ein Dutzend Siliziumhersteller geben.
Es gibt aber auch Hoffnungszeichen – zumindest für Marktakteure, die sich verstärkt auf neu aufstrebende Solarmärkte ausrichten. So weist Ash Sharma, IMS-Chefanalyst für Photovoltaik, darauf hin, dass „es immer mehr neue mittelgroße Photovoltaik-Märkte gibt“. Bereits in 2012 werde die Anzahl der Länder, die in einem Jahr mindestens 100 MW Photovoltaik-Anlagen zubauen, auf 23 Länder ansteigen. 2011 seien es noch 17 Länder gewesen, die Tendenz sei klar ansteigend. Diese stärkere Diversifizierung führe langfristig zu einer größeren Stabilität in der Branche, die dann nicht mehr von der Förderpolitik einzelner Länder abhängig sei.
Auch Matthew Feinstein, Analyst von Lux Research, weist auf das stark steigende Nachfragepotential junger Solarmärkte hin. In den Schwellenländern werde sich die Installation von neuer Solarstromleistung bis 2017 vervierfachen. Allein für Südostasien sagt er einen Wachstumssprung von einem GW in 2011 auf etwa 4,5 GW in 2017 voraus. Mittelfristig werde sich das Wachstum der Photovoltaik weltweit vor allem in dieser Region sowie in Lateinamerika und auch in Afrika vollziehen. Das eröffne den Marktakteuren neue Absatzchancen - sofern sie die aktuelle Marktbereinigung überstehen.
Quelle: ecoreporter.de
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