Der deutsche Energiepolitiker Hermann Scheer fordert eine energische energiepolitische Kurskorrektur – allerdings im Rahmen der nationalen Politik ohne internationale Rücksichtnahmen. Dann wäre vieles möglich – und das sehr schnell.
Eurosolar-Präsident Hermann Scheer (siehe Bild) ist selbstredend nicht zufrieden mit der Kopenhagener Klimakonferenz – wie könnte er auch. Im Editorial der neuesten Ausgabe der Zeitschrift Solarzeitalter 4/2009 beklagt er den schallplattenmässigen Ablauf des ganzen Konferenz-Prozederes. Wie schon in all den Vorgängerkonferenzen wurde gemäss Scheer lediglich ein Minimalkompromiss erzielt, der die Klimakatastrophe nicht wirklich aufhalten kann. Als fragwürdiger Erfolg werde im Übrigen geltend gemacht, dass eine Folgekonferenz beschlossen wurde. Scheer warnt: «Es ist höchste Zeit zu erkennen, dass damit ein globaler Klimaschutz nicht erreicht werden kann.»
Vordergründig mag es zwar einleuchten, dass ein globales Problem (wie der Klimawandel) eine gemeinsam getragene globale Entscheidung erfordere. Doch genau darin liege die Crux, so Scheer. Denn ein nötiger Konsens der beteiligten Staaten bedeute immer Verwässerung der Massnahmen, weil die Bedingungen der verschiedenen Länder zu verschieden sind. Der Konsens und die an sich erforderliche Beschleunigung der Problemlösung stehen in einem unüberbrückbaren Widerspruch. Als Crux erweise sich zudem, einen gleichen Politikansatz für alle zu installieren – in diesem Falle mit der Zuteilung von Emissionsrechten. Was gleichzeitig bedeute, dass nur dieses Minimum angestrebt werde, anstatt der effektiven Herausforderung gerecht zu werden.
So kann es also gemäss Scheer nicht weitergehen. Vielmehr würde es nützen zu anerkennen, dass jene Handlungsträger sich den grössten Vorteil verschafften, die den eigenen volkswirtschaftlichen Umbau zuallererst initiierten. Denn die Menschheit stehe an der Schwelle zu einer Ära beispielloser Möglichkeiten. Der Wandel könne Millionen von neuen Arbeitsplätzen schaffen, das Klimaproblem lösen und gar zu einer gerechteren Welt beitragen. Auch bisherige grosse Veränderungen seien nie im Konsens erfolgt, sondern durch ein Vorpreschen der Wagemutigen. Was natürlich nicht ausschliesse, dass solcherart revolutionäre Veränderungen einen politischen Rahmen brauchten. Jüngstes Beispiel aus der Vergangenheit ist das Internet – und aus der Gegenwart die Nutzung der Solarenergie in Deutschland – einem Land, das nicht etwa die besten Voraussetzungen gerade für diesen Schritt hatte. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz bildete diesen Rahmen und wurde unterdessen weltweit in über 40 Ländern übernommen.
Das führt Hermann Scheer zur Aussage, eine Stromversorgung aus 100 Prozent Erneuerbarer Energien sei in Deutschland innert 15 Jahren zu schaffen, also bis 2025! Voraussetzung bildeten allerdings entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen. Hier lässt sich für die Schweiz nur anfügen, dass die bereits verbreitete Nutzung der Wasserkraft die Realisierung eines solchen Zieles eigentlich noch realistischer erscheinen lässt. Denn, so Scheer: Nichts lasse sich schneller installieren, als dezentrale Anlagen für Erneuerbare Energien. Eine Aussage, die stets aufs Neue bestätigt wird, wenn etwa die grösste PV-Anlage in Deutschland (siehe Solarmedia vom 8. Januar 2010) in nur fünf Monaten einsatzbereit war. Auf der anderen Seite dauert es bekanntermassen viele Jahre bis zur Fertigstellung von Grosskraftwerke, basierten sie nun auf Kohle, Gas oder Uran. Eine schnelle Umstellung ist umso verlockender, als damit ein enormes CO2-freies Potential erschlossen wird, das unerschöpflich ist. So ist es an allen Gesellschaften im Einzelnen Entscheidungen zu treffen, um im Eigeninteresse diese neue Perspektive zu ermöglichen. Dass dies gleichzeitig den Untergang der herkömmlichen Energiewirtschaft bedeuten könnte, begründet wohl auch den Umstand, dass der angezeigte Übergang nicht konfliktfrei vonstatten gehen wird.
© Solarmedia / Quelle: Solarzeitalter 4/09
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