Die Schweizerische Energiestiftung (SES) hat diese Woche eine Veranstaltung organisiert, um der in der
Schweiz oft mit unsachlichen Argumenten geführten Debatte rund um
Stromspeicher auf den Grund zu gehen und sie auf eine wissenschaftliche
Basis zu stellen. Speicherexperten und ein Vertreter der Schweizer
Stromwirtschaft sind der Frage nachgegangen, ob es in der Schweiz neue
Stromspeicher braucht.
Dirk
Uwe Sauer, Professor für elektrochemische Energiewandlung und
Speichersystemtechnik (RWTH Aachen) hat in seinem Referat eindrücklich
gezeigt, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht auf Speicher
warten muss. Ein stabiles Netz braucht nicht Speicher, sondern
Flexibilität. Und die ist heute schon vorhanden. Zudem wird der
Speicher- bzw. Flexibilitätsmarkt dynamisch wachsen, weil immer mehr
Speicher, die zu einem anderen Primärnutzen als Netzdienstleistungen
angeschafft wurden (z.B. Elektromobilität, Notstrombatterien oder
Optimierung des Eigenverbrauchs) diese
kostengünstig erbringen können.
Das
Podium war sich einig: Es besteht kein Bedarf nach weiteren
Pumpspeicherwerken. Gemäss Niklaus Zepf ist das 2,1 Milliarden teure
Projekt Linthtal 2015 keine
Goldgrube, aber innerhalb von 30 Jahren erwarte die Axpo eine
bescheidene Rendite. Woher diese Zuversicht kommt, wo doch andere,
wesentlich günstigere Projekte wie Lago Bianco (Repower) oder Grimsel 3
(KWO) angesichts der aktuellen Marktlage sistiert wurden, blieb offen.
Zepf erwartet eine «limitierte Konkurrenz» zwischen Grossspeichern
(Pumpspeicher) und dezentralen Speichern – und glaubt nicht, dass wir in
ein Speicherproblem hineinkommen.
Das
bekräftigt auch Andreas Ulbig: Die Schweiz ist für den Atomausstieg
gerüstet, neue Stromspeicher sind in absehbarer Zeit nicht nötig. Professor
Sauer weist ausserdem darauf hin, dass Grossspeicher für dezentrale
Stromproduktion, wie sie die neuen erneuerbaren Energien in der Schweiz
in Zukunft erbringen werden, nicht geeignet sind. Dies weil durch den
Transport zwischen verschiedenen Netzebenen Verluste entstehen.
Dezentrale Speicher können Kosten für Netz- und Speicherausbau vermeiden
und steigern die Effizienz des Systems.
Pumpspeicher
sind wie Batteriespeicher und die meisten anderen Speicherarten Tages-
und keine Saisonspeicher. Allerdings ist sich die Wissenschaft einig,
dass bis zu einem Anteil erneuerbarer Energien von rund 80% (in
Deutschland sind es heute 25%) keine Probleme zu erwarten sind bezüglich
der Verlagerung von Strom vom Sommer in den Winter.
Fazit der Veranstaltung: Neue
Stromspeicher haben keine Priorität. Der Atomausstieg erfordert zuerst
verbindliche Abschaltdaten für die bestehenden AKW und den
beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien. Erst
ab einem hohen Anteil Strom aus Photovoltaik und Wind (für Deutschland
gemäss einer Studie von Agora Energiewende ab 60%) stellen sich
möglicherweise Fragen bezüglich Netzstabilität. Heute beträgt der Anteil
Solarstrom in der Schweiz rund 1%, bis 2035 sollen es gemäss SES rund
25% sein. Ob die Antwort darauf Speicher oder andere Möglichkeiten zum
Ausgleich zwischen Produktion und Verbrauch (Lastmanagement, Netzausbau,
Abregeln von Produktion) ist, wird später entschieden werden. Die
Politik macht also nichts falsch, wenn sie den Zubau von erneuerbaren
Energien und Effizienz beschleunigt, und den Pumpspeicher- und
Netzausbau bremst bzw. keine Steuergelder in dessen Förderung
investiert.
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