Die Bundesszenarien der Schweizer Energiepolitik sind, zumindest für die Photovoltaik, längst überholt. Sowohl für Europa wie auch für die Schweiz gilt vielmehr: Das Potenzial der solar erzeugten Elektrizität liegt bei weitem höher als bislang angenommen.
Die Schweizerische Vereinigung für Sonnenenergie (SSES) hat am Wochenende in Bern die Energieszenarien des Bundes einer erneuten und kritischen Prüfung unterzogen. Für die Solarenergie, im Speziellen die Photovoltaik, können die unterdessen rund drei Jahre alten Szenarien keine Gültigkeit mehr beanspruchen. Wie die Tagung ergab, sind sie schlicht überholt. David Stickelberger, Geschäftsführer des Branchenverbandes Swissolar zeigte auf, dass analog zu Projektionen für ganz Europa auch für die Schweiz gilt: Bis zu zwölf Prozent des Zubaus an Stromkapazität könnte in den nächsten zehn Jahren aus der Pholtovoltaik stammen (eine entsprechende Studie erarbeitete die Net Nowak Energie & Technlogie AG im Auftrag von Swissolar im November 2009).
Könnte, denn dafür müssen die Rahmenbedingungen gegeben sein. Die Solarindustrie zumindest ist in der Lage, die nötigen Vorleistungen zu erbringen. Die Reduktion der Kosten für Solarmodule ist immens, allein im Vorjahr reichte sie bis zu 40 Prozent. Was aber noch nicht reicht, um unmittelbar den Kostennachteil gegenüber konventionell erzeugtem Strom wettzumachen. Lange dürfte das aber nicht mehr dauern. Für Italien ist die Wettbewerbsfähigkeit von Solarstrom schon bis 2012 möglich, für Deutschland um das Jahr 2015, wobei dort derzeit ein Kampf um die richtige Einspeisevergütung tobt. Möglicherweise wird sie schon bald wieder einschneidend reduziert, ein Entscheid der Regierung wird demnächst erwartet und könnte bereits im April wirksam werden.
In der Schweiz dürfte es mindestens bis zur zweiten Hälfte des Jahrzehnts dauern, bis die so genannte Grid-Parity erreicht sein wird. Photovoltaisch erzeugter Strom wird dann hierzulande nur noch zwischen 20 und 30 Rappen pro Kilowattstunde kosten – ein Preisniveau, das gemäss der Website Strompreis schon an vielen Orten des Landes erreicht ist. Solche Vorhersagen kontrastieren mit den offiziellen oder wirtschaftsnahen energiepolitischen Standortbestimmungen. So hatten die von Prognos erstellten Bundesszenarien I-IV für die Photovoltaik wesentlich kleinere Volumen und höhere Preise für die nächsten Jahrzehnte vorhergesagt. Und auch der so genannte Energie-Trialog kam letzten Herbst zum Schluss, der Preis werde erst 2035 (!) auf 20 bis 40 Rappen sinken, die Mehrkosten also ein absolut limitierender Faktor bleiben und der Beitrag der Photovoltaik entsprechend im tiefen einstelligen Prozentbereich verharren.
Gemäss neuesten Erkenntnissen (siehe oben erwähnte Studie) – von denen offenbar die Trialog-Autoren keine Kenntnis hatten oder nehmen wollten – kann also die Wettbewerbsfähigkeit von Solarstrom hierzulande viel früher erreicht werden. Allerdings braucht das eine politische Unterstützung, die vorderhand noch weit gehend fehlt. Doch da gilt, was Tagungsleiter Reto Miloni an der SSES-Veranstaltung sagte: Wenn denn die Solarstromerzeugung einmal ersichtlich billig ist, wird kaum mehr jemand an der Erstellung neuer Atomkraftwerke festhalten wollen. Da erstaunt höchstens noch, dass Walter Steinmann, Direktor des Bundesamts für Energie, gemäss diversen Medien am Wochenende für das Jahr 2025 die sichere Inbetriebnahme des nächsten Atomkraftwerks voraussagte. Steinman wird sich täuschen.
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