Samstag, 25. Oktober 2014

Vorderhand ohne Speicher

Die Schweizerische Energiestiftung (SES) hat diese Woche eine Veranstaltung organisiert, um der in der Schweiz oft mit unsachlichen Argumenten geführten Debatte rund um Stromspeicher auf den Grund zu gehen und sie auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen. Speicherexperten und ein Vertreter der Schweizer Stromwirtschaft sind der Frage nachgegangen, ob es in der Schweiz neue Stromspeicher braucht.

Dirk Uwe Sauer, Professor für elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik (RWTH Aachen) hat in seinem Referat eindrücklich gezeigt, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht auf Speicher warten muss. Ein stabiles Netz braucht nicht Speicher, sondern Flexibilität. Und die ist heute schon vorhanden. Zudem wird der Speicher- bzw. Flexibilitätsmarkt dynamisch wachsen, weil immer mehr Speicher, die zu einem anderen Primärnutzen als Netzdienstleistungen angeschafft wurden (z.B. Elektromobilität, Notstrombatterien oder Optimierung des Eigenverbrauchs) diese kostengünstig erbringen können.

Das Podium war sich einig: Es besteht kein Bedarf nach weiteren Pumpspeicherwerken. Gemäss Niklaus Zepf ist das 2,1 Milliarden teure Projekt Linthtal 2015 keine Goldgrube, aber innerhalb von 30 Jahren erwarte die Axpo eine bescheidene Rendite. Woher diese Zuversicht kommt, wo doch andere, wesentlich günstigere Projekte wie Lago Bianco (Repower) oder Grimsel 3 (KWO) angesichts der aktuellen Marktlage sistiert wurden, blieb offen. Zepf erwartet eine «limitierte Konkurrenz» zwischen Grossspeichern (Pumpspeicher) und dezentralen Speichern – und glaubt nicht, dass wir in ein Speicherproblem hineinkommen.

Das bekräftigt auch Andreas Ulbig: Die Schweiz ist für den Atomausstieg gerüstet, neue Stromspeicher sind in absehbarer Zeit nicht nötig. Professor Sauer weist ausserdem darauf hin, dass Grossspeicher für dezentrale Stromproduktion, wie sie die neuen erneuerbaren Energien in der Schweiz in Zukunft erbringen werden, nicht geeignet sind. Dies weil durch den Transport zwischen verschiedenen Netzebenen Verluste entstehen. Dezentrale Speicher können Kosten für Netz- und Speicherausbau vermeiden und steigern die Effizienz des Systems.

Pumpspeicher sind wie Batteriespeicher und die meisten anderen Speicherarten Tages- und keine Saisonspeicher. Allerdings ist sich die Wissenschaft einig, dass bis zu einem Anteil erneuerbarer Energien von rund 80% (in Deutschland sind es heute 25%) keine Probleme zu erwarten sind bezüglich der Verlagerung von Strom vom Sommer in den Winter.

Fazit der Veranstaltung:  Neue Stromspeicher haben keine Priorität. Der Atomausstieg erfordert zuerst verbindliche Abschaltdaten für die bestehenden AKW und den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien. Erst ab einem hohen Anteil Strom aus Photovoltaik und Wind (für Deutschland gemäss einer Studie von Agora Energiewende ab 60%) stellen sich möglicherweise Fragen bezüglich Netzstabilität. Heute beträgt der Anteil Solarstrom in der Schweiz rund 1%, bis 2035 sollen es gemäss SES rund 25% sein. Ob die Antwort darauf Speicher oder andere Möglichkeiten zum Ausgleich zwischen Produktion und Verbrauch (Lastmanagement, Netzausbau, Abregeln von Produktion) ist, wird später entschieden werden. Die Politik macht also nichts falsch, wenn sie den Zubau von erneuerbaren Energien und Effizienz beschleunigt, und den Pumpspeicher- und Netzausbau bremst bzw. keine Steuergelder in dessen Förderung investiert.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen